# taz.de -- Einschränkung der Meinungsfreiheit: Hanoi greift nach den Nutzerdaten
       
       > Vietnams Regierung verpflichtet Internetkonzerne zur Herausgabe der
       > Nutzerdaten. Damit will sie sich kritische Stimmen vom Hals halten.
       
 (IMG) Bild: Die vietnamesische Regierung will die Herausgabe aller Nutzerdaten in den sozialen Netzwerken
       
       BERLIN taz | Die vietnamesische Regierung hat jetzt alle im Land tätigen
       IT-Unternehmen per Dekret aufgefordert, alle persönlichen Daten ihrer
       Nutzerinnen und Nutzer ab 1. Oktober im Land zu speichern. Diese müssen den
       Behörden auf Anfrage ausgehändigt werden.
       
       Die geforderte Datenspeicherung betrifft beispielsweise die von
       IT-Unternehmen erfassten Daten wie Namen des Nutzers, biometrische Daten,
       Netzwerkadresse, Kontoverbindung, Zeitpunkt der An- und Abmeldung in
       sozialen Netzwerken, Telefonnummer sowie soziale Beziehungen in sozialen
       Netzwerken. Darunter fallen beispielsweise Facebookfreunde und
       Mitgliedschaften in Facebook- und Telegram-Gruppen. Diese Daten müssen 24
       Monate lang gespeichert werden.
       
       Das Dekret gilt für Telekommunikationsanbieter, für soziale Netzwerke wie
       Facebook und Youtube sowie für Internetkonzerne wie Google. Ausländischen
       Firmen wird eine Übergangszeit von zwölf Monaten eingeräumt, um ihre Server
       für die lokale Datenspeicherung sowie entsprechende Büros in Vietnam
       einzurichten.
       
       Die Internetanbieter werden auch verpflichtet, unerwünschte Inhalte auf
       Wunsch der Regierung zu entfernen. Das ist bereits durch das seit 2019
       geltende Gesetz über Cybersicherheit der Fall. Seitdem löschen Facebook und
       Youtube Inhalte vietnamesischer Nutzer auf Verlangen der Regierung.
       
       ## Bei Nichtbefolgung droht Konzernen Verbot in Vietnam
       
       Manchmal wird Nutzern bisher noch das Recht eingeräumt, vorab Widerspruch
       gegen die beabsichtigte Löschung einzulegen. Inhalte von Nutzern von
       außerhalb Vietnams werden auf Wunsch der Regierung in Hanoi für das
       Internet in Vietnam gesperrt. Das betraf im November 2020 sogar schon einen
       taz-Artikel.
       
       Den sozialen Netzwerken wird im Falle der Nichtbefolgung damit gedroht, aus
       dem vietnamesischen Internet verbannt zu werden. Das Land mit knapp 100
       Millionen überwiegend jungen und internetaffinen Bewohnern ist ein
       wichtiger Markt.
       
       Auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters haben sich Google und der
       Facebook-Mutterkonzern Meta nicht geäußert, wie sie mit dem neuen Dekret
       umgehen wollen.
       
       Lisa Kretschmer von Reporter ohne Grenzen in Berlin sagte der taz: „Die
       Entscheidung von Vietnam ordnet sich ein in eine gefährliche Tendenz, in
       der autoritäre Staaten die Freiheitspotenziale des Internets bekämpfen
       wollen.“ Sie appelliert an globale Internetkonzerne wie Facebook und
       Google, dem Druck der vietnamesischen Regierung nicht nachzugeben.
       
       ## Internetkonzerne werden eigenem Image nicht gerecht
       
       „Sie nehmen für sich in Anspruch, die Meinungsfreiheit ihrer Nutzerinnen
       und Nutzer hochhalten zu wollen – nun müssen sie Taten folgen lassen. Das
       internationale Völkerrecht wie auch die Nutzungsregeln der Unternehmen
       räumen ihnen Spielräume ein, sich solchen Gesetzen von Diktaturen nicht zu
       beugen“, so Kretschmer. Es sei „alternativlos“, davon Gebrauch zu machen.
       
       Auf der [1][Rangliste der Pressefreiheit] von Reporter ohne Grenzen belegt
       Vietnam nur Platz 174 von 180 Staaten.
       
       Das neue Dekret reiht sich ein in die systematische Beobachtung und
       Unterdrückung der vietnamesischen Zivilgesellschaft. Deren Repression
       schreitet seit dem Kongress der alleinregierenden Kommunistischen Partei
       2016 in hohem Tempo voran.
       
       Laut der Webseite von [2][Radio Free Asia] haben mindestens 15 Provinzen
       bereits bis letzten Herbst spezielle Polizeieinheiten aufgestellt, um
       Demonstrationen, Arbeiterstreiks und Proteste von Christen aus ethnischen
       Minderheiten niederzuschlagen.
       
       [3][Human Rights Watch schrieb im Februar]: „Grundlegende bürgerliche und
       politische Rechte werden in Vietnam systematisch unterdrückt, ebenso
       Meinungsäußerungen, Vereinigungsfreiheit, friedliche Versammlungen,
       Bewegungsfreiheit und Religionsfreiheit.“
       
       22 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/rangliste-2022
 (DIR) [2] https://www.rfa.org/english/news/vietnam/vietnam-sets-up-specialized-police-units-08122022012127.html
 (DIR) [3] https://www.hrw.org/report/2022/02/17/locked-inside-our-home/movement-restrictions-rights-activists-vietnam
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
       
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