# taz.de -- Spielzeugspenden in Odessa: Großer Dampfer, kleiner Traktor
       
       > Es gibt noch gute Tage in Odessa: Eine Getreidelieferung sorgt für große
       > Aufregung. Zugleich spielen Kinder gemeinsam in einem Park „Krieg
       > beenden“.
       
 (IMG) Bild: Selfie im Hafen: Frau vor dem Terminal mit Getreide in Odessa
       
       An diesem Morgen erwachte die Stadt nicht vom Luftalarm oder von
       Raktenexplosionen, sondern vom Dröhnen eines Dampfers. Drei Signaltöne
       waren vom Hafen von Odessa zu hören. [1][Ein Schiff, beladen mit 26.000
       Tonnen ukrainischem Mais], lief aus. Kinder mit vor Erstaunen geöffneten
       Mündern beobachteten dieses historische Ereignis. Sie verfolgten aufmerksam
       die Nachrichten und wollten wissen, [2][ob der „Getreidekorridor“
       funktioniert].
       
       Meine Söhne baten mich, das riesige Schiff bei seiner Jungfernfahrt sehen
       zu können. Sie hielten Pakete in ihren Händen – darin: Spielzeugautos,
       Soldaten und Traktoren.
       
       Aber meine Jungs hatten nicht vor, an diesem Tag zu spielen. Am Vorabend
       des Ereignisses hatten Denis und Timofej alle ihre Kisten mit Spielsachen
       herausgeholt und begonnen, sie sorgfältig zu sortieren. Die kaputten wurden
       beiseitegelegt und die, die noch in gutem Zustand waren, separat
       aufgeschichtet.
       
       Die Jungs waren entschlossen, bei unserem Ausflug in die Innenstadt
       unbedingt andere Kinder zu treffen und ihre Spielsachen mit ihnen zu
       teilen. [3][Die Frontstadt Odessa] hat Tausende Migrant*innen
       aufgenommen. Zu uns kommen vor allem Menschen aus Mykolajiw, Charkiw und
       [4][dem provisorisch besetzten Cherson]. Sie fliehen mit ihren Familien vor
       dem Krieg und nehmen nur das Wichtigste mit. Und da stehen Spielsachen
       nicht immer auf ihrer Liste.
       
       ## Die Kinder wollen den Krieg beenden
       
       In einem der Parks von Odessa hatten sich ungefähr hundert Kinder
       versammelt. Jemand spielte auf einem Musikinstrument, ein anderer
       errichtete auf einer Bank einen improvisierten Laden und verkaufte
       Kunsthandwerk. Das gesammelte Geld sollte an ukrainische Soldaten gehen –
       für den Kauf von Regenmänteln.
       
       Gleich nachdem das Schiff den Hafen verlassen hatte, kamen wir im Park an.
       Unter den Migrant*innen gab es kein anderes Gesprächsthema. Manche von
       ihnen hörten zum ersten Mal das Grollen eines Dampfers und erschraken.
       
       Stolz hielten meine Söhne ihr Paket anderen Kindern entgegen. Ich weiß,
       dass darin ihre Lieblingsspielsachen waren. Vor allem ein Traktor. Ihn
       nahmen die Kinder zuerst, um damit zu spielen. Sie hängten einen
       Spielzeugpanzer an ihn an und legten los mit den Worten: „So werden wir den
       Krieg beenden.“
       
       In der Ukraine sind solche Geschichten tatsächlich passiert. Traktorfahrer
       nahmen die von den Besatzern zurückgelassenen Panzer in Besitz und
       übergaben sie den ukrainischen Soldaten, wofür sie den Titel
       „Traktortruppen“ erhielten.
       
       ## Kleine Taten
       
       [5][Für meine Kinder war das ein glücklicher Tag]. Sie haben gesehen, dass
       die Welt die Ukraine weiterhin unterstützt, dass unser Getreide erwartet
       wird und das Schiff auf eine große Reise gegangen ist. Und sie haben noch
       etwas gesehen: Dass sie selbst mit einer kleinen Tat anderen Kindern helfen
       können, sich zu entspannen und zumindest für eine Weile zu vergessen, was
       um sie herum passiert.
       
       Aus dem Russischen von Barbara Oertel
       
       Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung.Einen Sammelband
       mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA im September
       heraus.
       
       23 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tatjana Milimko
       
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