# taz.de -- Symbolpolitik in Kroatien: Eine Frage der Prägung
       
       > Ab Januar gibt es in Kroatien den Euro. „Falsche Entscheidung“, würden
       > kroatische Boulespieler wohl zur Auswahl der Motive auf den Münzen sagen.
       
 (IMG) Bild: Der Marder wird auch auf der 1-Euro-Münze zu sehen sein
       
       Auf der Boulebahn in den Bergen Dalmatiens ist Nachsaison, die Einwohner
       haben die Landschaft wieder größtenteils für sich. „Feuer die Haubitze ab“,
       rät einer der Spieler einem anderen. Der nimmt den Rat an, rennt mit vollem
       Karacho bis zur Mitte der Bahn, weit hinter die beiden blauen
       Abwurfmarkierungen, und ballert seine Kugel auf eine andere, die vor ihm im
       Sand liegt.
       
       Voll daneben. „Falsche Entscheidung!“, ruft einer. Er meint damit weniger,
       dass der Spieler erfolgreich gewesen wäre, hätte seine Kugel durch einen
       sachten Wurf die gegnerische verdrängt. Sondern: „Wer die Haubitze
       einsetzt, löst einen Krieg aus.“
       
       In der Tat wird aus der Boulebahn, wo eben noch das Bewegungslevel einer
       Minigolfanlage geherrscht hatte, nun eine Arena kämpfender Stiere. Bis zum
       ersten Haubitzeneinsatz schoben die Männer ruhige Kugeln, jetzt wird nur
       noch gerannt, geflucht, geschrien, Eisenkugeln krachen mit voller Wucht
       aneinander, die Spieler stehen mitten in der Bahn, rudern mit Armen, messen
       mit Schuhen Abstände und werden vom aufgewirbelten Staub umhüllt, der die
       Rauchschwaden von den nebenan gerösteten Čevape verdrängt.
       
       Auf die Frage, wieso ausgerechnet jemand, der eine Haubitze einsetzt, so
       weit nach vorne laufen darf, antwortet einer der Männer: „Er darf bis an
       die Europäische Grenze“ und zeigt auf eine dritte blaue Linie an der
       seitlichen Bahnbegrenzung. „Weiter darf er nicht.“
       
       Es ist der letzte kroatische Sommer [1][vor dem Euro] und nicht ganz
       leicht, die Haltung der Kroaten zu Europa einzuschätzen. Im Moment ist nur
       klar, dass sie ab dem 1. Januar 2023 keinen Zoo mehr im Portemonnaie haben
       werden. Bisher waren auf den Kuna-Münzen neben dem namensgebenden Marder
       auch Nachtigall, roter Thunfisch und Braunbär abgebildet und auf den
       Kleinmünzen (Lipa) Linde, Weinrebe, Tabak und Stieleiche.
       
       Der Marder wird auch auf der 1-Euro-Münze zu sehen sein. Auf den Rest der
       Tierwelt wird verzichtet zugunsten von Nikola Tesla (ein Erfinder aus
       Kroatien, was ausschließlich Kroaten wissen), einer geografischen Karte
       (einschließlich der Landesteile, die nicht am Meer liegen) und einem
       glagolitischen Zeichen (das nicht mal die patriotischsten Patrioten noch
       lesen können). Im Wettbewerb um das Design der Münzen unterlegen war ein
       Dalmatiner (Hund) und die Krawatte (benannt nach dem schlecht kroatisch
       sprechenden französischen König, der die Kroaten Krawatten nannte und deren
       hübsche rosa Halstücher zum weltweiten Exportschlager machte).
       
       Der Boulespieler hätte an dieser Stelle gerufen: „Falsche Entscheidung!“
       Denn wer nachguckt, warum Tesla auf der kroatischen Münze ist, wird
       feststellen, dass den Kroaten ihr Pionier bisher scheißegal war (der
       „Flughafen Nikola Tesla“ liegt nicht in Zagreb, sondern in Belgrad). Und
       wer sich die Mühe macht, herauszufinden, wie der Marder auf den kroatischen
       Euro kam, wird darüber stolpern, dass der Wettbewerb um das Design zweimal
       stattfinden musste: Beim ersten Mal hatte ein Marder gewonnen, von dem sich
       herausstellte, dass er ein schottisches Tier gewesen war, den ein Brite
       fotografiert hatte.
       
       Richtig, im Sinne von angemessen, wäre gewesen: Krawatte, Dalmatiner,
       Schnapsglas und eine Scheibe Pršut (der kroatische Prosciutto) oder auch
       eine selbst gebastelte Haubitze aus dem Krieg gegen die Serben.
       
       17 Sep 2022
       
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