# taz.de -- Wahlen in Kenia: Präsident Ruto, der Dynastienkiller
       
       > Mit der Amtseinführung von William Ruto beginnt in Kenia eine neue Ära.
       > Der „Hustler“ steht für die, die es durch harte Arbeit geschafft haben.
       
 (IMG) Bild: Große Freude unter den Anhängern von Wiliam Ruto in Nairobi über das Urteil, dass seine Wahl nicht angefochten werden kann
       
       Am 13. September [1][bekam Kenia einen neuen Präsidenten]. William Ruto
       wurde als fünfter Präsident der Republik Kenia vereidigt, gut einen Monat
       nach seinem Wahlsieg. Der bisherige Vizepräsident gewann gleich zweimal –
       erst an der Wahlurne und dann beim Verfassungsgericht, das [2][die
       Wahlanfechtung des wichtigsten Gegenkandidaten Raila Odinga] abwies. Ruto
       war zwar zehn Jahre lang Vizepräsident unter Präsident Uhuru Kenyatta
       gewesen, aber sein Sieg war ein Sieg über Kenyatta, denn der hatte seinen
       früheren Erzrivalen Odinga als Wunschnachfolger unterstützt und sich gegen
       Ruto gestellt.
       
       Mit der Amtseinführung des 55-jährigen William Ruto beginnt in Kenia nun
       eine neue Ära. Weithin im Land steht sein Sieg für den [3][Sieg derjenigen,
       die es durch harte Arbeit und Geschäftssinn nach oben geschafft] haben,
       über die, die immer schon oben gewesen sind – die „Hustler“, wie im
       kenianischen Englisch die Aufsteiger aus eigener Kraft genannt werden, über
       die „Dynastien“. Uhuru Kenyatta und Raila Odinga sind nämlich die Söhne der
       ersten Präsidenten und Vizepräsidenten Kenias nach der Unabhängigkeit von
       Großbritannien 1963, Jomo Kenyatta and Oginga Odinga. Zwischen den beiden
       Kenyattas hatte Kenia nur zwei andere Präsidenten.
       
       Wie die meisten afrikanischen Staaten ist auch Kenia ein Land, in dem der
       Präsident sehr leicht Reichtum anhäufen kann. So sind die Familien, die
       bislang an der Macht gewesen sind, steinreich. William Ruto hingegen, der
       in eine arme Familie geboren wurde, hat seinen Weg nach oben selbst
       erarbeitet, ein „Hustler“ eben. Sein Aufstiegskampf ist ein Vorbild für
       Millionen junge Menschen in Kenia aus unterprivilegierten Verhältnissen.
       Sie haben ihn in großer Zahl bei der Wahl unterstützt, um die „Dynastien“
       zu stürzen. Dass er selbst auch inzwischen steinreich ist, war dabei für
       ihn kein Nachteil, obwohl seine Gegner versuchten, ihm den Vorwurf der
       Korruption anzuhängen.
       
       [4][Kenia] ist eine von Afrikas größten Volkswirtschaften, und das
       Pro-Kopf-Einkommen ist mit aktuell 1.550 US-Dollar pro Jahr ansehnlich im
       afrikanischen Vergleich, doch die Kluft zwischen Arm und Reich bleibt
       immens. Als die ostafrikanischen Staaten in den frühen 1960er Jahren die
       Unabhängigkeit erlangten und die Welt in die Blöcke Ost und West geteilt
       war, lästerte Julius Nyerere, sozialistischer Präsident des pro-östlichen
       Nachbarn Tansania, über Kenia als eine „man eat man“-Gesellschaft, in der
       jeder seinen Nächsten übervorteilt. Jomo Kenyatta aus dem kapitalistischen,
       pro-westlichen Kenia konterte, Tansania sei eine „man eat
       nothing“-Gesellschaft, in der alle gemeinsam im Elend leben. Diese
       Charakterisierungen sind auch heute noch weit verbreitet.
       
       ## Naiv ist er nicht
       
       Aber innerhalb von 24 Stunden seiner Amtsübernahme überraschte Ruto seine
       Unterstützer. Er kippte die Benzinpreissubvention, die sein Vorgänger zur
       Abfederung der Preissteigerungen infolge des Ukrainekrieges und der
       Covid-19-Pandemie gewährt hatte.
       
       Der „Hustler“ Ruto mag auf der Seite der Massen stehen, aber naiv ist er
       nicht. Er erbt hohe Auslandsschulden, die Kreditgeber werden ungeduldig,
       und je schneller sich das Volk an harte Zeiten gewöhnt, desto besser aus
       seiner Sicht. Ruto ist ein erfahrener Geschäftsmann und er wird den
       Vorsprung von Kenias Finanz- und Technologiesektor nutzen, um Kenias
       ökonomische Dominanz in Ostafrika auszubauen. Schon jetzt sind kenianische
       Firmen die größten Player im Banksektor der Demokratischen Republik Kongo
       und im Telekomsektor Äthiopiens, bevölkerungsmäßig die zwei Giganten der
       Region. Der „Hustle“ hat begonnen. Es brechen interessante Zeiten an.
       
       Aus dem Englischen: Dominic Johnson 
       
       „Hustler“
       
       17 Sep 2022
       
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