# taz.de -- Kriminalkomödie „See How They Run“: Keine voreiligen Schlüsse ziehen
       
       > Krimikomödien sind gerade wieder sehr gefragt. „See How They Run“
       > versucht sich an einer historischen Variante mit Agatha Christie im
       > Gepäck.
       
 (IMG) Bild: Filme sind ihre Leidenschaft: Constable Stalker (Saoirse Ronan)
       
       Die Welt des Kinos liegt im Argen. Was man unter anderem daran sieht, dass
       die großen Studios in ihren Produktionen auf Nummer sicher gehen.
       [1][Superheldensequels wie das Marvel-Universum gehören zum größten
       Geschäft bei Disney], von Film zu Film wiederholt sich aber auch die
       größtmögliche Erwartbarkeit sowohl bei Handlung (irgendwie Gute kämpfen
       gegen irgendwie Böse) als auch in der Ausstattung (bei diesen Kämpfen geht
       nichts unter dem Giga-Wumms). Oder man macht aus [2][schönen
       Zeichentrickfilmen wie dem „Dschungelbuch“ weniger schöne computergestützte
       Nachbauten].
       
       Unter den jüngsten cinematischen Recyclingideen scheint jetzt auch das gute
       alte Krimigenre ein Update zu erhalten, oder man käut es zumindest
       entschlossen wieder. Krimikomödien stehen jedenfalls einigermaßen hoch im
       Kurs, seit mit [3][„Knives Out“ (2019) von Rian Johnson] die bewährte
       Whodunit-Formel, bei der Publikum und Ermittler unter einer größeren Zahl
       an Verdächtigen rätseln können, sich dank schlauem Schnitt und geglückter
       Starmannschaft als einer der bemerkenswertesten Komödienerfolge vor der
       Pandemie herausstellte.
       
       An dieses Konzept knüpfen aktuell gleich mehrere Filme an: Bevor zu
       Weihnachten mit „Glass Onion“ die Fortsetzung von „Knives Out“ bei Netflix
       startet, kommt jetzt mit „See How They Run“ ein grundsätzlich ähnlich
       gebauter Film ins Kino, nächste Woche folgt mit „Amsterdam“ von David O.
       Russell eine weitere Krimikomödie, beide aus dem Hause Disney.
       
       „See How They Run“ ist das Kinodebüt des Regisseurs Tom George. In den
       Hauptrollen ermitteln Sam Rockwell als der columboeske Inspector Stoppard
       und Saoirse Ronan als die übereifrige Polizistin Inspector Stalker, dazu
       ist Adrien Brody als Mordopfer Leo Köpernick zu sehen. Ort der Handlung ist
       über weite Strecken ein Theater im Londoner Westend. Man schreibt das Jahr
       1953, gegeben wird, o Zufall, Agatha Christies „Die Mausefalle“.
       
       ## Zwei unterschiedlich trottelige Gesetzeshüter
       
       Der Bühnenerfolg soll zum Kinoerfolg werden, Leo Köpernick ist der mit der
       Verfilmung beauftragte Regisseur. Dessen wenig sympathisches arrogantes
       Auftreten ist einer der Gründe, warum es bei den Vorbereitungen an
       verschiedenen Stellen hakt. Da Köpernick am Tag der Feier der 100.
       Aufführung der „Mausefalle“ hinter den Kulissen des Theaters ermordet
       wird, gibt es kurz darauf für die Polizei eine Reihe von Verdächtigen.
       
       Inspector Stoppard und Constable Stalker sind dabei ein Team von zwei auf
       unterschiedliche Weise trotteligen Gesetzeshütern. Stoppard ist
       kriminalistisch zwar erfahren, trinkt aber mehr, als seiner Arbeit dienlich
       ist. Stalker steht beruflich noch am Anfang, kennt sich als Filmbegeisterte
       bestens im Kino aus, bei der Kriminalistik neigt sie hingegen zu
       „voreiligen Schlüssen“.
       
       Das Ganze wäre ja eine schöne Idee. Da sind die witzig angelegten Figuren
       und zwei kundige Mimen, um sie zum Leben zu erwecken. Man hat einen
       Film-im-Film-Ansatz, bei dem Bühnenstück, geplante Verfilmung und der Film,
       den man gerade sieht, auf verschiedenen Ebenen miteinander verschaltet
       werden. Dazu kommt eine ordentliche Portion Slapstick inklusive monströser
       Tortenschlacht.
       
       Doch das Drehbuch hat lediglich eine Handvoll zündender Witze für Rockwell
       und Ronan parat, ansonsten bleiben sie aufs Knallchargieren abonniert. Auch
       der übergeordnete Blick, den der Film in abgeklärter Form auf das Genre
       werfen will, erscheint eher starr als wach und lässt der Komik kaum Luft
       zum Atmen. Allein der Slapstick hat das richtige Tempo. Doch es wäre falsch
       verstandene Höflichkeit zu sagen, dass man damit gut anderthalb Stunden
       bestens unterhalten würde. Dann doch lieber noch einmal „Knives Out“. Oder
       „Ladykillers“.
       
       27 Oct 2022
       
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