# taz.de -- Gericht stoppt Jagd in Niedersachsen: Wolf darf vorerst weiterleben
       
       > Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat die Wolfsjagd in Ostfriesland
       > gestoppt. Umweltminister Olaf Lies (SPD) kündigt Beschwerde gegen das
       > Urteil an.
       
 (IMG) Bild: In Freiheit lebend schwer zu identifizieren – und bei Abschüssen leicht zu verwechseln: der Wolf
       
       GÖTTINGEN taz | Erneute Klatsche für Niedersachsens Umweltminister Olaf
       Lies (SPD): Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat zumindest vorerst den vom
       Land genehmigten Abschuss eines Wolfes aus dem sogenannten Friedeburger
       Rudel im Landkreis Wittmund verboten. Mit dem am vergangenen Freitag
       veröffentlichten Urteil gab das Gericht einem Antrag des Freundeskreises
       freilebender Wölfe statt.
       
       Erst im März hatte dasselbe Gericht [1][Anträgen von zwei
       Naturschutzverbänden stattgegeben] und in einem Eilverfahren geurteilt,
       dass Wölfe aus den in freier Wildbahn lebenden Rudeln bei Garlstedt im
       Kreis Osterholz-Scharmbeck und Schiffdorf im Kreis Cuxhaven zunächst nicht
       abgeschossen werden dürfen.
       
       Der dem Umweltministerium unterstellte Landesbetrieb für Wasserwirtschaft,
       Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hatte Mitte September eine
       Ausnahmegenehmigung zur „lethalen Entnahme“ des Wolfes mit der Kennung
       GW2888m aus dem Rudel Friedeburg erteilt. Der Rüde soll seit dem Sommer in
       sechs Herden insgesamt sieben Rinder gerissen haben. Weil eine
       Identifizierung dieses Wolfes in der Landschaft schwierig oder gar
       unmöglich sei, gestattete der NLWKN in einer Nebenbestimmung zugleich auch
       den [2][Abschuss anderer Wölfe] aus dem Rudel.
       
       In seinem Widerspruch gegen die Abschussgenehmigung hatte der in Wolfsburg
       ansässige Freundeskreis freilebender Wölfe unter anderem kritisiert, dass
       die gerissenen Rinder nicht ausreichend geschützt gewesen seien und sich
       dabei auf das Bundesamt für Naturschutz berufen: Demnach seien
       Ausnahmegenehmigungen für Abschüsse selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn
       Wölfe einen kleinen Zaun überwinden.
       
       ## Höherer Zaun sei für Rinderhalter unpraktikabel
       
       Dabei könnten Rinder dem Freundeskreis zufolge durchaus durch einen 1,20
       Meter [3][hohen Zaun effektiv geschützt werden]. Die betroffenen Landwirte
       und auch Jäger aus der betroffenen Region hätten dies jedoch als nicht
       praktikabel zurückgewiesen.
       
       „Das Gericht hat das Leben des Wolfes vorerst verlängert und auf geltendes
       Recht hingewiesen“, sagte der Freundeskreis-Vorsitzende Ralf Hentschel der
       taz nach dem Gerichtsurteil. „Diese Wolfsjagd untersagt.“
       
       Umweltminister Lies hingegen missfällt das Urteil, er kündigte umgehend
       Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Lüneburg an. „Wir
       begründen die Ausnahmegenehmigungen bereits mit größtmöglicher Sorgfalt“,
       sagte er. „Das Oldenburger Gericht verlangt hier allerdings einen noch
       wesentlich restriktiveren Weg, der künftige Abschüsse faktisch unmöglich
       machen könnte.“
       
       Dass das Land die Abschussgenehmigungen sorgfältig begründet, wird vom
       Freundeskreis stark in Zweifel gezogen. Alle in den vergangenen Jahren
       erteilten Ausnahmegenehmigungen zur Tötung von Wölfen aus angeblich
       „besonders auffälligen Rudeln“ seien „weder wahrheitsgemäß noch fach- und
       sachgerecht begründet“ worden, sagt Wolfsschützer Hentschel.
       
       Im Übrigen gelte: „Problemwölfe sind Hirngespinste, in der Realität
       existieren lediglich Problemzäune.“ Herdenschutz sei zumutbar und
       umsetzbar. Gerade in Niedersachsen würden Wölfe aufgrund fahrlässig nicht
       angewandter Schutzmaßnahmen „auf große Huftiere geradezu konditioniert“.
       
       ## Uneinigkeit zur Entwicklung der Wolfspopulation
       
       In seiner Stellungnahme zum Urteil hatte Lies auch auf die aktuelle
       Entwicklung der Wolfspopulation in Niedersachsen verwiesen, wo mittlerweile
       mindestens 44 Rudel mit etwa 400 Tieren lebten; die Population wachse
       rasant. Der Wolf sei nicht nur in Niedersachsen in seinem Bestand nicht
       mehr bedroht: „Auch das müssen wir im Blick behalten, denn die Konflikte
       werden in den heute schon stark betroffenen Regionen eher noch zunehmen“,
       orakelte der Minister.
       
       Der „Freundeskreis“ kontert auch diese Aussage: Tatsächlich stagniere die
       Wolfspopulation in Niedersachsen. In 44 vermuteten Territorien seien
       lediglich 28 Rudel beheimatet. Mit dem Wolfsmonitoring, also dem Erfassen
       und Zählen der Wölfe, ist in Niedersachsen die Landesjägerschaft
       beauftragt. Deren Präsident Helmut Dammann-Tamke, gleichzeitig
       Landtagsabgeordneter der CDU, fordert seit langem eine Regulierung des
       Wolfsbestands durch Abschüsse.
       
       Es ist absehbar, dass die bei der Landtagswahl in die Opposition verbannte
       CDU, das mit ihr verbandelte Landvolk und einzelne Tierhalterverbände ihre
       Kampagne für eine „Obergrenze“ für Wölfe und „wolfsfreie Zonen“ in
       Niedersachsen künftig noch verschärfen werden.
       
       Schon am 10. November wollen Schäfer das nächste Zeichen gegen die
       „Ignoranz der Politik“ setzen. Die Aktion steht unter dem Motto „Lichter
       gegen das Vergessen“. Die Teilnehmer würden am Vorabend des
       St.-Martins-Tages mit Kerzen in den Fenstern, Feuerschalen und
       Lichterketten um Weiden und Höfe für ihr Anliegen demonstrieren, kündigt
       das Landvolk an.
       
       1 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Klatsche-fuer-Niedersachsens-Ministerium/!5840263
 (DIR) [2] /Jungtier-Abschuss-in-Niedersachsen/!5825185
 (DIR) [3] /Jagd-auf-Woelfe-in-Niedersachsen/!5843844
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Olaf Lies
 (DIR) Gerichtsurteil
 (DIR) Niedersachsen
 (DIR) Jagd
 (DIR) Wölfe
 (DIR) Bundesamt für Naturschutz
 (DIR) Niederlande
 (DIR) CDU Schleswig-Holstein
 (DIR) Schäfer
 (DIR) Grüne Niedersachsen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Wölfe in Deutschland: Die Zahl der Rudel steigt
       
       161 Wolfsfamilien leben laut einer amtlichen Statistik aktuell in
       Deutschland. In Hessen wurden erstmals auch drei Welpen gezählt.
       
 (DIR) Rückkehr des Wolfs in den Niederlanden: Schafe und Kühe in Gefahr
       
       Vor wenigen Jahren wurde die Rückkehr des Wolfs in den Niederlanden
       enthusiastisch begrüßt. Jetzt wollen viele, dass er wieder gejagt wird.
       
 (DIR) CDU hat Wölfe und Nonnengänse im Visier: Der Wolf soll tot
       
       Schleswig-Holstein will das Jagdgesetz und den Schutzstatus von Gänsen
       ändern. Der Nabu sieht beides kritisch: Es würde keinerlei Vorteile
       bringen.
       
 (DIR) Schutz gegen Wölfe: Ein Schäfer ist kein Cowboy
       
       Ein niedersächsischer Hirte darf seine Schafe nicht mit der Flinte gegen
       Wölfe verteidigen. Das Verwaltungsgericht Lüneburg wies seine Klage ab.
       
 (DIR) Weidetierhalter gegen Nabu: Wölfen geht's an den Pelz
       
       Der Wolf soll in Niedersachsen ins Jagdrecht aufgenommen werden. Nun wollen
       sowohl Wolfsfreunde als auch Weidetierhalter Flagge zeigen.