# taz.de -- Blockaden der Letzten Generation: Richterlicher Widerstand
       
       > Ein Amtsrichter verweigert einen Strafbefehl gegen eine Aktivistin der
       > Letzten Generation – die Klimakrise rechtfertige Protest.
       
 (IMG) Bild: Botschaft mal nicht auf Asphalthöhe, Brandenburger Tor in Berlin am 9. November
       
       BERLIN taz | Von überall schallen derzeit Rufe, härter gegen die Letzte
       Generation vorzugehen. Dabei sind in den Berliner Gerichten bereits 174
       Verfahren anhängig, in denen den Aktivist:innen der Gruppe meist
       Nötigung und häufig auch Widerstand vorgeworfen wird. Doch vereinzelt regt
       sich offenbar auch unter den Richter:innen Widerstand dagegen,
       Klimaaktivismus mit Strafen zu begegnen.
       
       So hat ein Richter des Amtsgerichts Tiergarten einen Antrag der
       Staatsanwaltschaft für einen Strafbefehl abgeschmettert und sich dabei
       ausdrücklich auf die Klimakrise bezogen. In der Begründung des Beschlusses
       von Anfang Oktober, der der taz vorliegt, heißt es, die Klimakrise sei eine
       „objektiv dringliche Lage“ und „wissenschaftlich nicht zu bestreiten“. Bei
       einer Bewertung des Protestes sei das nur „mäßige politische Fortschreiten“
       der Klimamaßnahmen zu berücksichtigen. Die Handlungen der Beschuldigten,
       die für dreieinhalb Stunden die Kreuzung am Frankfurter Tor blockiert haben
       soll, seien „nicht verwerflich“.
       
       Den Vorwurf des Widerstands verwarf er, weil sich an den Asphalt zu kleben
       keine Gewalt darstelle. Auch sei Polizist:innen das Bepinseln einer
       Hand zuzumuten. Auch den Vorwurf der Nötigung verwarf er. Demonstrationen
       seien „lästig, aber für den demokratischen Rechtsstaat unerlässlich“. Unter
       anderem bewertet der Richter die Blockade als „nicht verwerflich“, da keine
       Rettungswege blockiert wurden und an der Kreuzung regelmäßig mit Staus zu
       rechnen sei. Auch betreffe das Anliegen der Aktivistin „alle Menschen, also
       auch die durch die Blockade betroffenen Fahrzeugführer“.
       
       ## Bestärkender Beschluss
       
       Der Beschluss, über den zuerst die Süddeutsche Zeitung berichtete, ist ein
       Novum. Gewöhnlich beantragt die Staatsanwaltschaft ein schriftliches Urteil
       in Form eines Strafbefehls, dem die Richter:innen stattgeben. Erst nach
       Einspruch der Aktivist:innen kommt es überhaupt zu einer Verhandlung.
       In diesem Fall verwarf der Richter den Strafbefehl völlig. Da die
       Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt hat, wird der Fall nun vor dem
       Landgericht verhandelt.
       
       Auch zwei weitere Berliner Richter:innen sollen Strafbefehle abgelehnt
       und auf einem Prozess bestanden haben. Ebenso vertrat in Flensburg eine
       Amtsrichterin die Ansicht, dass Klimaaktivismus auch Hausfriedensbruch
       rechtfertigen kann.
       
       Lilly Schubert, Pressesprecherin der [1][Letzten Generation], sagte der
       taz, der Beschluss „bestärke und ermutige“ sie. „Es erfordert Mut
       anzuerkennen, dass wir uns in einer Notstandssituation befinden.“ Für
       Donnerstag 10 Uhr hat die Gruppe die Bundesregierung zu einem Gespräch
       eingeladen – bleibt das Angebot unbeantwortet, dürften die Aktionen
       weitergehen. Am Mittwochmorgen kletterten Aktivist:innen auf das
       Brandenburger Tor und rollten ein Banner aus; auch die Straßenblockaden
       gingen weiter.
       
       10 Nov 2022
       
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