# taz.de -- Karlsruhe zu Verfassungsschutz: Keine Ausnahme für Geheimdienste
       
       > Abgeordnete müssen Auskunft über Geheimdienste erhalten, entscheidet das
       > Bundesverfassungsgericht. Der FDP Abgeordnete Konstantin Kuhle hatte
       > geklagt.
       
 (IMG) Bild: Konstantin Kuhle klagte in Karlsruhe
       
       KARLSRUHE taz | Die Bundesregierung muss Abgeordneten auch über den
       Verfassungsschutz Auskunft geben. Es gebe „keine Bereichsausnahme“ für
       Geheimdienste, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Das Urteil
       errang der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle.
       
       Noch als Oppositions-Abgeordneter hatte Kuhle im Dezember 2020 den
       ehemaligen [1][Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)] gefragt, wieviele
       Mitarbeiter:innen des Bundesamts für Verfassungsschutz in den letzten
       fünf Jahren im Ausland aktiv waren. Er wollte dies wissen, weil der
       Verfassungsschutz ein Inlands-Geheimdienst ist und deshalb dem
       Bundesnachrichtendienst im Ausland in die Quere kommen könnte.
       
       Doch CSU-Mann-Seehofer verweigerte die Auskunft. Man könne die Frage nicht
       beantworten, weil sonst das „Staatswohl“ gefährdet wäre. Das wollte sich
       FDP-Mann Kuhle nicht gefallen lassen und erhob beim
       Bundesverfassungsgericht eine Organklage gegen die Bundesregierung. Seine
       Abgeordnetenrechte seien verletzt.
       
       Als es im März 2022 zur mündlichen Verhandlung kam, hätte der Streit in
       Harmonie und Versöhnung enden können. Denn die FDP war inzwischen
       Regierungspartei und Seehofer nicht mehr Innenminister.
       
       ## Fragerecht verletzt
       
       Doch [2][seine Nachfolgerin Nancy Faeser (SPD)] dachte nicht daran, den
       Streit beizulegen. Vielmehr [3][eskalierte sie ihn noch]. Ihr
       Rechtsvertreter forderte in der Verhandlung eine ausdrückliche
       Bereichsausnahme für den Verfassungsschutz beim Fragerecht der
       Abgeordneten. Schließlich könnten ausländische Geheimdienste jede noch so
       kleine Information nutzen, um wie bei einem Mosaik am Ende große Bilder zu
       erhalten. Nur den Abgeordneten des Parlamentarischen Kontrollgremiums
       (PKGr) wolle man zukünftig noch Auskünfte geben.
       
       Nun entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eindeutig für
       den klagenden Abgeordneten. Eine Bereichsausnahme lehnten die
       Verfassungsrichter:innen ab. Die Regierung habe Kuhles Fragerecht
       verletzt, sagte die Senatsvorsitzende Doris König.
       
       Die Einrichtung des Kontrollgremiums solle die Möglichkeiten der
       Abgeordneten verbessern und nicht die Rechte aller übrigen Abgeordneten
       beschränken, betonten die Richter:innen. Schließlich ist das Fragerecht
       auch ein ausdrückliches Minderheitenrecht, während im PKGr viele
       Kontrollmittel an einem Mehrheitsbeschluss der Abgeordneten hängen.
       
       Auch die Mosaik-Theorie der Bundesregierung konnte die Richter:innen
       nicht überzeugen. Sie würde zu einem „völligen Leerlaufen“ des Fragerechts
       der Abgeordneten führen, weil schließlich jede Detail-Information für
       ausländische Geheimdienste ein wichtiger Mosaikstein sein könnte.
       
       Es müsse ein Ausgleich zwischen dem staatlichen Geheimhaltungsbedürfnis und
       dem parlamentarischen Auskunftsanspruch gefunden werden. Im Ergebnis kann
       dieser Ausgleich aber auch dazu führen, dass der FDP-Abgeordnete Kuhle die
       Auskunft zwar erhält, aber nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags und
       mit der Auflage, niemand davon etwas mitzuteilen.
       
       14 Dec 2022
       
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