# taz.de -- Energiekrise und Ölembargo: Preisdeckel mit undichten Stellen
       
       > Ab Montag gilt in EU- und G7-Staaten das Ölembargo. Damit der Ölpreis
       > nicht explodiert, gibt es einen Preisdeckel – dessen Umsetzung wird
       > schwierig.
       
 (IMG) Bild: Russland baut an eigener Tankflotte, hier ein Tanker in Wladiwostok
       
       BRÜSSEL taz | Im [1][Energiekrieg mit Russland] geht die EU wieder in die
       Offensive. Nach dem im August verhängten Importstopp für russische Kohle
       tritt am Montag auch ein europäisches Ölembargo in Kraft, das durch einen
       [2][weltweiten Preisdeckel] ergänzt wird. Die Preisobergrenze für
       verschifftes Erdöl wurde auf 60 Dollar pro Barrel festgelegt; die Gruppe
       der westlichen Industrieländer G7 schloss sich dem an.
       
       Mit dem Preisdeckel solle Moskau daran gehindert werden, „von seinem
       Angriffskrieg gegen die Ukraine zu profitieren“, teilten die G7-Länder mit.
       Zudem solle „die Stabilität der weltweiten Energiemärkte unterstützt und
       die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs
       reduziert“ werden. Man denke vor allem an ärmere Länder, heißt es in
       Brüssel.
       
       Die EU versucht die Quadratur des Kreises: Sie will das russische Öl vom
       Markt drängen und die Kriegskasse des Kremls schmälern – zugleich aber
       verhindern, dass der Globale Süden unter die Räder kommt. Genau das war
       beim Streit über russische Gaslieferungen passiert. Weil sich ganz Europa
       [3][auf Flüssiggas stürzte], explodierte der Preis auf dem Weltmarkt,
       ärmere Länder zogen den Kürzeren.
       
       Einen ähnlichen Flop beim Öl soll der Preisdeckel verhindern. Doch auch er
       könnte sich als Bumerang erweisen. Als zweitgrößter Ölproduzent der Welt
       verfügt Russland über große Marktmacht. Es hat bereits den Großteil seiner
       Öllieferungen nach Indien, China und in andere Länder umgeleitet. Wer den
       Preisdeckel umsetze, werde gar kein Öl mehr bekommen, droht die Führung in
       Moskau.
       
       ## Schon jetzt gibt es Schlupflöcher
       
       Die EU will sich davon nicht beeindrucken lassen, verfügt aber nur über
       vergleichsweise schwache Hebel. Der Preisdeckel gilt nämlich nur für
       russische Öllieferungen per Schiff. Und er soll auch bloß auf Umwegen, etwa
       über Versicherungen für Öltanker, durchgesetzt werden. Die EU macht sich
       dabei den Umstand zunutze, dass die meisten großen Versicherungen in Europa
       sitzen, vor allem in London. Sie übt auch Druck auf die Reeder aus.
       
       Doch schon jetzt gibt es Schlupflöcher. Griechische und zypriotische Reeder
       stehen im Verdacht, sich nicht an die Vorgaben aus Brüssel zu halten. Zudem
       könnten Öltanker ausgeflaggt und zum Beispiel in etwa Asien versichert
       werden, um dem Preishammer aus Europa zu entgehen. Russland baut offenbar
       bereits eine eigene Tankerflotte auf, um die EU und die G7-Staaten
       auszutricksen.
       
       Ein weiteres Problem ist der Preis. Über die Höhe war [4][in Brüssel
       wochenlang gerungen worden]. Bis zuletzt drohte Polen, die Einigung platzen
       zu lassen, um ein niedrigeres Limit – etwa 30 Dollar pro Barrel –
       durchzusetzen. Die nun beschlossenen 60 Dollar sind ein typischer
       EU-Kompromiss. Sie liegen höher, als Polen wollte, aber etwas niedriger als
       der aktuelle Marktpreis von 67 Dollar.
       
       Zudem soll das Preislimit alle zwei Monate überprüft und, falls nötig,
       angepasst – also gesenkt werden. So könnte die EU die Daumenschrauben für
       Moskau weiter anziehen. „Unser Ziel ist es, Russland zu schaden“, betonte
       ein EU-Beamter. Man habe sich auf ein „vorsichtiges Niveau“ geeinigt, könne
       aber nachbessern und sicherstellen, dass das Limit 5 Prozent unter dem
       Marktpreis liege.
       
       Der Streit ist damit aber nicht beendet, denn nun ist die Ukraine
       unzufrieden. Präsident Wolodimir Selenski klagte, der Preisdeckel sei für
       Moskau zu „komfortabel“. Ein Preisdeckel von 60 Dollar ermögliche Russland
       noch Einnahmen von 100 Milliarden Dollar im Jahr. Selenskis Berater Andrij
       Jermak sagte, um die russische Wirtschaft zu „zerstören“, wäre ein Limit
       von 30 Dollar nötig.
       
       Unklar ist, wie die Öllieferanten reagieren. Die Organisation der
       ölexportierenden Länder (Opec) kam am Sonntag zu einem Ministertreffen
       zusammen. Sie könnte die Ölförderung reduzieren und so den Preis in die
       Höhe treiben. In der EU, da sind sich die meisten Ökonomen einig, dürfte Öl
       auf jeden Fall teurer werden. Denn hier gilt ab Montag das Embargo.
       Deutschland hat schon vor möglichen Engpässen gewarnt.
       
       4 Dec 2022
       
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 (DIR) Eric Bonse
       
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