# taz.de -- Preisdeckel für Öl aus Russland: Liefern, ohne zu verdienen
       
       > Die G7-Staaten haben wohl eine Preisobergrenze für russisches Öl
       > beschlossen. Polen und Deutschland wollen die Raffinerie Schwedt sichern.
       
 (IMG) Bild: Die Raffinerie Schwedt ist in Bezug auf Arbeit und Infrastruktur ein Leuchtturm in der Uckermark
       
       BERLIN taz/rtr | Kurz vor dem Inkrafttreten des [1][Öl-Embargos] der EU
       gegen Russland zeichnen sich Lösungen sowohl für den uckermärkischen
       Raffineriestandort Schwedt als auch für den Ölpreis-Deckel der G7-Staaten
       ab. So wollen Polen und Deutschland die Erdölversorgung der ostdeutschen
       Raffinerie gemeinsam sicherstellen. Das haben die Klimaminister der beiden
       Länder am Donnerstagabend in einer gemeinsamen Absichtserklärung
       bekräftigt. [2][PCK Schwedt] beliefert Nordostdeutschland und Westpolen mit
       Benzin, Kerosin und Heizöl.
       
       In ihrer Erklärung erkannten die Minister Robert Habeck (Grüne) und Anna
       Moskwa (parteilos) die „gegenseitige Abhängigkeit der Ölmärkte in Polen und
       in Ostdeutschland sowohl hinsichtlich der Ölprodukte als auch der gemeinsam
       genutzten Rohölinfrastruktur an“, schreibt Habecks Ministerium in einer
       Mitteilung. Mit der Unterzeichnung wollten beide Seiten den Betrieb der
       polnischen Raffinerien in Danzig und Płock und der deutschen Raffinerien in
       Schwedt und Leuna in Sachsen-Anhalt sowie deren Versorgung mit
       ausreichenden Mengen von Rohöl sicherstellen.
       
       Die Versorgungssicherheit ist vor allem [3][in Schwedt seit Kriegsbeginn im
       Februar ein Thema]. Die Raffinerie gehört noch immer zu 54 Prozent dem
       russischen Staatskonzern Rosneft, wenn auch unter einer
       Treuhand-Verwaltung. 37 Prozent der Anteile gehören dem britischen
       Ölkonzern Shell, der seine Anteile allerdings loswerden möchte. Anfang
       November hatte der polnische Energie- und Medienkonzern PKN Orlen mit Sitz
       in Płock laut Märkischer Oderzeitung Interesse an einem Einstieg in Schwedt
       angemeldet. Durch verschiedene Fusionen ist PKN Orlen, dessen
       Geschäftsführer Daniel Obajtek als Zögling von Jaroslaw Kaczyński, Chef der
       rechtskonservativen PiS-Partei gilt, inzwischen zu einem der großen Player
       auf dem europäischen Energiemarkt geworden.
       
       Weil dem Konzern sowohl eine Nähe zur PiS als auch zu Russland und Ungarn
       nachgesagt wird, würde sich die Begeisterung der Bundesregierung über einen
       Einstieg in Schwedt wahrscheinlich in Grenzen halten. Allerdings ist die
       Not groß. Seit Monaten versucht Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner
       (Grüne), Öl für die Uckermark zu beschaffen. Es ist vorgesehen, dass 55
       Prozent des Bedarfs über Tanker nach Rostock und von dort über eine
       bestehende Pipeline nach Schwedt gebracht werden. Zusätzliche Mengen
       könnten über den Danziger Hafen oder aus Kasachstan kommen.
       
       ## Neue Märkte schwer zu finden
       
       Bislang haben die Mitgliedsländer der EU täglich noch rund eine Million
       Barrel Öl aus Russland importiert, gegenüber rund 2,5 Millionen Barrel
       täglich vor dem russischen Überfall auf die Ukraine. Erhebliche Mengen
       konnte Russland nach China, Indien und in die Türkei umleiten, musste dabei
       aber zum Teil deutliche Preisabschläge von bis zu 25 Prozent hinnehmen,
       sagt Janis Kluge von der Forschungsgruppe Osteuropa der Stiftung
       Wissenschaft und Politik. Für die bislang noch an die EU gelieferte Menge
       neue Märkte zu finden, dürfte schwieriger werden, meint Kluge. Europa
       hingegen hat bislang mehr Öl aus Saudi-Arabien, Kasachstan, Großbritannien
       und den USA importiert.
       
       Lieferungen russischen Rohöls in die EU per Schiff sollten ab Montag
       eigentlich verboten werden. Nun soll der Preisdeckel – ein Vorschlag der
       USA – dieses Embargo ersetzen. Nach einer Information der
       Nachrichtenagentur Reuters haben sich Diplomaten zufolge die G7-Staaten auf
       eine Preisobergrenze von 60 Dollar je Fass für russisches Öl geeinigt, das
       über den Seeweg transportiert wird. Mit einem Anpassungsmechanismus solle
       die Obergrenze zudem immer bei fünf Prozent unter dem Marktpreis gehalten
       werden, sagte ein EU-Diplomat Reuters.
       
       Polen, das auf eine möglichst niedrige Preisobergrenze gedrungen hat, muss
       der Vereinbarung noch zustimmen. Kommt es so, könnte die Einigung von allen
       EU-Regierungen bis zu diesem Freitag besiegelt werden. Ziel des
       Preisdeckels ist es, auf der einen Seite Russlands Einnahmen zu schmälern.
       Daher setzten sich gerade Polen und auch die baltischen Staaten für einen
       geringen Preis ein. Auf der anderen Seite sollte der weltweite Ölpreis aber
       auch nicht durch einen kompletten Importstopp in die Höhe getrieben werden,
       da Russland etwa zehn Prozent des weltweiten Öls produziert. Der
       Ölpreis-Deckel „versucht die Quadratur des Preises“, sagt Kluge – ob er
       funktioniert, erwarten Experten mit Spannung.
       
       Wichtiger Hebel zur Umsetzung der Preisgrenze soll sein, dass
       Versicherungen und Reedereien sich an den russischen Geschäften nur
       beteiligen dürfen, wenn das Öl für unter 60 Dollar verkauft wird. Derzeit
       liegt der Weltmarktpreis zwar ohnehin darunter, könnte aber beim Anziehen
       der Weltkonjunktur wieder steigen. Unklar ist, wie Russland reagiert. Der
       Kreml hatte angedeutet, dass Staaten, die sich an einem Preisdeckel
       beteiligen, gar nicht mehr beliefert würden.
       
       ## Die Zukunft ist erneuerbar
       
       Ausgenommen von den EU-Sanktionen ist Pipeline-Öl, das nach Europa fließt.
       Darauf hatte unter anderem Ungarn gedrungen. Deutschland jedoch hat
       erklärt, ab 2023 auch auf diesem Weg kein russisches Öl mehr abzunehmen.
       Daher sucht die Bundesregierung einen anderen Weg, um die Versorgung der
       ostdeutschen Raffinerie Schwedt zu sichern.
       
       Langfristig setzt die PCK auf die Produktion von grünem Wasserstoff. Das
       [4][deckt sich mit einer Analyse verschiedener Fraunhofer-Institute zur
       Möglichkeit einer klimaneutralen Raffinerie]. Dazu müssten in einem ersten
       Schritt Elektrolysekapazitäten aufgebaut werden, um zunächst das heute
       eingesetzte Erdgas zur Wasserstofferzeugung als Betriebsmittel bei der
       Rohölveredlung zu ersetzen. Im zweiten zeitnahen Schritt sollten
       alternative Technologien – wie die Fischer-Trops-Methode – etabliert
       werden, schreiben die Wissenschaftler. Dazu passt, dass auch der
       Biokraftstoff-Produzent Verbio und das Windenergie-Unternehmen Enertrag
       Interesse an einem Einstieg in die PCK angemeldet haben.
       
       2 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [4] https://www.wasserstoff-leitprojekte.de/lw_resource/datapool/systemfiles/elements/files/EE23A7D66F0723B2E0537E695E86CCA6/live/document/20221123_TransHyDE_Policy_Paper_Raffinerie_Schwedt.pdf
       
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