# taz.de -- Steinmeiers Weihnachtsansprache: Früher war mehr unbequem
       
       > Der Bundespräsident sagt, dass die Letzte Generation ihrem Anliegen
       > schade. Damit biedert sich das Staatsoberhaupt der Mehrheit seines
       > Publikums an.
       
 (IMG) Bild: Die Strohsterne sahen vergangenes Jahr ganz ähnlich aus: Steinmeier vor seinem Weihnachtsbaum
       
       Die [1][Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten ist ein ganz spezielles
       Genre mit eigenen Regeln]. Sie soll Hoffnung verbreiten, ohne Kritisches
       ganz beiseite zu lassen. Sie soll Moral enthalten, aber wohldosiert, um die
       finale Verbreitung von Zuversicht nicht zu stören. Die Spielräume sind
       klein. Aber es gibt sie. Hat Frank-Walter Steinmeier sie klug genutzt?
       
       Fangen wir mit dem Positiven an. [2][Steinmeier hat die Deutschen
       aufgerufen, weiterhin solidarisch die Belastungen des Ukrainekriegs zu
       ertragen]. Das ist richtig. Denn es gibt kein Anzeichen dafür, dass der
       Krieg bald enden wird. Erfreulich wäre ein zarter Hinweis gewesen, wie
       diese Lastenteilung besser funktionieren kann. Die Weihnachtsgeschichte
       enthält ja genug Anknüpfungspunkte, um zu fragen, ob die Reichen genug zur
       Solidarität beitragen. Aber das hätte ein wenig Wagemut erfordert.
       
       Wenn man die Allgemeinplätze der Rede streicht, bleiben zwei markante
       Forderungen übrig: Der Krieg gegen die Ukraine müsse mit einem „gerechten
       Frieden enden, der Landraub nicht belohnt“. Das ist ein wünschenswertes
       Ziel. Aber warum ist es die Aufgabe des Bundespräsidenten, in der
       Weihnachtsansprache das Ergebnis ferner Verhandlungen zu definieren, bei
       denen Gerechtigkeit und Frieden kaum deckungsgleich sein werden?
       
       Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Ex-Außenminister, der den
       Landraub der Krim 2014 diplomatischer betrachtete, hier als Spätbekehrter
       redet, der seine Läuterung demonstrieren will.
       
       Der Letzten Generation bescheinigt Steinmeier, „der Sache des Klimaschutzes
       zu schaden, indem sie andere gegen sich aufbringen“. Aber sind ein paar
       Hundert KlimaaktivistInnen es wert, vom ersten Mann im Staate verurteilt
       und somit als bedeutsam geadelt zu werden? Wenn schon, dann wäre der Zusatz
       nötig, dass das Gerede von der Klima-RAF verhetzend wirkt. Diese Aktionen
       sind ziviler Ungehorsam.
       
       ## Banale Einsichten
       
       Auch wenn man ihre Wirkungen skeptisch beurteilt, gibt es keinen Grund,
       AktivistInnen als kriminelle Vereinigung zu behandeln. Doch solche
       Differenzierungen fehlen. Steinmeier spiegelt nur, was die Mehrheit denkt –
       das ist zu wenig. Zum Kampf gegen den Klimawandel ist nur zu erfahren, dass
       er „nichts an Dringlichkeit verloren“ habe. Das ist banal. Schon der
       mögliche Eindruck, Letzte Generation und Klimawandel könnten gleichrangige
       Probleme sein, hat etwas Niederschmetterndes.
       
       Gustav Heinemann hat in der Weihnachtsansprache 1971 von den Deutschen mehr
       Bürgermut gefordert und gesagt: „Es ist bequem, unangenehme Wahrheiten zu
       verschweigen.“ Bei Steinmeier müssen wir uns mit bequemen Weisheiten
       begnügen.
       
       26 Dec 2022
       
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