# taz.de -- Queerfeministisch ins neue Jahr: Die Showmasterin der Herzen orakelt
       
       > Das Neujahrskonzert in der Berliner Volksbühne ist ein Klassiker. Diesmal
       > hatten sich Christiane Rösinger & Co. musikalische Gäst:innen
       > eingeladen.
       
 (IMG) Bild: Schon jetzt Legenden: Stefanie Sargnagel, Denice Bourbon und Christiane Rösinger (von l.n.r.)
       
       Da kann der Vorabend noch so anstrengend gewesen sein. Wie alle Jahre
       wieder erwies es sich am vergangenen Sonntag als schöne Tradition, sich
       beim Neujahrskonzert in der [1][Berliner Volksbühne], müde in den
       Stuhlreihen hängend, bespaßen zu lassen. Wobei die „Legends of
       Entertainment“, die das Theater zu diesem Anlass bespielten, diesmal nicht
       nur Musik im Angebot hatten: neben der [2][Berliner Musikerin Christiane
       Rösinger] gehört auch die Wiener Autorin und Cartoonistin [3][Stefanie
       Sargnagel] und die Stand-Up-Comedian [4][Denice Bourbon] zu den „Legends“.
       Letztere ist Schwedin mit finnischen Wurzeln, lebt aber ebenfalls in Wien.
       
       Zum Auftakt stellen sich die drei Gastgeberinnen als die jeweils andere
       vor. Sargnagel etwa gibt die Rösinger, nennt sich gönnerhaft „feministische
       Pop-Ikone“ und fragt sich, wie der Abend denn wird, mit diesem
       Legenden-Nachwuchs. Auch Gala-Feeling soll es an dem Abend geben, wofür man
       Christiane Rösinger über die Jahre ja zu schätzen gelernt hat: Als
       Showmasterin der Herzen und Gastgeberin der „Flittchenbar“ ließ sie immer
       wieder junge Talente ihr Publikum finden. Auch in der Volksbühne war sie
       schon des Öfteren als Conférencieuse zu Gast, zuletzt am letztjährigen
       Neujahrsabend – damals wagte sie den Blick in die Kristallkugel.
       
       Diesmal gab es keine Prognosen, was da kommt. Vielleicht ist die Welt
       einfach gerade zu unübersichtlich. Stattdessen war das Publikum gehalten,
       die Darbietungen als Orakel fürs eigene Leben zu deuten. Etwa den
       verwunschenen Auftritt von [5][Hans Unstern] mit Harfe, der sich – so wurde
       zumindest leise angedeutet – im kommenden Jahr verpuppen und als ein
       Anderer wieder schlüpfen könnte. Oder dem Dragduo [6][Strawberry Kaeyk].
       
       ## Themen sind nicht neu, aber gut gealtert
       
       Zum Auftakt erzählt Bourbon erst einmal, wie es sie vor 20 Jahren nach Wien
       verschlug – was seinerzeit offenbar erklärungsbedürfig war. Die Liebe galt
       als Begründung nicht; schließlich galt ihre Liebe einer Frau. Leider bringt
       Bourbon das eher nur mittelunterhaltsam auf die Bühne. Doch der Abend hält
       Steigerungspotenzial bereit, es wird noch besser.
       
       Manches hat man schon mal gehört, was aber kaum stört. In diesen Zeiten
       freut man sich über Kontinuität. An einem verkaterten Neujahrsabend erst
       recht. Rösingers Themen sind nicht neu, aber gut gealtert. Ihre Skepsis
       gegenüber dem Lebensmodell „Traute Zweisamkeit“ etwa, der sie schon einmal
       ein Buch gewidmet hat.
       
       Zur Pause gibt’s dann von ihr, ganz orakelig, den Tipp, kritisch auf den
       Sitznachbarn zu gucken und ihn oder sie gegebenenfalls umgehend aus der
       Lebensgemeinschaft zu entlassen – vielleicht sogar schon beim Anstehen fürs
       Pausengetränk. Ein Gassenhauer aus vergangenen Lassie Singers-Zeiten mit
       dem eingängigen Refrain „Pärchen verpisst euch, keiner vermisst euch“ wird
       recycelt.
       
       ## Ist noch Bohème oder schon die Unterschicht?
       
       Rösinger hatte Klassenthemen bereits auf dem Schirm, als noch niemand über
       Geld reden wollte. In den Subkulturblasen ebenso wie im Rest der
       Gesellschaft. „Ist das noch Bohème oder schon die Unterschicht?“, fragte
       sie als selbst oft prekäre Kulturarbeiterin schon im Song „Wer wird
       Millionär?“, der heute fast prophetisch wirkt.
       
       Sargnagel widmet sich unterhaltsam den Untiefen, die sich daraus ergeben,
       queerfeministisch unterwegs zu sein, aber leider eben doch Männer zu
       begehren. Und zudem unerfahren in der neumodischen Dating-Kultur zu sein.
       Früher sei’s in Wien ja anders gelaufen. „Man sauft sich ins Blackout und
       mit der Person, mit der man am nächsten Morgen aufwacht, ist man dann
       zusammen.“
       
       7 Jan 2023
       
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 (DIR) [2] http://www.christiane-roesinger.de/
 (DIR) [3] /Schriftstellerinnen-und-ihre-Nebenjobs/!5839635
 (DIR) [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Denice_Bourbon
 (DIR) [5] /Songwriter-Hans-Unstern-ueber-neues-Album/!5685331
 (DIR) [6] https://de-de.facebook.com/StrawberryKaeyK/
       
       ## AUTOREN
       
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