# taz.de -- Iranische Oppositionelle in Deutschland: 24 mutmaßliche Agent:innen
       
       > Irans Nachrichtendienste spähen Oppositionelle in Deutschland aus oder
       > schüchtern sie ein. Das zeigt eine Stellungnahme der Bundesregierung.
       
 (IMG) Bild: Tag der Menschenrechte am 10. Dezember in München
       
       BERLIN taz | Gegen 24 mutmaßliche iranische Agentinnen und Agenten in
       Deutschland sind seit 2018 neun Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
       Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der
       Linken-Abgeordneten Clara Bünger hervor. Die Antworten liegen der taz vor.
       Die Bundesregierung geht demnach davon aus, dass iranische Oppositionelle
       in Deutschland im Fokus der iranischen Behörden stehen.
       
       Unter den beschuldigten iranischen Agentinnen und Agenten seien keine
       Diplomatinnen und Diplomaten, heißt es in der Antwort. Weitere Einzelheiten
       gab die Bundesregierung, unter Verweis auf eine Gefährdung der
       Ermittlungen, nicht bekannt.
       
       Seit [1][dem Tod der 22-jährigen Kurdin Jina Mahsa Amini] protestieren
       [2][Menschen im Iran gegen das islamistische Regime]. Weltweit, und auch in
       Deutschland, findet der Widerstand Unterstützung. Amini war am 16.
       September 2022 gestorben, nachdem sie im Polizeigewahrsam misshandelt
       wurde. Sie war von der sogenannten Sittenpolizei festgenommen worden, weil
       sie angeblich ihr Kopftuch nicht richtig trug.
       
       Das Regime in Teheran fürchtet wegen der anhaltenden Proteste um den
       Machterhalt und sieht die Opposition auch in Deutschland als Gefahr. Laut
       Bundesregierung werden Nachrichtendienste als zentrales Instrument der
       politischen Führung zur Sicherung ihres Herrschaftsanspruchs eingesetzt.
       „Somit besteht weiterhin eine abstrakte Gefährdung, etwa durch
       nachrichtendienstliche Ausspähungen oder Einschüchterungsversuche, für in
       Deutschland lebende iranische Oppositionelle“, heißt es in der Antwort. In
       Deutschland lebt europaweit die größte iranische Community.
       
       Zu mehreren Fragen bezüglich der Hintergründe von Angriffen und Tätern in
       Deutschland erklärte die Bundesregierung knapp, sie nehme die Sachverhalte
       „sehr ernst“, verwies ansonsten aber auf die Zuständigkeiten der Polizeien
       und Staatsanwaltschaften der Länder.
       
       ## „Im Grunde keinen Überblick“
       
       Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger kritisierte das. „Das macht das Ausmaß
       des katastrophalen Umgangs der Bundesregierung deutlich, weil sie im Grunde
       keinen Überblick zu haben scheint, wie konkret die Gefahr für iranische
       Oppositionelle in Deutschland wirklich ist“, sagte Bünger. Auch habe die
       Bundesregierung keine geeigneten Schutzmechanismen geplant, um Menschen in
       Deutschland vor Angriffen durch iranische Regimekräfte zu schützen.
       
       Bünger fordert eine härtere Linie gegen VertreterInnen des Regimes:
       „Personen, die für die Ermordung, Folter und Verfolgung der Protestierenden
       im Iran verantwortlich sind, werden durch die Maßnahmen der Bundesregierung
       nicht ausreichend zur Verantwortung gezogen.“ Ihnen müsse ein “sicherer
       Hafen“ in der Europäischen Union und Deutschland verwehrt werden.
       
       In ihren Antworten verwies die Bundesregierung auch auf Erkenntnisse des
       Bundesamts für Verfassungsschutz, denen zufolge iranische
       Nachrichtendienste seit einiger Zeit verstärkt Personen während Reisen in
       den Iran ansprechen und zur Zusammenarbeit nötigen. Auf diese Weise
       versuchten iranische Nachrichtendienste, die oppositionellen Strukturen in
       Deutschland zu unterwandern oder die Betroffenen durch Ansprache von ihren
       oppositionellen Aktivitäten abzubringen.
       
       Daneben sei Deutschland Ziel iranischer Cyberspionage. Diese sei laut
       Bundesregierung vorwiegend gegen Forschungs- und Bildungsinstitutionen
       gerichtet, sowie ebenfalls gegen die iranische Community.
       
       Hauptakteur der gegen Deutschland gerichteten Aktivitäten ist laut
       Bundesregierung weiterhin das Ministry of Intelligence (MOIS). In seinem
       Fokus stünden insbesondere die in Deutschland aktiven iranischen
       Oppositionsgruppen sowie die Außen- und Sicherheitspolitik.
       
       ## Umfangreiche Ausspähungsaktivitäten
       
       Neben dem MOIS sei die Quds Force der iranischen Revolutionsgarden (IRGC)
       in Deutschland aktiv. Die Quds Force ist eine militärische Spezialeinheit
       der IRGC, die auf Einsätze im Ausland ausgerichtet ist und auch
       geheimdienstlich agiert. „Ihre umfangreichen Ausspähungsaktivitäten richten
       sich insbesondere gegen (pro-)israelische beziehungsweise (pro-)jüdische
       Ziele“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung.
       
       Anfang Dezember war bekannt geworden, [3][dass Ermittler die iranischen
       Revolutionsgarden hinter den jüngsten Anschlägen auf Synagogen in
       Nordrhein-Westfalen vermuten]. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen
       übernommen.
       
       Der Fall ist politisch brisant, weil seit Wochen geprüft wird, ob die
       Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU gesetzt werden.
       Voraussetzungen dafür sind laut Aussagen aus dem Auswärtigem Amt unter
       anderem Ermittlungen gegen die Organisation wegen des Verdachts des
       Terrorismus in einem der EU-Mitgliedstaaten. In der aktuellen Antwort der
       Bundesregierung finden die Fälle in Nordrhein-Westfalen keine Erwähnung.
       
       Vor dem Hintergrund der aktuellen Lage im Iran überarbeite das Bundesamt
       für Migration und Flüchtlinge (BAMF) derzeit auch seine internen
       Herkunftsländerleitsätze, erklärte die Bundesregierung weiter. Die
       Leitsätze sind laut BAMF amtsinterne Orientierungshilfen für die
       wesentlichsten Herkunftsländer der Asylsuchenden und spiegeln die Linie des
       Bundesamtes wider.
       
       ## Über 4.000 Asylanträge
       
       Insgesamt wurde von Januar bis November 2022 über 4.369 Asylanträge aus dem
       Iran entschieden, wobei in knapp unter der Hälfte der Fälle Schutz gewährt
       wurde (bereinigte Schutzquote 44 Prozent). Nach Ausbruch der Proteste im
       September erhöhte sich die Schutzquote nicht.
       
       Seit 2018 gab es laut Antwort der Bundesregierung 136 Abschiebungen in den
       Iran. Im Jahr 2022 waren es 32, vor allem aus Nordrhein-Westfalen (13) und
       aus Hessen (11). Nach Beginn der Proteste im September 2022 haben die
       meisten Bundesländer keine Menschen mehr in den Iran abgeschoben – außer
       Bayern. Laut Bundesregierung veranlasste das Bundesland am 13. Oktober 2022
       eine „Rückführung“.
       
       „Spätestens seit Beginn der Proteste im Iran ist deutlich geworden, dass
       jede Abschiebung in den Iran eine konkrete Lebensgefahr für die Betroffenen
       bedeutet“, sagte dazu die Linken-Abgeordnete Bünger. Aus diesem Grund hätte
       spätestens seit dem Tod von Jina Mahsa Amini jede Abschiebung in den Iran
       gestoppt werden müssen.
       
       Ein ausführlicher Text zum Thema erscheint am Abend auf taz.de
       
       3 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Proteste-in-Iran/!t5884344
 (DIR) [3] /Anschlaege-auf-Synagogen-in-NRW/!5899893
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
 (DIR) Gilda Sahebi
       
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