# taz.de -- Pflanzen und ihre Bestäuber: Fortpflanzung ist Teamwork
       
       > Nicht nur Bienen sind wichtige Bestäuber, sondern auch Motten und
       > Fliegen. Für Pflanzen ist wichtig, wie das Insekten-Team zusammengestellt
       > ist.
       
 (IMG) Bild: Die bekannte Schmeißfliege
       
       Viele Pflanzen sind darauf angewiesen, dass [1][ein Insekt vorbeikommt und
       sie bestäubt]. Dieses Insekt muss dann auch noch den richtigen Pollen
       dabeihaben. Und es muss ein Insekt der richtigen Art sein. Zum Beispiel
       können Bienen manche Pflanzenarten besser bestäuben als Fliegen oder
       Motten. Eine These in der Ökologie ist deswegen, dass es wichtig ist,
       [2][wie die Bestäuberpopulation an einem Ort zusammengesetzt ist], also zum
       Beispiel wie viele Motten es im Vergleich zu Bienen gibt.
       
       Bislang gibt es aber keine Studien, die die Beziehung zwischen Pflanzen und
       Bestäubern langfristig untersucht haben. Die bisherige Forschung
       konzentriert sich vor allem auf Bienen. Dabei kommen Fliegen in
       nördlicheren Regionen viel häufiger vor und sind weniger wählerisch, was
       ihre Nahrung und Brutorte angeht.
       
       ## Die Studie
       
       Forscher*innen aus Halle und Leipzig haben deshalb untersucht, welche
       Insekten welche Pflanzen besuchen. Dafür waren sie in der Nähe des
       finnischen Ortes Kittilä, der etwa 120 Kilometer nördlich des Polarkreises
       liegt. Dort hat der Biologe Frans Silén von 1895 bis 1900 das Gleiche
       getan. Die Forscher*innen konnten nun seine Ergebnisse mit ihren eigenen
       vergleichen und so herausfinden, wie sich die Zusammensetzung der Bestäuber
       in der Region verändert hat. Ihre Ergebnisse [3][veröffentlichten sie im
       Fachmagazin Nature].
       
       Als Silén die Bestäuber beobachtet hat, kamen dort noch Schwebfliegen und
       Motten am häufigsten vor. Heute sind es vor allem Muscoidea-Fliegen –
       darunter die bekannte Schmeißfliege – und Hummeln. Außerdem waren die
       Bestäuber früher auf bestimmte Pflanzen stärker spezialisiert, heute
       dominieren Generalisten.
       
       Das kann ein Problem sein für Pflanzen, die ihren Nektar so lagern, dass
       nur bestimmte Insekten an ihn kommen. Den Nektar der Prachtnelke zum
       Beispiel können nur wenige Mottenarten wie die Heidelbeer-Silbereule
       erreichen, wodurch sie seltener besucht wird und sich weniger gut
       fortpflanzen kann.
       
       Dass heute häufiger die gleichen Insektenarten verschiedene Pflanzenarten
       anfliegen, hat den Vorteil, dass die Bestäuber belastbarer sind, weil es
       nicht so schlimm ist, wenn eine Art ausfällt – eine andere kann ihren Job
       relativ leicht übernehmen. Generalisten sind aber üblicherweise schlechter
       im Pollen-Übertragen, deswegen kann es sein, dass sich einige Pflanzenarten
       schlechter fortpflanzen.
       
       ## Was bringt’s?
       
       Wahrscheinlich hat sich die Zusammensetzung der Bestäuberpopulationen wegen
       der Erderhitzung verändert. Die subarktische Region, in der Kittilä
       liegt, ist eine der sich am schnellsten aufwärmenden Gegenden der Welt.
       Weil die Forscher*innen nur Daten von zwei Zeitpunkten haben, können sie
       den Effekt der steigenden Temperaturen nicht eindeutig beweisen.
       
       Da das Land immer noch genauso genutzt wird wie Anfang des 20.
       Jahrhunderts, ist es aber sehr wahrscheinlich, dass der Klimawandel der
       ausschlaggebende Grund ist. Dass in Kittilä inzwischen Generalisten
       dominieren, könnte also auch ein Vorbote für Entwicklungen bei uns sein.
       
       26 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Bericht-ueber-Insektensterben/!5278929
 (DIR) [2] /UN-Agrarorganisation-FAO-warnt/!5575330
 (DIR) [3] https://www.nature.com/articles/s41559-022-01928-3
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Waack
       
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