# taz.de -- Ost-Institut in Wismar: Die Russland-Versteher
       
       > Das Ost-Institut sollte die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland
       > fördern und Russlands Ruf verbessern. Die Gründungsidee erwies sich als
       > falsch.
       
 (IMG) Bild: Deutsch-russische Zusammenarbeit: Kiellegung auf der Nordic-Werft in Wismar 2013
       
       HAMBURG taz | Die Sache war Thema in jeder Schweriner Kabinettssitzung:
       Sollte der Russland-Tag des Ost-Instituts Wismar [1][2014 angesichts des
       russischen Einmarschs auf der Krim] stattfinden oder nicht? Der
       Russland-Tag war das größte Event, das das 2009 gegründete Ost-Institut bis
       dahin veranstaltet hatte. Am Ende kamen knapp 500 Gäste, um die
       deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen und um dem
       Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder (SPD) zu lauschen, der bei der
       Gelegenheit bekannte, er sei ein „Russland-Versteher“ und stolz darauf.
       
       Zwei Jahre lang hätten er und seine Kollegen diese Veranstaltung damals
       vorbereitet, erinnert sich Vorstandsmitglied Andreas Steininger. „Sowas
       machen Sie nicht mal eben.“ Letztlich sei es eine politische Entscheidung
       des damaligen Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD) gewesen, die
       Veranstaltung durchzuziehen – als Plattform, um im Gespräch zu bleiben.
       
       „Damals fand ich das richtig“, bekennt Steininger. „[2][Aus heutiger Sicht
       war es ein Fehler].“ Allerdings war es bei der Gründung des Instituts von
       vornherein darum gegangen, ein allzu negatives Russlandbild im Westen zu
       korrigieren, Wissen über das Land zu vermitteln und auch Verständnis zu
       wecken.
       
       Er habe als Rechtsanwalt und Ingenieur in Russland deutsche Firmen
       vertreten, erzählt Steininger. „Ich habe erlebt, wie viele Russen die
       1990er und Nullerjahre als unglaubliche Demütigung empfunden haben“, sagt
       er. Der [3][Warnruf des russischen Präsidenten Wladimir Putin 2007 auf der
       Münchner Sicherheitskonferenz], doch bitte die russischen Interessen zu
       respektieren, habe für ihn ein Manko offengelegt, das er mit Gründung des
       Instituts zumindest etwas habe ausgleichen wollen.
       
       Er selbst habe über russisches Recht promoviert und den Eindruck gewonnen,
       dass es in Westeuropa zu wenig Wissen über die russische Rechts- und
       Wirtschaftsgeschichte gebe. Das Ost-Institut, [4][das mit Unterstützung des
       verstorbenen ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD)
       gegründet wurde], sollte „deutsche Juristen für den russischen Markt
       ausbilden“. Es sollte zur Rechtsentwicklung in Osteuropa publizieren und
       mit Veranstaltungen die Wirtschaftskontakte verbessern. Die Hochschule bot
       und bietet Austauschprogramme und Studienkooperationen mit russischen,
       ukrainischen und kasachischen Universitäten an.
       
       Steininger, der eine Professur für Wirtschaftsrecht an der Hochschule
       Wismar bekleidet, legt Wert darauf, [5][dass das Ost-Institut „keinen Cent“
       staatlicher Förderung erhalten habe], weder von russischer noch von
       deutscher Seite. Natürlich hätten er und seine Mitstreiter versucht,
       Kontakt zu russischen Offiziellen zu knüpfen, sozusagen als Türöffner. Der
       Verdacht, Russland habe bei der Gründung des Instituts seine Finger im
       Spiel gehabt, sei aber Unsinn.
       
       Der 24. Februar 2022, der Tag des russischen Einmarschs in die Ukraine, hat
       viel verändert. „Wir sind davon ausgegangen, die denken wie wir rational“,
       sagt Steiningers Professorenkollege Hans-Joachim Schramm. Den russischen
       Aufmarsch habe er für einen Bluff gehalten. Als Reaktion auf den Überfall
       hat die Hochschule den Doppelstudiengang und das Austauschprogramm mit den
       russischen Universitäten ausgesetzt. Der Studiengang Deutsches und
       Internationales Wirtschaftsrecht bleibt jedoch bestehen. Er richtet sich
       jetzt insbesondere an Studierende aus der Ukraine und aus den
       zentralasiatischen Staaten.
       
       Der Fokus der Arbeit habe sich auf die Ukraine verschoben, sagt Schramm.
       „Da wir wirtschaftlich ausgerichtet sind, ist die Ukraine für uns das
       interessanteste Land.“ Derzeit seien sieben ukrainische Professoren am
       Institut, um sich mit dem Rechtssystem der EU vertraut zu machen.
       
       30 Jan 2023
       
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