# taz.de -- Die Sache mit dem Doppelpass: Von Begriffen, die unsexy klingen
       
       > Staatsbürgerschaftsrecht, Einbürgerungsrecht und Wahlrecht: Nur, weil
       > Themen dröge Bürokratie ausstrahlen, sind sie nicht weniger wichtig.
       
 (IMG) Bild: Einbürgerungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland im Rathaus Berlin-Neukölln
       
       Manche Themen sind hotter als andere. Diversität? Kannste Geld mit
       verdienen! Deutsche Wohnen und Co enteignen? Sexiest Kampagne alive, mit
       einem Hauch von Revolutionsromantik. Staatsbürgerschafts-, Einbürgerungs-
       und Wahlrecht? Schwer zu verkaufen.
       
       Wenn es darum geht, eine einzelne Person oder Familie vor der Abschiebung
       zu bewahren, gibt es Lebensgeschichten und Menschen mit Gesichtern, die man
       unterstützen kann. Wie das Beispiel von Pham Phi Son und seiner Familie,
       die nach 35 Jahren abgeschoben werden sollten, weil er zwischenzeitlich
       länger als ein halbes Jahr in Vietnam war. Das Beispiel ist so absurd wie
       beängstigend, was wiederum die Situation in Deutschland lebender
       Nicht-EU-Ausländer ganz gut zusammenfasst. Die Familie darf nun bleiben.
       Doch was ist mit den strukturellen Veränderungen, die dringend nötig sind?
       
       Vor einigen Wochen wurde ich auf die Kampagne „[1][Pass(t) uns allen]“
       aufmerksam. Gefordert wird ein gerechtes Staatsbürgerschafts-,
       Einbürgerungs- und Wahlrecht. Die Notwendigkeit der Kampagne war mir sofort
       klar. Nicht klar ist: Wie dieses Thema von meinem Radar verschwinden
       konnte? Staatsbürgerschaftsrecht war ein wichtiger Teil meiner
       Politisierung. Als Hessin erinnere ich mich an die Unterschriftenaktion der
       CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Die Kampagne gegen den
       Doppelpass verhalf Roland Koch zum Amt des hessischen Ministerpräsidenten
       und ließ mich, damals noch nicht wahlberechtigt, sprachlos zurück. Es war
       der Punkt, an dem ich begriff, dass Rassismus nichts ist, was Neonazis
       vorbehalten ist, sondern tief in der sogenannten bürgerlichen Mitte
       verankert ist.
       
       Mein Teenager-Ich war wütend und enttäuscht. Mein Erwachsenen-Ich kann es
       nicht fassen, dass ich immer noch mit nur einem Pass unterwegs bin. Auf dem
       Papier einfach nur Deutsche zu sein, hat nichts mit meiner Lebensrealität
       zu tun. Warum Menschen, die hier leben, arbeiten, Steuern zahlen – die
       letzten beiden Punkte sollten nicht relevant sein – also warum Menschen,
       die hier leben, nicht die gleichen Rechte bekommen und warum sie, verdammt
       nochmal, nicht wählen dürfen, darauf gibt es keine Antwort, die nicht
       beschämend ist. Das deutsche Einbürgerungsrecht wird dieser Gesellschaft
       nicht gerecht.
       
       [2][Staatsbürgerschaftsrecht, Einbürgerungsrecht und Wahlrecht.] Drei
       Begriffe, die extrem unsexy klingen. Das Moodboard zum Thema zeigt
       Behördenflure, Papierstapel und so ein Nummerzieh-Dings. Doch wenn die
       Forderungen von „Pass(t) uns allen“ umgesetzt werden, wird das nicht nur
       Millionen von Menschen das Leben erleichtern. Denn nur, weil Themen dröge
       Bürokratie ausstrahlen, sind sie nicht weniger wichtig. Meist ist das
       Gegenteil der Fall. Den deutschen Pass zu bekommen, ist für zu viele
       Menschen zu kompliziert. Wird Zeit, dass wir das ändern!
       
       26 Feb 2023
       
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 (DIR) [2] https://www.bmi.bund.de/DE/themen/verfassung/wahlrecht/auslaenderwahlrecht/auslaenderwahlrecht-node.html
       
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