# taz.de -- Integration mit Kohl und Pinkel: Einbürgerung geht durch den Magen
       
       > Als vorbildlich integrierter Türke mit deutschem Pass gehe ich natürlich
       > auch auf Kohl- und Pinkelfahrt. Es gibt nur ein paar kleine Änderungen.
       
 (IMG) Bild: Ein Herzstück norddeutscher Identität: Kohl und Pinkel
       
       „Osman, es hagelt plötzlich von überall Kritik, wir müssen uns noch mehr
       integrieren, verdammt“, sagt mein Kumpel Nedim in der Mittagspause.
       
       „Ich bin doch integriert! Ich habe den deutschen Pass und war sogar gerade
       auf den Kanaren im Urlaub“, erwidere ich stolz wie Oskar.
       
       „Du willst integriert sein? Da lachen ja die Hühner!“, gackert er, anders
       als es Hühner tun, sehr ironisch. „Osman, du hast dich ja nicht mal
       ansatzweise integriert. Hast du zum Beispiel jemals an einer [1][Kohl- und
       Pinkelfahrt] teilgenommen?“
       
       „Was für’n Ding?“
       
       „Kohl- und Pinkelfahrt! Hast du etwa noch nie auf der Straße diese Horden
       von besoffenen Männern gesehen, die einen Kinderwagen voller
       Alkoholflaschen hinter sich herziehen, alberne Spiele veranstalten und
       ahnungslose Passanten anpöbeln?“
       
       „Klar, kenne ich die! Ich mache immer einen großen Bogen um die, damit sie
       mich nicht blöd anquatschen und zwingen, billigen Apfelkorn zu saufen.“
       
       „Aber ohne die bescheinigte Teilnahme an einer Kohl- und Pinkelfahrt
       hättest du eigentlich nie den deutschen Pass bekommen dürfen! In Bremen
       gehört das mit zu den wichtigsten Einbürgerungskriterien!“
       
       „Wirklich? Meinst du, die könnten mir meinen Pass wieder wegnehmen, falls
       das rauskommen sollte?“
       
       „Klar! Aber du kannst es ja auch nachträglich in deine Akte eintragen
       lassen.“
       
       „Meine Sachbearbeiterin Frau Kottzmeyer-Göbelsberg von der
       [2][Ausländerbehörde] wird das sicherlich sehr zu schätzen wissen. Nedim,
       machen wir diese Kohlfahrt mit deinem oder mit meinem Ford-Transit?“, freue
       ich mich.
       
       „Osman, wir dürfen doch nicht fahren. Wir müssen bei diesem Schweinewetter
       stundenlang zu Fuß durch die Gegend latschen.“
       
       „Wieso heißt es dann Fahrt, bitteschön? Zu Fuß finde ich es bei der Kälte
       aber überhaupt nicht schön – und dazu noch literweise kaltes Bier! Lass uns
       doch lieber leckeren heißen türkischen Tee mitnehmen.“
       
       „Das ist gar keine so schlechte Idee bei den Temperaturen“, lobt mich mein
       Kumpel.
       
       „Und danach essen wir anstatt des langweiligen Grünkohl und Pinkel lieber
       köstliche [3][Döner] und Pilav“, schlage ich hinzu vor.
       
       „Osman, ich muss schon sagen, unsere Kohl- und Pinkelfahrt wird immer
       besser“, grinst Nedim wie ein gebratener Hammelkopf bis über beide Ohren.
       
       „Und ich hab sogar noch eine weitere Verbesserung! Anstatt sich bei dieser
       Eiseskälte auf der Straße stundenlang den Hintern abzufrieren, lass uns
       doch unseren Tee lieber im türkischen Café trinken, dabei Backgammon
       spielen und danach gehen wir im Istanbul-Restaurant Döner und Pilav essen!“
       
       „Osman, mein lieber Kumpel, ich gratuliere dir! Von einer besseren Kohl-
       und Pinkelfahrt habe ich noch nie gehört. Hoffentlich sieht die
       Ausländerbehörde das genauso.“
       
       „Nedim, ich brauche die Frau Kottzmeyer-Göbelsberg doch nicht mit allen
       unnötigen Details zu belästigen. Damals bei der Einbürgerung habe ich es
       doch genauso gemacht!“
       
       12 Feb 2023
       
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