# taz.de -- Nachruf auf De La Soul-Rapper Trugoy: Yoghurt fürs Gänseblümchenzeitalter
       
       > Trugoy, einer der beiden Rapper des New Yorker HipHop-Trios De La Soul,
       > ist gestorben. Nachruf auf einen hochbegabten Wortschmied.
       
 (IMG) Bild: Goldenes HipHop-Zeitalter: De La Soul live 1989 vlnr: Posdnous, Trugoy und DJ Maseo
       
       Als De La Soul ihr genresprengendes Debütalbum „3 Feet High And Rising“ –
       sein Titel ist eine Anspielung auf den Johnny-Cash-Song „5 Feet High And
       Rising“ – 1989 veröffentlicht haben, begann für Hip-Hop gerade eine
       Blütezeit. Und für viele Fans wurde dieses erste Werk der drei New Yorker
       Rapper zu einem der wichtigsten Hip-Hop-Alben überhaupt. Denn es ist ein
       Leckerbissen, eine Singularität und eine Sammlung von unwahrscheinlichster
       Musik.
       
       Hip-Hop war nach einem kurzen Moment globaler Aufmerksamkeit 1979 bereits
       als Novelty-Phänomen abgehakt worden, bevor das Genre Mitte der 1980er
       Jahre mit Wucht zurückkam und Künstler wie Run-DMC und viele andere weit
       direkter, aggressiver, überraschender klangen.
       
       Die musikalische Aggression verdichtete sich und wurde
       gesellschaftsschüttelnd radikal. Jeden Moment passierte etwas Neues. In
       diese kreative Explosion hinein wird eine Band vom Hip-Hop-Produzenten
       Prince Paul – so sagt es der Comic auf der Innenhülle von „3 Feet High and
       Rising“ – vom Mars auf die Erde teleportiert: De La Soul.
       
       ## Provokation für Machos
       
       Der Hip-Hop-Grundton ist zu jener Zeit fast schon gewalttätig-rotzig und
       hypermaskulin und so wirkt ein Album mit drei ruhigen, im Kreis
       angeordneten Gesichtern auf dem Cover, vor einem Hintergrund aus
       knallbunten fröhlichen Farben und gezeichneten Blumen, wie eine
       Provokation.
       
       Die Inszenierung könnte gewollter Hippie-Kram sein, ist es aber nicht. Die
       Musik könnte artsy-fartsy sein, ist sie aber auch nicht. Sie ballert mit
       Sample-Orgien und seltsamen, hörspielartigen Zwischenspielen. Der Reimstil
       geht zielsicher an allem vorbei, was damals und heute unter „Skills“
       verbucht wurde. Teilweise reimen De La Soul nicht mal.
       
       Sie offenbaren schlicht ihren eigenen Kosmos und der steht offen für alle:
       Hörer:innen fühlen sich eingeladen zu etwas, von dem sie eigentlich
       nichts verstehen. Aber es klingt toll, das weiß man sofort. De La Soul
       werden natürlich von den harten Hip-Hop-Heads angegangen für ihre Weichheit
       und Verschrobenheit. Und obwohl niemand sagen kann warum, ihre Songs zünden
       trotzdem, in der Hip-Hop-Kultur und auch darüber hinaus.
       
       ## Unendlicher Spaß
       
       Ihre Musik macht sofort klar, was Hip-Hop auch ist: unendlicher Spaß, zu
       dem sich tanzen lässt. Die Musik von De La Soul vergrößert den Spielraum
       des Genres, jetzt reicht er von dadaistischem Nonsens bis in die
       Transzendenz, „It’s Delacratic“: „If I want to I could jump off this
       building…/I could hold two pieces of doo-doo in my hand/I could call
       everybody in that room a rubberneck/Come on, please?/I can say anything
       that I want/I could wave my hand in my air/I could stick my hand up my
       nose/I could hold my foot and count to three/I can do anything/Possie?
       Dovie? Masie?/Pass my bag/De La Soul I Can Do Anything(It’s Delacratic)“.
       
       Die beiden Rapper von De La Soul sind Posdnous und Trugoy the Dove. Trugoy,
       das Alias ist das Anagramm von Yogurt und Dove ist ein verbogener Dave oder
       eine (Friedens-)Taube, was für eine satanische Botschaft! In den Texten
       sind Slang, Metaphorik und Hip-Hop-Flow vermischt, sie halten dabei
       Bodenkontakt: Soziale Härte, Sex und Drogen, die Hip-Hop sonst
       thematisiert, werden nicht ausgespart, sondern völlig anders eingearbeitet.
       De La Soul proklamieren das „D.A.I.S.Y.-Age“: Es steht für Inner Sound
       Y’all, das Gänseblümchen-Zeitalter.
       
       „Yo, something’s wrong here/ No, not again, get the daisies for the
       potholes in my lawn“. Und sie gründen zusammen mit den gleichermaßen
       einflussreichen New Yorkern Jungle Brothers und [1][A Tribe Called Quest],
       die nebulöse Hip-Hop-Loge Natives Tongues.
       
       ## Umgekippter Blumentopf
       
       Durch ihre quirlige Musik klingt Hip-Hop leichter, manche meinen positiver,
       aber so einfach ist es dann doch wieder nicht. Das zweite Album heißt „De
       La Soul is Dead“ und zeigt einen umgekippten Blumentopf auf dem Cover.
       Insgesamt haben De La Soul [2][acht Studioalben] veröffentlicht, alle sind
       relevant, alle zeugen von einer Weiterentwicklung.
       
       So lange da zu sein, zusammen und interssant zu bleiben, ist für Hip-Hop
       sehr ungewöhnlich. Die Musik von De La Soul wird im Laufe der Jahre klarer
       und direkter. Auch die Texte neigen sich Richtung Klartext. Trugoy wird
       greifbarer und zeigt sich angreifbar, wie in dem Stück „Stakes Is High“, in
       dem er so sehr über Rap-Klischees wettert, bis es sogar den Fakten reicht:
       „I’m sick of bitches shakin’ asses/I’m sick of talkin’ about blunts/Sick of
       Versace glasses (…) The facts are gettin’ sick/Even sicker perhaps“.
       
       Trugoy wird beim Rappen nie laut, narzisstisch oder vordergründig und
       vielleicht gerade deswegen ist sein Sprechgesang klar zu erkennen, sogar zu
       spüren. Er wäre einer der Wenigen gewesen, denen man so was wie ein
       „Spätwerk“ hätte zutrauen können, weil er es als Rapper immer wieder
       geschafft hat, die Zumutungen jedes Lebensabschnitts zu benennen, zu
       transformieren, sie also quasi zu De La Soul zu machen. In der Nacht zum
       Sonntag ist Dave Jolicoeur alias Trugoy 54-jährig gestorben.
       
       ## Die magische Zahl
       
       Gerade jetzt, wo man manchmal das Gefühl bekommt, Hip-Hop ist so
       gleichförmig und zweckmäßig zum Abholzen angelegt wie eine Monokultur
       Fichten, ist es gut zu wissen, dass Hip-Hop, auch dank Trugoy, eben immer
       auch delakratisch ist. Eines der ersten De La Soul-Stücke heißt „(Three Is)
       The Magic Number“. Jetzt sind De La Soul nur noch zu zweit.
       
       Schwer zu glauben, dass die Lücke, die Trugoy hinterlässt, von jemand
       anderem geschlossen werden könnte. In „Trying People“, einem der wenigen
       Hip-Hop-Stücke, die geeignet sind, um dazu zu weinen, meint er: „I figure
       excess’ll only bring an excessive amount of fussin’/So when I’m gone, make
       sure the head stone reads, ‚He did it for us‘“. You did. Und wie schön das
       war, vielen Dank, du wirst uns sehr fehlen!
       
       16 Feb 2023
       
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