# taz.de -- Unheimliche Theater-Garderoben: Der Mantel-Trick
       
       > Ich mag es nicht, meinen Mantel gegen Gebühr an Garderoben abzugeben.
       > Also habe ich mir für den letzten Theaterbesuch etwas ausgedacht.
       
 (IMG) Bild: Gehört zum Theaterbesuch wie der Pausengong: Garderobe, hier im Frankfurter Cantatesaal
       
       „Meine liebe Ehefrau Eminanim, ist das nicht unerhört?“, frage ich
       entsetzt. „Es wird doch überall rumgejammert, dass das Volk kulturell vor
       die Hunde geht, weil [1][niemand mehr ins städtische Theater geht]! Dann
       stellen sie tollwütige Wachhunde namens Garderobiere vor die Theater-Türen,
       an denen man nicht vorbei gehen kann, ohne tödliche Bisswunden zu
       riskieren. Jedenfalls nicht, wenn man seinen Mantel behalten will, weil man
       keine Lust hat, einen Haufen Lösegeld zu bezahlen, um ihn wieder
       freizukaufen.
       
       Das ist doch genauso wie dieses [2][Geschwafel von den demokratischen
       Wahlen], dass man als mündiger Bürger unbedingt zur Wahl gehen soll. Dann
       geht man hin, doch was bekommt man vorgesetzt: Le Pen, Trampel, Putin,
       Erdogan, Weidel, Seehofer…“
       
       „Osman, hör endlich auf! So viel Gelaber, nur weil uns der nette Memo
       wieder zwei Theaterkarten geschenkt hat!“
       
       „Aber warum tut er mir das an? Warum schenkt der Junge mir Theaterkarten?
       Weil er selbst dort arbeitet? Ich schenk ihm ja auch keine Tickets für eine
       Halle-4-Besichtigung in der Schlosserei.“
       
       „Weil Memo ein netter Mensch ist und nicht möchte, dass du so kulturlos
       stirbst, wie du geboren wurdest.“
       
       „Aber auf die Idee, auch die Garderoben-Gebühr zu zahlen, kommt er leider
       nicht, was ihn sofort viel netter machen würde.“
       
       Nun ja. Am [3][Theater]-Eingang versuche ich in der Schlange zehn Leute von
       meinem genialen Plan zu überzeugen, dass wir, wenn wir an der Garderobe
       sind, gleichzeitig in verschiedene Richtungen losstürmen, damit die
       Mantelräuberin nicht weiß, hinter wem sie herrennen soll. Leider geht
       niemand auf meinen großartigen Plan ein. Notgedrungen werfen meine Frau und
       ich unsere Mäntel der Wegelagerin in den Rachen.
       
       Eminanim versucht mich zu trösten: „Osman, die Damen sollen doch auch was
       verdienen. Die werden jetzt drei Stunden auf unsere Mäntel aufpassen. Das
       ist doch auch was.“
       
       „Wenn die mich nicht zwingen würden meinen Mantel abzugeben, bräuchten sie
       auch nicht darauf aufzupassen“, kontere ich.
       
       „Freu dich doch, dass dein neuer, schicker Mantel, den du erst gestern
       gekauft hast, in sicheren Händen ist.“
       
       150 Minuten später, von denen ich 130 Minuten erfolgreich getestet habe,
       mit offenen Augen zu schlafen, verlassen wir den Saal. Eminanim macht auf
       zivilisiert, gibt mit stolzgeschwellter Brust ihren Nummernzettel ab und
       bekommt ihren Mantel überreicht.
       
       „Los, raus hier! Meinen Mantel darf sie behalten“, zische ich und laufe
       nach draußen.
       
       „Spinnst du? Willst du nur wegen zwei Euro Garderobengebühr deinen neuen
       Mantel hierlassen?“, fragt sie schockiert.
       
       „Der war nicht neu. Den hatte ich gestern aus einem
       [4][Altkleider]-Container rausgefischt, damit ich ihn heute der
       Mantelräuberin geben kann.“
       
       „Der sah doch viel neuer und schicker aus als dein alter Mantel“, wundert
       sie sich.
       
       „Mag sein. Jedenfalls hat er seine Aufgabe bravourös erledigt!“
       
       2 Apr 2023
       
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