# taz.de -- Abkommen zwischen Serbien und Kosovo: Keine Einigung für Normalisierung
       
       > Die Regierungschefs haben am Samstag die Normalisierung der Beziehungen
       > nicht unterzeichnet. Vučić und Kurti beharren auf ihren Positionen.
       
 (IMG) Bild: Kosovos Premierminister spricht zu den Medien nach dem hochrangigen Treffen mit Serbiens Präsident am Samstag im nordmazedonischen Ohrid
       
       SARAJEVO taz | Serbien und Kosovo haben sich trotz mehrstündiger
       Verhandlungen unter Beteiligung der EU am Samstag nicht auf die
       Unterzeichnung eines Abkommens zur Normalisierung der Beziehungen beider
       Länder einigen können. Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, erklärte
       dennoch nach der Marathonsitzung in der nordmazedonischen Stadt Ohrid in
       der Nacht zum Sonntag „wir haben einen Deal.“
       
       Kosovo und Serbien hätten sich auf den Anhang des vorgeschlagenen
       Grundlagenvertrags zur Normalisierung der Beziehungen untereinander
       geeinigt, betonte Borrell nach zwölfstündigen Gesprächen am Samstagabend
       gegenüber Reportern. Das elf Punkte umfassende Dokument der EU biete ein
       Rahmenwerk, in dem beide Seiten sich verpflichten würden, auf Gewalt bei
       der Beilegung von Konflikten zu verzichten. Doch noch ist nichts
       beschlossen.
       
       Wie schon beim vorausgehenden Treffen in Brüssel reiste der serbische
       Präsident Aleksandar Vučić ab, ohne das Abkommen zu unterzeichnen. Der
       kosovarische Premierminister Albin Kurti war jedoch wie in Brüssel auch in
       Ohrid bereit, das Abkommen in der vorliegenden Form zu akzeptieren. „Ich
       habe heute nichts unterschrieben“, erklärte Vučić vor Journalisten in
       Ohrid. „Wir haben auf jeweils unterschiedliche Weise aufgezeigt, wo für uns
       die jeweiligen roten Linien sind.“ Die Atmosphäre der Gespräche bezeichnete
       er als „konstruktiv“.
       
       [1][Bei allem diplomatischen Geplänkel ist klar geworden, dass beide Seiten
       nicht von ihren Positionen abgerückt sind.] Serbien werde Kosovo niemals
       diplomatisch anerkennen, mache höchstens Zugeständnisse bei Einzelpunkten,
       heißt es in Belgrad. Für Vučić stellt jede Aufweichung der harten Haltung
       gegenüber Prishtina ein politisches Risiko dar. Schon im Vorfeld des
       Treffens demonstrierten Tausende nationalistische Extremisten in Belgrad.
       
       Es ist zwar unwahrscheinlich, dass der autoritär regierende Vučić nicht
       Kenntnis von den Demonstrationen hatte. [2][Dass Rechtsradikale in Serbien]
       mit „heißen“ Protesten drohen, sollte Vučić in Ohrid „kapitulieren“, könnte
       sogar seine Verhandlungsposition gegenüber der EU und den USA stützen. Er
       will unbedingt den Verbund serbischer Gemeinden im Kosovo durchsetzen. Auch
       an diesem Punkt ist sich Vučić der Unterstützung Russlands und Chinas im
       Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen sicher.
       
       ## Rote Linie: Status der serbischen Gemeinden in Kosovo
       
       Die Albaner dagegen stehen im Regen. Für Borrell und der EU ist klar, dass
       sie in der Frage der serbischen Gemeinden nachgeben müssen. Kurti kann aber
       [3][dem Verbund serbischer Gemeinden], vor allem in Bezug der Bildung eines
       territorial definierten serbischen Teilstaats nicht zustimmen – 20 Prozent
       der Fläche würden dann von 6 Prozent der Bevölkerung kontrolliert. Die 1,8
       Millionen Einwohner wären dann der Politik der serbischen Regierung, die
       natürlich die „Selbstverwaltung“ der 120 000 Serben im Lande übernehmen
       würde, ausgesetzt.
       
       „Der Deal“ sollte ein „angemessenes Maß an Selbstverwaltung für die
       serbischen Gemeinschaften im Kosovo gewährleisten“, sagte aber der
       EU-Spitzendiplomat. Voraussetzung sei, dass Kosovo sofort Verhandlungen in
       Bezug auf den Status der serbischen Gemeinden aufnimmt. „Wenn ich sofort
       sage, dann meine ich auch sofort“, erklärte Borrell.
       
       Der links-demokratische Reformer Kurti würde damit endgültig seine eigene
       Position des Aufbaues [4][eines multinationalen demokratischen Staates]
       aufgeben. Er würde damit auch die anderen Minderheiten wie die der
       zahlenmäßig recht starke Minderheit der Roma (Ashkali, Ägypter), Bosniaken
       und die anderen in Kosovo benachteiligen. Artikel 7 des Abkommens
       verpflichte Prishtina nun dazu, die Umsetzung dieses Punktes umgehend
       einzuleiten, sagte Borrell. Aber noch kämpft die Kosovoregierung darum,
       diese Regelung im Einklang mit den Gesetzen über Minderheiten in der EU und
       im Europarat zu gestalten.
       
       ## Anerkennung der jeweiligen offiziellen Dokumente
       
       Für Kosovo positiv wäre, so die EU-Verhandler, dass das Abkommen eine
       de-facto-Anerkennung des jeweils anderen Staates bedeutete, indem der
       Kosovo und Serbien gegenseitig ihre Reisedokumente, Diplome,
       Autokennzeichen und Zollstempel akzeptieren würden. Die EU hat Serbien aber
       keine weiteren konkreten Forderungen auferlegt, den Kosovaren den Weg in
       die internationalen Strukturen zu erleichtern. Von einer Mitgliedschaft in
       der UNO ganz zu schweigen.
       
       Der Druck der EU, so einige journalistische Beobachter der Verhandlungen in
       Ohrid, wird vor allem auf die kosovarische Seite ausgeübt. Vor dem
       Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gewann die
       Beilegung des Kosovo-Konflikts für den Westen wieder an Bedeutung, betont
       die dpa. Immerhin hat die EU zugestimmt, das Visaregime für Kosovo am 1.
       Januar 2024 aufzugeben. Ab dann können auch Kosovaren frei in Europa
       reisen.
       
       19 Mar 2023
       
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