# taz.de -- Annalena Baerbock in Georgien: Aufbauende Worte für die Opposition
       
       > Die deutsche Außenministerin zollt Vertreter:innen der
       > Zivilgesellschaft Respekt. Für eine weitere Annäherung an die EU sagt sie
       > Unterstützung zu.
       
 (IMG) Bild: Annalena Baerbock und Amtskollege Ilia Dartschiaschwili in Tiflis, Georgien
       
       TBILISI taz | In einem Wohnviertel in der Altstadt von Tbilisi, der
       Hauptstadt Georgiens, wird es ernst für Annalena Baerbock. Vier
       Vertreter:innen georgischer Nichtregierungsorganisationen treffen sich
       mit der deutschen Außenministerin. Alle vier Frauen haben [1][die Proteste
       gegen den umstrittenen Gesetzentwurf für ein „Agenten-Gesetz“] organisiert
       und andere Gruppen dazu gebracht, sich anzuschließen.
       
       Anfang März gab es tagelang Demonstrationen mit tausenden Teilnehmer:innen.
       Die Regierung unter Ministerpräsident Irakli Garibaschwili ging teilweise
       mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Protestierenden vor.
       International sorgten die Bilder von Menschen, die den Beitritt Georgiens
       zur EU verteidigten und sich gegen den georgischen Polizeiapparat stellten,
       für enorme Aufmerksamkeit.
       
       Die vier Frauen, die die deutsche Außenministerin an diesem Freitag
       treffen, waren dabei. Ihre Botschaft an Baerbock: Sprechen Sie klare Worte.
       Und: Vertrauen Sie nicht dieser Regierung. Das „Agenten-Gesetz“ wurde zwar
       zurückgenommen. Aber: Alle vier Frauen sind sich einig, dass die derzeitige
       Führung unter der Regierungspartei Georgischer Traum weitere Versuche
       unternehmen wird, ihren russlandfreundlichen Kurs fortzuführen.
       
       Kritische Medien zulassen, mehr Rechte für LGBTIQ- Gruppen, die
       regierungskritische Arbeit der Zivilgesellschaft – all dies sehen die vier
       bedroht, wenn die amtierende Regierung weitere anti-europäische Gesetze auf
       den Weg bringen und einen pro-russischen Kurs verfolgen wird.
       
       ## Kampf gegen Korruption
       
       Die EU hatte die Ukraine und die benachbarte Republik Moldau im Juni 2022
       zu Beitrittskandidaten gemacht. Georgien wurde dieser Status in Aussicht
       gestellt, allerdings unter der Bedingung, dass ein 12-Punkte-Plan umgesetzt
       wird. Dazu zählt etwa der Kampf gegen Korruption, Rechtsstaatlichkeit, die
       Wahrung der Presse- und Meinungsfreiheit – und eine sogenannte
       De-Oligarisierung.
       
       Dass es hier noch enorme Lücken gibt, das macht Baerbock auch klar. Ihr
       Angebot: Unterstützung über deutsche politische Stiftungen, das
       Goethe-Institut und auf diplomatischer Ebene. Und sie beteuert: Wir, die
       EU, haben großen Respekt vor eurer Leidenschaft für einen Beitritt zur
       Europäischen Union. Um die 12 Punkte umzusetzen, wolle man „diesen letzten
       Schritt jetzt gemeinsam gehen“, sagt Baerbock im Anschluss an ein Treffen
       mit ihrem georgischen Amtskollegen Ilia Dartschiaschwili.
       
       Rund 3,7 Millionen Menschen leben in Georgien, dem Land am Schwarzen Meer.
       Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion steht die Republik unter enormem
       Einfluss und Druck Russlands. Die abtrünnigen Gebiete Südossetien und
       Abchasien werden von Russland unterstützt, russische Truppen sind in der
       Region stationiert.
       
       Nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Irakli Garibaschwili sowie
       Staatspräsidentin Salome Surabischwili will Außenministerin Baerbock am
       Freitagnachmittag die sogenannte Verwaltungslinie zu Südossetien und die
       EU-Beobachtermission EUMM (European Union Monitoring Mission) besuchen.
       Aufgabe der Mission ist es, nach dem Ende der Kämpfe zwischen Russland und
       Georgien 2008 die Einhaltung der Waffenstillstandsvereinbarung zu
       überwachen.
       
       ## Die Angst wächst
       
       Weit über 80 Prozent der georgischen Bevölkerung wollen, dass ihr Land der
       EU beitritt – und auch der Nato. Aber mit Beginn des russischen
       Angriffskriegs auf die Ukraine wächst die Angst im Land, dass Georgien zum
       nächsten Krisenherd werden könnte.[2][International hat sich die
       Südkaukasusrepublik nur halbherzig an der Seite der Ukraine positioniert],
       sich jedoch mehrfach UN-Resolutionen angeschlossen, die den Krieg und
       Russland verurteilen. Wenn man in die EU wolle, gehöre dazu auch die Außen-
       und Sicherheitspolitik, sagt Baerbock.
       
       Deshalb dürften auch Direktflüge von Tbilisi nach Moskau nicht wieder
       aufgenommen werden. Diese Möglichkeit wird bereits seit Wochen diskutiert.
       Zuletzt hatte sich auch der Bürgermeister von Tbilisi, Kacha Kaladze, dafür
       ausgesprochen. Das georgische Außenministerium hält sich dagegen bedeckt.
       Dartschiaschwili betonte, dass die Beziehungen zwischen Russland und
       Georgien sich lediglich auf das Waffenstillstandsabkommen bezögen und auf
       „internationalen Plattformen“ stattfänden.
       
       Die Solidarität mit der Ukraine ist auch in den Straßen von Tbilisi
       sichtbar. Neben der EU-Flagge hängt an vielen Stellen die blau-gelbe
       ukrainische Flagge. Künstler:innen veranstalten Soli-Konzerte, um Geld
       für die Geflüchteten zu sammeln. „Dass ihr euch auch mit eurem Hintergrund
       an die Seite der Ukraine stellt, zeigt klar, welche Werte ihr teilt“, wird
       Baerbock nicht müde zu beteuern.
       
       ## Keine Müdigkeit
       
       Müde wirken auch die vier Frauen im Büro einer NGO in der Altstadt von
       Tblissi wahrlich nicht. Hoffnung gebe es noch, aber der Druck nehme zu. Wie
       sehr die Vertreter:innen der Zivilgesellschaft angefeindet werden, das
       vermitteln sie der deutschen Außenministerin in Tblissi sehr deutlich.
       
       Hass und Hetze in sozialen Medien gegen ihre Person, das kennt auch
       Annalena Baerbock zur Genüge. In Georgien schwappte der Hass aus dem Netz
       bereits in die reale Welt. Die Gesichter der Anführer:innen des
       Protests landeten auf Plakaten, die in der ganzen Stadt verteilt wurden.
       Darauf steht zu lesen: Sie sind die Agenten!
       
       24 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Tricarico
       
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