# taz.de -- Kinotipp der Woche: Zeitlose Phrasenblasen
       
       > In der Reihe „In Rücksprache“ treffen Filme, die jüngst auf der
       > Duisburger Filmwoche liefen, auf Klassiker aus der Geschichte des
       > Dokufestivals.
       
 (IMG) Bild: „Vlog #8998 | Korean Karottenkuchen & Our Makeup Routine“, D 2021, Regie: Ji Su Kang-Gatto
       
       Hans Andreas Guttners Dokumentarfilm „Familie Villano kehrt nicht zurück“
       beginnt mit einer Fahrt durchs fränkische Fürth. Auf der Tonspur
       sehnsüchtiger Gesang auf neapolitanisch und westdeutsche Politiker, die die
       1970er Jahre hindurch erklären, warum die Bundesrepublik kein
       Einwanderungsland sein könne: weil wegen Bevölkerungsdichte, weil wegen
       Arbeit ist kein Aufenthalt und deswegen kein Grund für eine
       Aufenthaltserlaubnis, weil wegen Familiennachzug zwar verständlich, aber
       schwierig schwierig…
       
       Die zeitlosen Phrasenblasen stammen von Walter Arendt, Bundesminister für
       Arbeit und Sozialordnung unter Willy Brandt, und Helmut Schmidt,
       Bundeskanzler von 1974 bis 1982.
       
       Guttner porträtiert 1981 mitten in einer der größten Wellen des
       bundesrepublikanischen Rassismus und rassistischer Gewalt eine zehnköpfige
       Familie, die es aus Süditalien nach Fürth verschlagen hat.
       
       Die jüngeren Kinder besuchen italienische Schulklassen, singen Bella Ciao
       und sprechen mit ihrem italienischen Lehrer über alltägliche
       Rassismuserfahrungen, während ihre älteren Geschwister und der Vater nach
       Arbeitsplätzen suchen, die von Dauer sind.
       
       Die Duisburger Filmwoche und das Arsenal zeigen „Familie Villano kehrt
       nicht zurück“ am Donnerstag um 21 Uhr als zweiten Teil [1][eines
       Doppelprogramms, das unter dem Titel „In Rücksprache“] einen Film der
       letzten Ausgabe des Dokumentarfilmfestivals mit einem Film aus dessen
       Geschichte in Bezug setzt.
       
       „Zu sehen sind zwei Filme, deren Konstellation einen Raum für Verbindungen
       öffnet – zwei Perspektiven auf Migration nach und Leben in Deutschland, die
       selbst vom Dazwischen-Sein handeln: zwischen Kommen und Ankommen, sich
       Auskennen und sich Behaupten, Dabeisein und Dazugehören“, so der
       Ankündigungstext.
       
       Vor dem Blick in die Geschichte der Duisburger Filmwoche läuft um 19 Uhr Ji
       Su Kang-Gattos autobiographisch, spielerisch-kluger „Vlog #8998. Korean
       Karottenkuchen & Our Makeup Routine“, der letzten November auf dem Festival
       im Crossover mit dem Jugend-Dokumentarfilmfestival Doxs lief.
       
       In ihrem Film lässt Kang-Gatto angelehnt an das Social-Media-Videoformat
       des Vlog, eines Video-Blogbeitrags, ihre Familiengeschichte als Kind
       südkoreanischer Eltern in Westdeutschland Revue passieren und denkt über
       ihre Beziehung zu ihrer jüngeren Schwester nach, die in Südkorea
       aufgewachsen ist. Sie erinnert sich an Erfahrungen von Ausgrenzung und
       Rassismus, die von der Kindheit bis in die Zeit der Pandemie reichen.
       
       Die beiden Filme des Programms zeigen einen Wandel in der Art, wie
       Lebensgeschichten jenseits des weißen-deutschen Durchschnitts im deutschen
       Dokumentarfilm auftauchen: Während in „Familie Villano kehrt nicht zurück“
       ein deutsch-österreichischer Dokumentarfilmer empathisch auf die
       Lebenssituation einer Familie aus Italien blickt, die sich versucht, ein
       Leben in Deutschland aufzubauen, erzählt Ji Su Kang-Gatto ihre eigene
       Geschichte.
       
       Neben dem technischen Fortschritt ist dies auch der Selbstermächtigung
       jüngerer Filmemacher_innen zu verdanken, die durch die Kloake des deutschen
       Alltagsrassismus gewatet sind und nicht länger freundlich darüber hinweg
       gehen.
       
       3 May 2023
       
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