# taz.de -- Graichens Fehler: Bildet linksgrüne Banden!
       
       > Habecks Staatssekretär Graichen hat einen Fehler gemacht. „Bild“-Zeitung
       > und Konservative schlachten ihn gnadenlos aus. Das ist Teil einer
       > Kampagne.
       
 (IMG) Bild: Skandal um Graichen!
       
       Kolumnen werden ja total unterschätzt. Sie denken vielleicht, da kommt so
       ein Heiopei daher und wirft ein paar Zeilen ab, die ihm auf dem Weg zum Klo
       eingefallen sind. Aber nein: Kolumnen decken Missstände auf und bringen
       Mächtige zu Fall. Also nicht meine, aber die von den Kollegen.
       
       Im Dezember 2021, da war die Ampel-Koalition keine zwei Wochen alt, schrieb
       [1][Bernhard Pötter in seiner taz-Kolumne] über die Familienbeziehungen im
       Wirtschaftsministerium. Das Ministerium ging damit offen um, und auch sonst
       störte sich niemand daran.
       
       Das Interesse am grünen Familienclan änderte sich, als Robert Habeck und
       seine Buddies es wagten, in den deutschen Heizungskeller einzubrechen, also
       vorsichtig darauf hinzuweisen, dass eine neue Gasheizung vielleicht keine
       gute Idee ist. Seitdem läuft eine Kampagne der Bild gegen den „Heizhammer“,
       voller Lügen und Halbwahrheiten.
       
       In die Aufregung platzte eine weitere Kolumne, [2][die von Alexander
       Neubacher im Spiegel], der dort den vakanten Lehrstuhl für konservative
       Polemik von Jan Fleischhauer übernommen hat. Neubacher hatte die
       taz-Kolumne gelesen und ansonsten nichts Neues zu vermelden. Aber Bild und
       konservative Politiker hatten endlich, was sie brauchten: einen Fehler, den
       sie ausschlachten können.
       
       In Deutschland wird nicht aus politischen Gründen zurückgetreten, sondern
       wegen persönlicher Fehler. Sie können Peter Altmaier sein und die
       Energiewende verschleppt haben, Sie können Manuela Schwesig sein und mit
       der russischen Diktatur schmutzige Geschäfte machen, Sie können Andreas
       Scheuer sein und hunderte Millionen Steuergeld in der Maut versenken. Alles
       eeeegaaaal.
       
       ## Ein Kasten Bier auf Rücktritt
       
       Zurückgetreten dagegen ist Kurzzeit-Familienministerin Anne Spiegel. Und
       zwar nicht gleich, als ihr Urlaub nach der Flut im Ahrtal bekannt wurde.
       Sondern erst, als klar wurde, dass sie der Bild nicht die Wahrheit gesagt
       hatte über ihre Teilnahme an Videokonferenzen des Ministeriums.
       
       Linksliberalen wird gern vorgeworfen, moralisch zu sein. Aber eigentlich
       sind es ihre Gegner, die sich gern empören.
       
       Als nun Patrick Graichen, Staatssekretär von Habeck und wichtigster
       Mitarbeiter für die Energiewende, nun auch noch zugeben musste, dass er
       seinen Trauzeugen für einen Spitzenposten vorgeschlagen hat, ohne das
       transparent zu machen, war der Skandal perfekt.
       
       Damit wir uns nicht falsch verstehen: Graichen hat einen Fehler gemacht.
       Und ich wette einen Kasten Bier, dass er diese Affäre politisch nicht
       überstehen wird. Schließlich will Robert Habeck Kanzler werden. Und der
       kann es sich nicht leisten, wenn seinem engsten Mitarbeiter der Vorwurf der
       Korrumpierbarkeit anhängt.
       
       Der weitere Verlauf ist vorhersehbar: Habeck wird an Graichen festhalten,
       bis ein weiterer Fehler öffentlich wird. Und der wird gefunden werden: In
       diesem Moment beugen sich zwei Dutzend Hauptstadtjournalisten über das
       Wirtschaftsministerium und sezieren jedes Stück Papier, das Graichen
       angefasst hat.
       
       Es lohnt sich, die Aufregung als das zu begreifen, was sie ist: Als Teil
       einer Kampagne. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass konservative Medien
       und Politiker versuchen, die von ihnen verzögerten Reformen zu torpedieren.
       Diesmal sind es die Heizungspläne, als nächstes trifft es vielleicht den
       vegetarischen Cem Özdemir.
       
       Was tun? In den kommenden Jahren wird mit härteren Bandagen gekämpft
       werden, am besten auch von links. Also: Bildet Banden, bildet linksgrüne
       Familienclans in Ministerien und Redaktionen! Eine linke Boulevardzeitung,
       die Konservative so hart anfasst wie der politische Gegner, das wär’ doch
       was.
       
       6 May 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wirtschafts--und-Klimaministerium/!5822657
 (DIR) [2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/filz-bei-den-gruenen-robert-habecks-kluengelwirtschaft-kolumne-a-0418fcdc-8112-4c96-9904-0a531639ee4b
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kersten Augustin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Robert Habeck
 (DIR) Kolumne Materie
 (DIR) bild.de
 (DIR) Kolumne Materie
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Grüne
 (DIR) Ampel-Koalition
 (DIR) Robert Habeck
 (DIR) Wirtschaftsministerium
 (DIR) Robert Habeck
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Sonneberg und die AfD: Deutschland ist ein Kindergarten
       
       Die AfD verschenkt Luftballons, und alle anderen wollen „zuhören“ und
       niemanden „überfordern“. Wann behandeln wir WählerInnen wie Erwachsene?
       
 (DIR) Heizungsstreit der Ampelkoalition: Eat, heat, love
       
       Wie geht es weiter im Heizungsstreit? Und sollten die Grünen raus aus der
       Ampel? Unser Kolumnist hat eine Expertin gefragt: seine Wärmepumpe.
       
 (DIR) Krise der Grünen: Immer wieder im Frühling
       
       Bei den Grünen schlägt zum dritten Mal ein Skandal im Frühling ein. Die
       Jahreszeit mag Zufall sein, aber die drei Fälle haben doch etwas gemeinsam.
       
 (DIR) Der Pate und der Filz: Filz im Ministerium
       
       Filz ist, nachhaltig, grün und hat Bindekraft. Getragen wird er gern von
       der Basis der Grünen. Nun ist Filz auch im Wirtschaftsministerium angesagt.
       
 (DIR) Vorwürfe gegen Staatssekretär Graichen: Steilvorlage für die Opposition
       
       Bei der Wahl des Dena-Chefs hätte es mehr Transparenz gebraucht. Die
       Verflechtungen sind ein gefundenes Fressen für die Gegner grüner
       Klimapolitik.
       
 (DIR) Klüngel im Bundeswirtschaftsministerium: Chefsuche beginnt von vorn
       
       Die Energieagentur Dena startet ein neues Chef-Findungsverfahren. Nach der
       Affäre um Staatssekretär Graichen erhebt die CDU weitere Vorwürfe.
       
 (DIR) Verflechtungen im Wirtschaftsministerium: Freunde der Energiewende
       
       Der neue Chef der Deutschen Energie-Agentur war Trauzeuge von Robert
       Habecks Staatssekretär Patrick Graichen.