# taz.de -- Kontrollen an der Grenze zu Dänemark: Ein bisschen weniger
       
       > Die Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze verstoßen gegen das
       > Schengener Abkommen. Nun will Dänemark die Kontrollen versuchsweise
       > lockern.
       
 (IMG) Bild: An der deutsch-dänischen Grenze sollen vor allem Pendler*innen zukünftig schneller durchkommen
       
       NEUMÜNSTER taz | Mal ist Corona schuld, mal die Schweinepest, mal die
       Kriminalität: Seit mehr als sieben Jahren kontrolliert Dänemark an der
       Grenze, wer aus Deutschland einreisen möchte. Die Gründe für dieses
       Verhalten, das [1][gegen das Schengener Abkommen verstöß]t, sind immer
       andere. Die EU-Kommission ließ Dänemark bisher gewähren.
       
       Ab dem 12. Mai soll das strenge Grenzregime aber etwas gelockert werden,
       teilte das dänische Justizministerium im April mit. Profitieren werden
       Pendler*innen und Urlauber*innen. Aber die Kontrollpunkte blieben
       besetzt, und die Polizei werde im Hinterland der Grenzen verstärkt prüfen,
       kündigt die dänische Regierung an.
       
       „Einen Etappensieg“ nennt [2][Stefan Seidler], Angehöriger der dänischen
       Minderheit in Schleswig-Holstein und Bundestagsabgeordneter der
       Minderheitenpartei SSW, die Pläne der Regierung in Kopenhagen. „Wir vom SSW
       haben uns seit Jahren auf allen politischen Ebenen dafür eingesetzt, dass
       die Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze abgeschafft oder zumindest
       für die Grenzpendlerinnen und Grenzpendler erträglich gestaltet werden.
       
       Ich freue mich, dass unsere Arbeit Früchte trägt“, schreibt der Politiker
       auf Twitter. Trotz der Freude darüber „bleibt abzuwarten, wie die neuen
       Pläne in der Praxis ausgestaltet werden“.
       
       ## Mehr Kontrollen im Hinterland
       
       Laut einer Pressemitteilung des Ministeriums will die Polizei die
       Kontrollen an der Grenze nach Schweden ganz aussetzen und an der
       deutsch-dänischen Staatenlinie weniger Einreisende direkt an den Übergängen
       kontrollieren. Die so frei werdenden Kräfte sollen dafür mehr im Hinterland
       unterwegs sein, heißt es im Nordschleswiger, der Zeitung der deutschen
       Minderheit in Dänemark.
       
       Die Polizei könnte demnach also auch weit hinter der Grenze Fahrzeuge mit
       ausländischen Kennzeichen stoppen und auf der Grundlage „professioneller
       polizeilicher Einschätzungen“ Pässe und Kofferräume kontrollieren. Genauere
       Kriterien für die polizeilichen Einschätzungen wurden nicht genannt.
       
       Der sozialdemokratische dänische Justizminister Peter Hummelgard begründet
       die Verlängerung der Kontrollen dieses Mal mit dem [3][Krieg in der
       Ukraine]: Es gelte, „den Bedrohungen zu begegnen, denen Dänemark ausgesetzt
       ist“. An den Grenzübergängen sollen für die „smarte“ Überwachung auch
       Drohnen und Nummernschildscanner eingesetzt werden.
       
       Die neuen Regeln erleichtern den Alltag der Menschen, die mit regionalen
       Autokennzeichen täglich zwischen Orten wie Flensburg und Apenrade pendeln.
       Denn sie werden vermutlich kaum mehr angehalten werden. „Endlich fällt eine
       Barriere weg. Das ist so wichtig für das Grenzland und das Leben
       miteinander“, sagt Ruth Candussi, Parteisekretärin der Schleswigschen
       Partei (SP), der Vertretung der deutschen Minderheit in Dänemark. Das Ziel
       sei aber weiterhin, dass die Kontrollen gänzlich abgeschafft werden, betont
       sie.
       
       ## Normalität ist nicht in Sicht
       
       Keinen Grund zum Jubeln sieht der Europa-Abgeordnete [4][Rasmus Andresen]
       (Grüne). Ja, die dänische Regierung habe sich zwar bewegt, aber „klar ist
       auch, dass die Kontrollen nun wieder für weitere sechs Monate verlängert
       werden“, sagt er auf taz-Anfrage.
       
       Andresen hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Autorinnen der
       dänischen Regierung vorwarfen, sie würden nach dem „Gießkannenprinzip“
       Gründe für die Kontrollen vorbringen. Die federführend an dem Gutachten
       beteiligte [5][Völkerrechtlerin der Europa-Universität Flensburg, Anna
       Katharina Mangold], kritisierte, es gehe offenbar nach dem Motto: „Einen
       Grund unter den vielen werden Kommission und andere Mitgliedstaaten schon
       akzeptieren.“ Es entstehe der Eindruck, die genannten Gefahren seien
       lediglich vorgeschoben.
       
       Das Gutachten und die Proteste zahlreicher anderer Stellen hätten geholfen,
       Druck auf die dänische Regierung aufzubauen, glaubt Andresen: „Selbst die
       dänische Polizei hatte zuletzt Zweifel an der Wirksamkeit der Kontrollen
       geäußert und ein Umlenken der dänischen Regierung gefordert.“
       
       Dennoch steht nicht einmal fest, dass die jetzigen Erleichterungen
       dauerhaft bleiben. Die Regierung will das Verfahren zunächst für sechs
       Monate, bis Mitte November, testen. Von einer Rückkehr zum eigentlichen
       Normalfall der offenen Grenzen ist keine Rede.
       
       13 May 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /SSW-Politiker-zu-Kuestenschutz/!5905687
 (DIR) [3] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
 (DIR) [4] /Gruener-ueber-EU-Schuldenreform/!5928425
 (DIR) [5] https://www.uni-flensburg.de/eulaw/mangold
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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