# taz.de -- EU streitet über Staatsschulden: Hart, aber fair
       
       > Die EU-Kommission will kein bloßes Spardiktat mehr. Sie hat am Mittwoch
       > eine Reform angestoßen – mit der viele Regierungen unzufrieden sein
       > dürften.
       
 (IMG) Bild: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bei der Präsentation der Schulden-Pläne
       
       BRÜSSEL taz | Hart, aber fair – und sogar mit Krieg und Klimakrise
       vereinbar: So sollen die [1][neuen Schuldenregeln] für die Eurozone
       ausfallen, die die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vorgestellt hat.
       Anders als bisher sollen sie die EU-Staaten nicht mehr nur zum Sparen
       anhalten, sondern auch Reformen anstoßen und Investitionen fördern. „Wir
       leben in einer anderen Welt als vor 30 Jahren“, sagte Kommissionsvize
       Valdis Dombrovskis.
       
       Allerdings fällt die Reform, die die EU-Behörde nach langem Zögern
       vorgelegt hat, insgesamt bescheiden aus. An den sogenannten
       Maastricht-Kriterien will Brüssel festhalten: Die 3-Prozent-Grenze für das
       laufende Budgetdefizit soll ebenso bleiben wie das 60-Prozent-Limit für die
       Gesamtverschuldung.
       
       Selbst Deutschland reißt diese Zielmarken. Am Mittwoch hat das
       Bundeskabinett ein [2][Stabilitätsprogramm beschlossen]. Demnach erwartet
       die Regierung bei Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen 2023
       rechnerisch ein Defizit von etwa 4,25 Prozent. Für den Schuldenstand
       prognostiziert das Stabilitätsprogramm für 2023 einen Wert von 67,75
       Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
       
       Doch eine Streichung der Maastricht-Kriterien, wie sie Frankreich gefordert
       hatte, ist auf EU-Ebene ebenso wenig durchsetzbar wie eine Lockerung.
       Stattdessen soll es mehr Spielraum beim Schuldenabbau geben. Die Kommission
       will mit den Euroländern maßgeschneiderte „Referenzpfade“ vereinbaren, um
       die Schulden schrittweise abzubauen.
       
       ## EU-Kommission kommt Lindner nicht ganz entgegen
       
       Die Länder hätten nach dem Vorschlag vier Jahre lang Zeit, um die Ziele zu
       erreichen. Solange das Defizit über 3 Prozent liegt, müssten sie ihre
       Schuldenquote um jährlich einen halben Prozentpunkt verringern.
       
       Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte eine solche
       Mindestvorgabe gefordert. Allerdings wollte Lindner hoch verschuldete
       Länder wie Griechenland oder Italien zwingen, ihre Schuldenquote um
       mindestens einen Prozentpunkt jährlich zu senken. So weit wollte die
       EU-Kommission nicht gehen.
       
       Ihr Vorschlag ist ein Kompromiss. Er muss jetzt von den 27 EU-Staaten
       diskutiert und beschlossen werden. Viel Zeit bleibt nicht mehr – die neuen
       Regeln sollen schon 2024 gelten. Die alten Vorgaben des Stabilitätspakts
       waren in der Coronakrise ausgesetzt worden.
       
       Dass Streit droht, lassen schon die ersten Reaktionen aus dem
       Europaparlament erkennen. Die Debatte gehe in die falsche Richtung, meint
       der linke Europaabgeordnete Martin Schirdewan. Statt um Schuldenabbau müsse
       es um Investitionen gehen. „Lindner isoliert Deutschland in der EU“,
       kritisiert Schirdewan, dies sei ein Fehler.
       
       Für Markus Ferber von der CSU geht der Vorschlag aus Brüssel dagegen nicht
       weit genug. Die Kommission tue zu wenig für die Finanzstabilität, so
       Ferber. Die Bundesregierung sei in einer schwachen Position: „Wer zu Hause
       [3][mit Schattenhaushalten] operiert und in Brüssel das Sparen predigt, hat
       ein Glaubwürdigkeitsproblem.“
       
       27 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/IP_23_2393
 (DIR) [2] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2023/04/2023-04-26-deutsches-stabilitaetsprogramm-2023.html
 (DIR) [3] /Sondervermoegen-fuer-die-Bundeswehr/!5855346
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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