# taz.de -- Fahrgastverband Pro Bahn über Streik: „Es kann zum Totalausfall kommen“
       
       > Gibt es einen unbefristeten Streik der Gewerkschaft EVG? Detlef Neuß ist
       > Bundesvorsitzender des Verbands Pro Bahn und erklärt, was auf Bahnkunden
       > zukommen könnte.
       
 (IMG) Bild: Demonstration Der EVG vor dem Berliner Hauptbahnhof im März
       
       taz: Herr Neuß, die Eisenbahnergewerkschaft EVG hat beschlossen, eine
       Urabstimmung über unbefristete Streiks abzuhalten, statt ein
       Schlichtungsverfahren aufzunehmen. Wie beurteilen Sie die aktuelle
       Situation? 
       
       Detlef Neuß: Das Angebot der Deutschen Bahn ist ziemlich nah an den
       Vorstellungen der EVG, und die Verhandlungen waren sehr weit
       fortgeschritten. Was noch fehlt, hätte durchaus noch verhandelt werden
       können. Die DB zeigte sich weiter verhandlungsbereit, aber die EVG hat die
       Verhandlungen abgebrochen. Als Fahrgastverband stellen wir das Streikrecht
       nicht infrage, aber hier wäre noch Luft nach oben gewesen.
       
       Wäre ein unbefristeter Streik strategisch lohnenswert für die EVG? 
       
       Ob die EVG damit Tarifverbesserungen für ihre Mitglieder erreicht, sei
       dahingestellt. Dass die EVG hier eine so harte Linie zeigt, liegt auch
       daran, dass sie ihr Image ändern möchte und sich gegenüber der
       [1][Gewerkschaft Deutscher Lokführer] (GDL) profilieren will, die als
       härter gilt. Insofern ist die jetzige Situation auch wegen der Konkurrenz
       der zwei Gewerkschaften entstanden. Um Mitglieder anzuwerben und zu halten,
       ist es strategisch gut, sich als kampfbereit zu zeigen.
       
       Würde der Bahnverkehr durch einen unbefristeten Streik der EVG auf Dauer
       komplett lahmgelegt? 
       
       Es wird keinen Notfallplan geben, weil so etwas lange im Voraus geplant
       werden muss. Der Bahnverkehr wird demnach zumindest partiell lahmgelegt.
       Denn Mitglieder der GDL, mit der die Deutsche Bahn einen Tarifvertrag hat,
       würden das Schienennetz weiter betreiben können. Unter Umständen kann es
       aber auch zum Komplettausfall kommen. Das hängt davon ab, wie weit die EVG
       gehen möchte. Werden zum Beispiel Stellwerke bestreikt, können auch Züge
       von anderen Mobilitätsanbietern wie etwa Transdev nicht fahren und der
       gesamte Bahnverkehr wäre unterbrochen. Auf der eingleisigen Strecke
       zwischen Leipzig und [2][Chemnitz] muss zum Beispiel nur ein einziges
       Stellwerk bestreikt werden, um Chemnitz vom Fernverkehr abzuschneiden.
       
       Wie soll man sich als Fahrgast auf die Streiks einstellen? 
       
       Wir empfehlen, auf jeden Fall zu beobachten, ob Streiks angekündigt werden.
       Dann kann man vermeiden, die Bahn an diesen Tagen zu benutzen, und auf
       Alternativen umsteigen. Wie weit im Voraus das geschieht, lässt sich nicht
       sagen, aber bei den letzten Streiks wurden Arbeitnehmer berücksichtigt: Die
       Streiks wurden am Freitag angekündigt, sodass man sich mit seinen
       Arbeitgebern absprechen konnte. Dass Bahnen überfüllt sein werden durch die
       Streiks, ist klar. Allerdings wird es wegen der Option des [3][Homeoffice]
       wohl nicht so chaotisch wie früher. Von Familienausflügen und der
       Fahrradmitnahme rate ich an Streiktagen ab.
       
       Das Deutschlandticket ist seit eineinhalb Monaten erhältlich. Eigentlich
       sollte es mehr Menschen dazu bewegen, die Bahn zu benutzen … 
       
       Genau, deshalb wäre ein Streik der EVG fatal für die Verkehrswende. In
       Nordrhein-Westfalen beginnen jetzt die Schulferien, Familien planen
       möglicherweise, mit dem Zug in den Urlaub zu fahren. Gerade jetzt die Bahn
       durch Streiks unattraktiv zu machen erweist der Verkehrswende einen
       Bärendienst.
       
       22 Jun 2023
       
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