# taz.de -- Halbfinale der Champions League: Nachvollziehbare Erregung
       
       > Inter und der AC Mailand wechseln munter die Besitzer. Nun geht es
       > endlich wieder um großen Sport – um den Einzug ins
       > Champions-League-Finale.
       
 (IMG) Bild: Endlich wieder in Form: Inters Stürmer Romelu Lukaku (r.) kann es doch noch
       
       MAILAND taz | Ganz Mailand ist aufgewühlt. Sogar eine regelrechte
       Demonstration gab es zu vermelden. Mehr als 1.000 Tifosi des AC Mailand
       zogen am Sonntag vor die Tore der Stadt und versammelten sich am Sitz ihres
       Herzensvereins. Denn am Dienstagabend geht es um alles. Im sogenannten
       Euroderby kann der AC Mailand nicht nur den Stadtrivalen Inter bezwingen,
       sondern auch ins Finale in der Champions League einziehen. Den „Weg nach
       Istanbul“ verheißt ein Plakat über dem Eingangstor des ehrwürdigen
       Meazza-Stadions. In der türkischen Metropole wird im Juni das Finale der
       Champions League ausgetragen.
       
       [1][Dass ein Mailänder Verein dort die Hauptrolle spielen kann], ist lange
       her. 2010 erreichte Inter das Finale und gewann den Pott gegen völlig
       konsternierte Bayern. Beim AC Mailand datiert die letzte Finalteilnahme –
       ebenfalls mit einem Sieg gekrönt – gar auf 2007. Beim Triumph der Rossoneri
       war Paolo Maldini noch Kapitän. Jetzt ist der 54-jährige Technischer
       Direktor. Inter wurde durch Kapitän Javier Zanetti durch die Unwägbarkeiten
       der Champions League gelotst. Inzwischen ist der 49-jährige Argentinier
       Vizepräsident bei Inter.
       
       Die beiden Personalien zeigen nicht nur, dass Kontinuität in der
       Führungsspitze Sinn ergeben kann, gerade angesichts der teilweise
       turbulenten Besitzerwechsel beider Vereine. Inter wurde zweimal verkauft in
       den letzten zehn Jahren – und könnte wegen Finanzproblemen der
       Besitzerfamilie Zhang im heimischen China noch in diesem Jahr erneut über
       die Ladentheke gehen.
       
       Milan wurde in der letzten Dekade sogar dreimal abgegeben. Zunächst von
       Silvio Berlusconi an den chinesischen Unternehmer Yonghong Li. Dem nahm
       wegen nicht abgelöster Kredite der Investmentfonds Elliott den Klub ab und
       verkaufte ihn selbst weiter an den italo-amerikanischen Finanzier Gerry
       Cardinale. Der Deal wird allerdings von italienischen Staatsanwälten
       überprüft. Es gab sogar Razzien in den luxemburgischen Filialen von
       Elliott. Es geht also ziemlich turbulent zu, hinter den Kulissen.
       
       ## Angegraute Triumphe
       
       Die Personalien Maldini und Zanetti deuten aber vor allem an, wie lange
       europäische Fußballtriumphe der Klubs aus der Modehauptstadt Mailand schon
       her sind. Damals bezahlten die einheimischen Milliardäre [2][Silvio
       Berlusconi] (bei Milan) und Massimo Moratti (Inter) die fetten Spesen.
       
       Angesichts der arg angegrauten Triumphe ist die gegenwärtige Erregung
       völlig nachvollziehbar. Die Fans des AC Mailand wollten mit der
       Demonstration ihre Spieler aufrichten. Denn in den letzten Wochen lief es
       gar nicht mehr rund beim Meister der Vorsaison. Die Generalprobe für das
       Champions-League-Halbfinale ging mit einem 0:2 gegen Abstiegskandidat La
       Spezia völlig in die Hose. Auch das Halbfinalhinspiel gegen die Cousins von
       der anderen Stadthälfte war ja mit 0:2 verloren.
       
       „Pioli is on Fire“, sangen Fans und Spieler noch beim Titelgewinn vor
       Jahresfrist. Jetzt scheint nur noch Asche übrig. Und Stefano Pioli, der
       Erfolgscoach des letzten Jahres, fabriziert nur hohle Standardsätze. „Uns
       mangelt es an Kontinuität“, klagte er.
       
       ## „Big Rom“ endlich wieder groß
       
       Bei Inter herrscht hingegen vollkommen andere Stimmung. Gut, auch dort ist
       Kontinuität ein Fremdwort. Aber im Auf und Ab der aktuellen Saison ist
       gerade mal eine Hochphase an der Reihe. Das liegt vor allem daran, dass
       Mittelstürmer Romelu Lukaku sich endlich wieder in den Brecher verwandelt
       hat, der er in der letzten Meistersaison der Nerazzurri vor zwei Jahren
       war.
       
       Genau zu seinem 30. Geburtstag schoss er am Samstag Sassuolo Calcio mit
       zwei Treffern beim 4:2 fast im Alleingang ab. Es waren erst die Treffer
       sieben und acht in der laufenden Meisterschaft. In seinen früheren
       Spielzeiten bei Inter war er auf 23 und 24 Treffer gekommen.
       
       Aber „Big Rom“, wie sie ihn hier nennen, ist wenigstens zum richtigen
       Zeitpunkt wieder da. Mit fünf Siegen in Folge in der Serie A ist die
       Qualifikation für die Champions League im nächsten Jahr wieder in
       Reichweite gerückt. In der Coppa Italia winkt Ende Mai das Endspiel. Und
       dann ist ja noch das Extra in Istanbul.
       
       Der Stadtrivale hingegen ist in der Serie A auf Platz 5 abgerutscht und im
       nationalen Pokal gar nicht mehr dabei. Das Finale in Istanbul wird fast
       schon zur letzten Chance. Die Rossoneri gehen mit dem Rücken an der Wand
       ins Halbfinalrückspiel. Auch deshalb kamen die Fans zuhauf nach Milanello.
       Die Spieler nahmen es dankbar an und stimmten sogar in einige der Gesänge
       ein. Mal sehen, wer am Dienstag besser singt in San Siro, der sogenannten
       „Scala des Calcio“.
       
       16 May 2023
       
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