# taz.de -- Studierende demonstrieren in Hamburg: Leben unterhalb der Armutsgrenze
       
       > Mit einer hochschulübergreifenden Demo am Freitag wollen Studierende auf
       > Armut im Studium aufmerksam machen. Sie fordern finanzielle Entlastung.
       
 (IMG) Bild: Ein virulentes Problem auch anderswo: Banner bei einer Studierenden-Demo im Oktober 2022 in Rostock
       
       HAMBURG taz | Für Freitag rufen Studierende von Hamburger Hochschulen unter
       dem Motto „Leerer Bauch studiert nicht gern – soziale Verbesserungen
       sofort!“ zu einer Demonstration in der Hamburger Innenstadt auf. Sie
       fordern, dass das Studierendenwerk besser finanziert und das BAföG
       reformiert wird. Zudem wollen die Studierenden ein günstigeres
       Nahverkehrsticket erkämpfen.
       
       Die Lage der Studierenden [1][ist schon seit längerer Zeit prekär]: Mehr
       als jeder dritte Studierende war im Jahr 2021 in Deutschland
       armutsgefährdet. Das zeigt eine Erhebung des statistischen Bundesamtes.
       
       Aus diesem Grund hat der Fachschaftsrat Sozialwissenschaften der
       Universität Hamburg selbst von Ende Januar bis Ende Februar 2.191
       Studierende der Universität Hamburg befragt. Das Ergebnis: 72 Prozent der
       Studierenden, die allein oder ausschließlich unter Studierenden wohnen,
       leben unterhalb der Armutsgrenze.
       
       Die Ergebnisse der Befragung haben Hamburger Studierende im Mai bei einem
       Plenum diskutiert und Forderungen beschlossen. Am Freitag wollen
       Studierende aller Hamburger Hochschulen sie gemeinsam auf die Straße
       tragen.
       
       Im Demoaufruf heißt es, dass Studieren kein Privileg sei, sondern eine
       produktive Tätigkeit für die Entwicklung der Gesellschaft. Häufig werde
       aber nicht anerkannt, dass Armut unter Studierenden verbreitet ist, sagt
       Student Timo Hilker von der Hochschule für angewandte Wissenschaften
       Hamburg (HAW). „Sie wird entweder tabuisiert oder normalisiert. Von wegen:
       Studierende haben nun mal wenig Geld.“
       
       Die Forderungen nach [2][unbefristetem BAföG] für alle Studierenden und
       einer besseren Finanzierung des Studierendenwerks seien nicht unbedingt
       neu, erklärt Lilia Parchwitz. Auch sie ist Studentin an der HAW und
       beteiligt sich wie Hilker an der Demo-Planung. „Aber das zeigt ja, dass wir
       weiter für die Umsetzung kämpfen müssen.“ Deutschlandweit erhielten im Jahr
       2021 knapp 13 Prozent aller [3][vom Studierendenwerk für eine Erhebung
       Befragten] BAföG.
       
       Besonders ein vergünstigtes 49-Euro-Ticket halten die Studierenden vom
       Organisationsteam der Demo für schnell und einfach umsetzbar. „Es gibt das
       19-Euro-Ticket ja schon als Sozialticket und für Auszubildende. Warum nicht
       für Studierende – die auch mit wenig Geld zu kämpfen haben?“, fragt Student
       Hilker.
       
       Das 49-Euro-Ticket – auch Deutschlandticket genannt – ermöglicht es, im
       bundesweiten öffentlichen Nahverkehr unterwegs zu sein. Man zahlt monatlich
       49 Euro. Studierende, die aus Schleswig-Holstein oder Niedersachsen nach
       Hamburg pendeln müssen, könnten besonders vom Deutschlandticket
       profitieren, denn das Semesterticket gilt nur im Bereich des Hamburger
       Verkehrsverbundes. Aktuell kostet das für Studierende rund 30,80 Euro im
       Monat. Sie können es zum [4][Deutschlandticket] aufstocken – müssen aber
       dann die Differenz von knapp 19 Euro jeden Monat draufzahlen. Im Gegensatz
       zu Auszubildenden und Sozialhilfeempfänger*innen sind Studierende
       in Hamburg bislang vom 19-Euro-Sozialticket ausgenommen.
       
       Die Hamburger Verkehrsbehörde erklärt auf Anfrage, dass man immer noch auf
       eine bundesweite Lösung warte: „In einem Beschluss der
       Verkehrsministerinnen und Minister der Länder im März wurde festgehalten,
       dass es auf Basis des Deutschland-Tickets ein vergünstigtes
       bundeseinheitliches Semesterticket geben soll.“ Derzeit würden noch
       Gespräche zwischen Bund und Ländern laufen. Wann das sogenannte Soli-Ticket
       kommt, ist bislang noch nicht bekannt.
       
       Für Freitag sind rund 3.000 Menschen angemeldet, so Parchwitz. Die Demo
       soll um 15 Uhr am Berliner Tor und am Dammtor starten. Zum Abschluss ist
       eine Kundgebung am Gänsemarkt geplant.
       
       29 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Armut-unter-Studierenden/!5933566
 (DIR) [2] /Armut-unter-Studierenden/!5924753
 (DIR) [3] /Sozialerhebung-des-Studierendenwerkes/!5933502
 (DIR) [4] /Kritik-am-neuen-OePNV-Angebot/!5939102
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Emily Kietsch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Studierende
 (DIR) Schwerpunkt Armut
 (DIR) Studium
 (DIR) Bafög
 (DIR) Studium
 (DIR) Kolumne Schnelle Brille 
 (DIR) Erasmus
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Arbeiter
 (DIR) Schwerpunkt Armut
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Studien-Bedingungen in Hamburg: Nur Eintopf bleibt günstig
       
       Hamburg erhöht Mensa-Preise und die Beiträge fürs Studierendenwerk. Die
       Stadt hat den Zuschuss erhöht, aber das gleicht frühere Kürzungen nicht
       aus.
       
 (DIR) Geldnot im Studium: Studieren im Tal der Allesfresser
       
       Ein Studium ist nicht für alle gleich leicht. Unsere Autorin kennt die
       Hürden, die sich ständig auftun, wenn man sich nicht selbst finanzieren
       kann.
       
 (DIR) Geringe Förderung bei ERASMUS+-Programm: Studis mit Mönch-Lebensstil
       
       Student*innen des Austauschprogramms Erasmus+ erhalten oft viel zu wenig
       Geld. Eine neue Initiative wirbt im EU-Parlament für Veränderung.
       
 (DIR) Von Armut betroffene Menschen: „Man möchte dieses Leben nicht“
       
       Genoveva Jäckle ist 28 und hat bereits 20 Jahre Armutserfahrung. Ihr Alltag
       ist von amtlicher Kontrolle bestimmt, ihr Studium hat sie abgebrochen.
       
 (DIR) Expertin über soziale Ungleichheit: „Mir wurde gesagt, ich bin zu laut“
       
       Arbeiterkinder werden oft in soziale Schubladen gesteckt. Katja Urbatsch
       ist Mitgründerin der Plattform Arbeiterkind.de und kennt die unsichtbaren
       Hürden.
       
 (DIR) Armut unter Studierenden: Von der Intensiv in den Hörsaal
       
       Wegen der hohen Inflation sind heute so viele Studierende armutsgefährdet
       wie lange nicht. Die versprochene zweite BAföG-Reform lässt auf sich
       warten.