# taz.de -- Studie über Tempolimit: Argumente der Autolobby enttarnt
       
       > Ohne Tempolimit würden Reisezeitkosten gespart, behauptet die Autolobby.
       > Ein internationales Team von Forscher:innen widerlegt diese Aussage.
       
 (IMG) Bild: Weniger Autos und mehr pünktliche Züge würden die Reisezeiten auf jeden Fall verkürzen
       
       Deutschland ist das einzige Land in der Europäischen Union ohne
       Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen. Ein wichtiges Argument für die
       freie Fahrt: Ein Auto erreicht sein Ziel später, wenn es langsamer fährt.
       Das bedeutet einen wirtschaftlichen Nachteil in Form von Reisezeitkosten.
       Andererseits: Wer schneller fährt, der belastet die Umwelt. Und es kann
       Leben kosten.
       
       Schnelles Fahren führt zu mehr Fahrten 
       
       Ein internationales Team von Forschenden untersuchte die Kosten und Nutzen
       eines Tempolimits von 130 km/h. [1][Ihre Studie] ist im Fachjournal
       Ecological Economics erschienen. Laut den Autor:innen führt schnelles
       Fahren eher zu mehr Fahrten, weil das sogenannte Reisezeitbudget gleich
       bleibt. Die Ersparnis von Reisezeitkosten sei also gar nicht gegeben.
       
       Ohne Tempolimit gebe es außerdem mehr Luftverschmutzung, mehr Unfälle,
       Staus und Wartung, auch Brücken oder Autobahnen müssten häufiger saniert
       werden. Das verursache höhere Kosten.
       
       Auch die sogenannten indirekten Emissionen würden unterschätzt. Zum
       Beispiel könnten die durchschnittliche Motorleistung oder das Autogewicht
       durch ein Tempolimit verringert werden. Und wenn Autos künftig nicht mehr
       als 130 km/h fahren, könnten sie leichter gebaut werden und bräuchten so
       weniger Kraftstoff. Auch der Einsatz von sparsameren Reifen und Bremsen
       wäre möglich.
       
       Dass es in Deutschland kein Tempolimit gibt, geht auf die 1930er Jahre
       zurück. James J. Flink deutet in seinem Buch „Automobilzeitalter“ aus dem
       Jahr 1990 an, dass Hitler besessen von Autos und Geschwindigkeit gewesen
       sei. Laut Studie setzt sich diese Haltung bis heute fort: In Deutschland
       findet die größte Automobilmesse statt, fünf erfolgreiche Autobauer sitzen
       hier. [2][„Die Rechte der Fahrer dürfen nicht eingeschränkt werden“], laute
       das Credo der Autolobby, so die Autor:innen.
       
       Dabei befürwortet die Mehrheit der Bevölkerung ein Tempolimit. [3][In einer
       repräsentativen Forsa-Umfrage] von 2022 waren 63 Prozent der Befragten für
       eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h.
       
       ## 950 Millionen Euro einsparbar
       
       Die Forschenden enttarnen Argumente der Autolobby: Rasen spart nämlich
       keine Reisekosten. Außerdem argumentiere der Verband der Deutschen
       Automobilindustrie unverständlich und irreführend, heißt es in dem Papier.
       So behaupte man, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen nur einen
       [4][„vernachlässigbaren Klimaschutzeffekt“] hätten. Den niedrigsten
       Schätzungen der Studie zufolge könnten pro Jahr in Deutschland durch ein
       Tempolimit aber 950 Millionen Euro und 1,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente
       eingespart werden.
       
       Anhand ihrer Ergebnisse fordern die Autor:innen, dass Zeitgewinne, also
       wirtschaftliche Belange, nicht gleichbedeutend mit Gesundheitskosten durch
       Luftverschmutzung diskutiert werden. Zuletzt hatte die Europäische
       Umweltagentur darauf hingewiesen, dass europaweit [5][jährlich 1.200 Kinder
       und Jugendliche] vorzeitig an den Folgen schlechter Luft sterben.
       
       21 May 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0921800923001131?via%3Dihub
 (DIR) [2] /Verkehr-und-Klima/!5907386
 (DIR) [3] https://targobank-magazin.de/wp-content/uploads/2022/03/TARGOBANK_Forsa-Autostudie2022_Info-Charts.pdf
 (DIR) [4] /Aktivistinnen-sprechen-mit-Wissing/!5928576
 (DIR) [5] /Toedliche-Luftverschmutzung/!5927393
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sean-Elias Ansa
       
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