# taz.de -- Rassismus im Fußball: Wütender Fingerzeig
       
       > Real Madrids Vinícius Júnior wird erneut rassistisch beleidigt. Bei allem
       > Entsetzen ebbt auch die Kritik an dessen Verhalten auf dem Feld nicht ab.
       
 (IMG) Bild: Kaum zu halten: Vinícius Júnior zeigt in die Richtung, aus der er rassistisch beleidigt worden ist
       
       BARCELONA taz | Vinícius Júnior, seine Capricen und der Rassismus gegen
       ihn: Das Thema dominiert den spanischen Fußball schon die ganze Saison.
       Doch so heftig wie am Sonntag bei Real Madrids 0:1 in Valencia war es noch
       nie. Selbst ein besonnener Charakter wie Carlo Ancelotti wollte danach
       „nicht über Fußball sprechen“. Der italienische Real-Trainer erklärte: „So
       etwas habe ich noch nie erlebt. Nach seiner Roten Karte hat ihn (Vinícius,
       d. Red.) das ganze Stadion einen Affen gerufen.“
       
       In Wirklichkeit verunglimpfte das Publikum im Estadio Mestalla den
       brasilianischen Außenstürmer in jenem Moment zwar massenhaft als Dummkopf
       („tonto“) und nicht als Affen („mono“), weshalb Ancelotti seine Anklage
       später modifizierte und in einem Tweet nur noch von einer „Gruppe Fans“
       schrieb. Aber die hatte es definitiv gegeben.
       
       Vinícius persönlich wies den Schiedsrichter auf sie hin, die Partie wurde
       protokollgemäß unterbrochen, zwei Schreihälse identifiziert. Auch bei
       Ankunft des Madrider Mannschaftsbusses am Stadion ertönte aus dem Fanpulk
       heraus [1][die Beleidigung, die im Herbst der Chef der spanischen
       Fußballberatervereinigung in die schon länger schwelende Debatte um
       Vinícius bisweilen provokantes Verhalten auf dem Platz eingeführt hatte].
       
       Sogleich wurde sie durch Anhänger von Atlético Madrid beim folgenden Derby
       wiedergekäut. Damals sorgte das bis hin zu Premierminister Pedro Sánchez
       für einen routinemäßigen Aufschrei, doch passiert ist seither wenig bis gar
       nichts.
       
       So sieht es Vínícius selber, der in den sozialen Netzwerken eine furiose
       Attacke auf Liga, Land und Leute lancierte: „Der Siegerpreis für die
       Rassisten war mein Platzverweis. Es ist nicht Fußball, es ist LaLiga.“
       Letzterer Satz ist der Werbeslogan des Championats. Später fügte er hinzu:
       „In Brasilien hält man Spanien für ein Land von Rassisten.“
       
       ## Rechtsoffener Ligachef
       
       Wie die Hälfte der Brasilianer für ihren [2][Ex-Präsidenten Jair
       Bolsonaro], so hat auch Ligachef Javier Tebas schon mal offen politische
       Sympathien für die Rechtspopulisten geäußert. Mit Rassismus will er sich
       aber nicht in Verbindung bringen lassen. [3][Man gehe „mit aller Härte“
       dagegen vor] und habe diese Saison „neun Fälle von rassistischen
       Beleidigungen (davon acht gegen Vinícius)“ zur Anzeige gebracht.
       
       Vinícius solle sich „besser informieren“, außerdem sei er zu zwei Treffen,
       die er selbst zur Frage des Umgangs mit dem Problem angeregt habe, nicht
       erschienen. „Ich bin nicht dein Kumpel, um über Rassismus zu sprechen, ich
       möchte Aktion und Strafen“, konterte Vinícius daraufhin: „Einmal mehr
       attackiert der Ligapräsident mich, statt die Rassisten zu kritisieren.“
       Seine Berateragentur TFM verglich den Spieler am Montag in einem Statement
       gar mit George Floyd, dem Todesopfer rassistischer Polizeigewalt in den
       USA.
       
       Trainer Ancelotti hatte im Herbst noch erklärt: „In Spanien sehe ich keinen
       Rassismus.“ In Mestalla nun habe er erstmals in seiner fast 30-jährigen
       Trainerkarriere einen Spieler gefragt, ob er unter den Bedingungen eines so
       feindlichen Ambientes weiter auf dem Platz bleiben wollte. Vinícius wollte
       und wurde in der Nachspielzeit auf Intervention des VAR für eine
       Tätlichkeit vom Platz gestellt. Er verabschiedete sich mit höhnischem
       Applaus für den Schiedsrichter und zwei gestreckten Fingern in Richtung
       Publikum. Zwei für die Zweite Liga: Valencia steckt im Abstiegskampf.
       
       ## Kann keine rassistischen Entgleisungen rechtfertigen
       
       „Unerträglich (alles)“ titelte anderntags die Sportzeitung Marca und
       kommentierte: „Die rassistischen Beleidigungen sind zu viel und die Gesten
       von Vinícius auch.“ Ähnlich leitartikelte As über einen Vinícius, der
       „beherzt“ gegen die Rassisten aufgetreten sei, aber „unmöglich“ bei seinem
       Abgang vom Platz.
       
       Beide Blätter stehen Real Madrid nahe, und auch im Verein selbst bestreiten
       nur wenige, dass der 22-Jährige sein Verhalten auf dem Platz verbessern
       muss – wegen seiner Kabbeleien mit Gegenspielern und den Schiedsrichtern
       flirtet er in jedem Match mit der Roten Karte. All das mag auch erklären,
       warum kein anderer Spieler der Liga auf gegnerischen Plätzen so unbeliebt
       ist wie Vinícius. Nur: Rassistische Entgleisungen rechtfertigen kann es
       nicht.
       
       22 May 2023
       
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