# taz.de -- Israels Regierung geht gegen NGOs vor: Spenden? Nur aus dem Inland!
       
       > Israels Regierung will Spenden aus dem Ausland an Zivilorganisationen
       > künftig hoch besteuern. Kritiker sehen Ähnlichkeiten zu Ungarn und
       > Russland.
       
 (IMG) Bild: Mitarbeiter der israelischen Menschenrechtsorganisation „Breaking the Silence“ in Tel Aviv
       
       TEL AVIV taz | Die israelische Regierung will Spenden von ausländischen
       Regierungen an israelische Menschenrechtsorganisationen künftig mit 65
       Prozent besteuern. Am Sonntag soll dieses geplante Gesetz im
       Justizausschuss diskutiert werden.
       
       Der Gesetzesentwurf sieht Folgendes vor: Jede gemeinnützige Organisation,
       die sich in einem Zeitraum von zwei Jahren vor oder nach Erhalt einer
       Spende durch eine ausländische Regierung in der Öffentlichkeit engagiert,
       verliert ihren Status als öffentliche Einrichtung. Dadurch kommt sie nicht
       mehr für Steuerbefreiungen in Frage, darüber hinaus werden diese
       gemeinnützigen Organisationen mit einer 65-prozentigen Einkommensteuer
       belastet.
       
       Treffen würde ein solches Gesetz vor allem [1][kritische und linke
       Nichtregierungsorganisationen], die in Israel und im Westjordanland aktiv
       sind. Die meisten von ihnen sind von Spenden aus dem Ausland und von
       ausländischen Regierungen abhängig.
       
       Sollte das Gesetz verabschiedet werden, dürfte dies das Ende für viele
       dieser Organisationen bedeuten, andere werden erhebliche Schwierigkeiten
       haben, ihr Tagesgeschäft aufrecht zu erhalten. Rechtsgerichtete
       Nichtregierungsorganisationen würden von der Besteuerung weniger behindert.
       Denn diese erhalten in der Regel von Privatpersonen oder rechten Stiftungen
       ihre Gelder, nicht von ausländischen Regierungen.
       
       ## Harsche Kritik von der US-Regierung
       
       „Das Gesetz soll Meinungsfreiheit und die Verteidigung von Menschenrechten
       einschränken“, sagt Ori Givati, Sprecher der besatzungskritischen
       Nichtregierungsorganisation Breaking the Silence. Doch Givati sieht das
       Gesetz auch als Angriff auf die Zivilgesellschaft als solche: „Das Gesetz
       ist Teil der sogenannten [2][Justizreform]. Die Regierung will
       uneingeschränkte Macht – und was ihre Macht derzeit einschränkt, ist die
       Zivilgesellschaft.“
       
       Aus den USA kommt harsche Kritik an dem geplanten Gesetz.
       Nichtregierungsorganisationen seien „entscheidend für eine demokratische
       und reaktionsfähige transparente Regierung“, erklärte der Sprecher des
       US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Mittwoch.
       
       Auch der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, zeigte sich
       „extrem besorgt“ angesichts des Gesetzentwurfs: „Lebendige und ungehinderte
       Beziehungen zwischen Zivilgesellschaften“ seien „in unseren liberalen
       Demokratien von wesentlicher Bedeutung“. Viele Kritiker*innen dieses
       Gesetzes und der gesamten Justizreform ziehen außerdem Parallelen zu
       antidemokratischen Entwicklungen in [3][Ungarn] und [4][Russland].
       
       Der Gesetzentwurf war eines der Versprechen, die Ministerpräsident Benjamin
       Netanjahu der Partei Jüdische Kraft unter dem rechtsextremen Minister für
       Nationale Sicherheit, [5][Itamar Ben Gvir], in einer Koalitionsvereinbarung
       Ende letzten Jahres gegeben hatte.
       
       Der Kampf gegen Menschenrechtsorganisationen und deren Finanzierung aus dem
       Ausland ist nicht neu. Israel wirft anderen Ländern immer wieder vor,
       kritische Zivilorganisationen zu finanzieren. 2016 verabschiedete die
       damalige israelische Regierung, ebenfalls unter Netanjahu, das
       NGO-Transparenz-Gesetz. Wer mehr als die Hälfte seiner Zuwendungen aus
       ausländischen Quellen bezieht, muss dies seitdem auf sämtlichen
       Publikationen kennzeichnen und es dem Staat melden.
       
       Auch deutsche politische Stiftungen wären direkt oder indirekt von dem
       Gesetz betroffen. Gil Shohat, Direktor der [6][Rosa-Luxemburg-Stiftung in
       Tel Aviv], hofft auf eine Übereinkunft auf politischer Ebene:
       „Internationale Bemühungen dürften jetzt entscheidend sein.“
       
       25 May 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Zivilgesellschaft-in-Nahost/!5554293
 (DIR) [2] /Justizreform-in-Israel/!5931180
 (DIR) [3] /NGOs-in-Ungarn-unter-Druck/!5032956
 (DIR) [4] /Menschenrechtsorganisation-in-Russland/!5900865
 (DIR) [5] /Rechtsextremer-Minister-Ben-Gvir/!5932725
 (DIR) [6] https://rosalux.org.il/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Judith Poppe
       
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