# taz.de -- Kirchentag ringt um Waffenlieferungen: Mehr als nur Gebete
       
       > Waffen für Kyjiw sind die große Kontroverse auf dem Kirchentag.
       > Steinmeier ist dafür, der Friedensbeauftragte der EKD dagegen.
       
 (IMG) Bild: „Es ist auch Zeit für Waffen“, sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Eröffnungsrede
       
       NÜRNBERG UND BERLIN taz | Pawlo Schwarz tritt mit einem
       bescheiden-pastoralen Lächeln auf die Bühne der Stephanus-Kirche in
       Nürnberg. Er ist Bischof der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche der
       [1][Ukraine], aus Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes. Mit
       hellblauem Hemd mit Kollar, einer dunklen Hose, mit kurzen Haaren und einem
       sauber rasierten Bart. Nur eine einfache, silberne Uhr schmückt sein
       Handgelenk. In der tragenden Atmosphäre der reichgeschmückten Nürnberger
       Kirche wirkt er wie ein laufendes lutheranisches Understatement.
       
       Auch seine Familie ist da. Am Vortag waren sie im Lego-Park, erzählt
       Michael Wolf, Referent für Kirchenentwicklung in der bayrischen
       Landeskirche. Er war selbst drei Jahre auf der Krim, „als sie noch
       ukrainisch war“. Wolf spricht über die schweren „humanitären
       Herausforderungen in diesem schrecklichen Angriffskrieg“. Bischof Schwarz
       nickt besonnen.
       
       Sprechen wird er gleich über das Wunder der Hochzeit zu Kana – wie Jesus
       Wasser zu Wein machte. Er fängt seine Bibelarbeit an, wie es die Gemeinden
       in der Ukraine jeden Morgen tun: mit einer Schweigeminute. Zeit, denen zu
       gedenken, die nicht mehr bei uns sind. Zeit, für die Gefallenen zu beten.
       Immer wieder betont er die Gemeinsamkeiten und bringt die Menschen mit
       Fragen zum Lachen: Wer nicht gern die Kraft haben würde, Wasser zu Wein zu
       verwandeln. „Ich habe keine Ahnung, wann der Krieg zu Ende ist, aber ich
       bin dankbar für eure Unterstützung“, sagt er, ohne sein Lächeln zu
       verlieren.
       
       In den vergangenen Tagen hat sich die Lage in der Ukraine nochmals
       verschärft. Nach der [2][gezielten Sprengung des Kachowka-Staudamms] öffnen
       die Gemeinden im Osten des Landes ihre Türen für Betroffene. Menschen, die
       seit Langem in besetzten Gebieten leben, verlieren ihre Häuser.
       
       ## Beten unter Beschuss
       
       Die Gemeinden, sagt Schwarz, machen selbst im Kriegsgebiet, selbst unter
       Beschuss weiter: „Die Situation in der Ukraine ist sehr schwer, weil der
       Krieg schwer ist. Eine unserer Gemeinden befindet sich unter Besatzung.
       Viele sind geflüchtet, auch nach Deutschland.“
       
       Man könne lange darüber sprechen, wie es ist, unter Besatzung zu leben,
       aber ihm ginge es trotz aller dieser Geschichten darum, was die Kirche und
       der Glauben konkret bewirken können. „Dieser Krieg hat dem Glauben die
       Möglichkeit gegeben, eine starke Stütze in der Not zu sein. Er hat uns die
       Möglichkeit gegeben zu spüren, dass wir Teil einer großen Gemeinschaft
       sind, in der wir anderen dienen können.“
       
       Die Evangelische Kirche in Deutschland verurteilt den russischen
       Angriffskrieg und ist für das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine. Ob
       Waffenlieferungen, auch aus Deutschland, der richtige Weg zum Frieden sind,
       darüber herrschen indes geteilte Meinungen. Auf dem Kirchentag wird dieser
       Frage daher viel Raum gegeben.
       
       ## „Es ist auch Zeit für Waffen“
       
       Am Freitag etwa trifft Deutschlands oberster Soldat, der Generalinspekteur
       der Bundeswehr Carsten Breuer, auf den Friedensbeauftragten der EKD,
       Bischof Friedrich Kramer, der sich gegen Waffenlieferungen ausgesprochen
       hat. Auch sonst versammeln sich auf dem Kirchentag eher
       Rüstungsgegner:innen als Befürworter:innen.
       
       Für Irritationen hatte daher die Ansage von Bundespräsident Frank-Walter
       Steinmeier am Mittwochabend gesorgt: [3][„Neben all den anderen
       Anstrengungen, es ist auch Zeit für Waffen.“] Er bekam Zwischenrufe – und
       Applaus.
       
       Die ukrainischen Lutheraner setzen sich anders für den Frieden ein: Sie
       beten „für die Vertreibung des Aggressors“ und für die Zuführung gerechter
       Strafen, dazu rufen sie zum Militärdienst auf. Aber auch die diakonische
       Arbeit ist zentral: Seit Beginn des Angriffskriegs sammeln die Gemeinden
       Lebensmittel und organisieren Hilfstransporte. Sie versorgen Geflüchtete
       und organisieren Unterkünfte.
       
       Trotzdem müssen sie angesichts des Leids bescheiden bleiben. Ob Menschen
       das Reich Gottes auf Erden aufbauen können, müssten Evangelisch-Lutherische
       immer verneinen, so Schwarz – sie seien Sünder. „Aber in der Praxis können
       wir es versuchen, um das Reich Gottes näher zu holen“.
       
       8 Jun 2023
       
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