# taz.de -- Evangelischer Kirchentag in Nürnberg: Krise, Krieg und Gottvertrauen
       
       > Zehntausende Menschen sind zum Evangelischen Kirchentag gereist. Zentrale
       > Themen: Der Krieg in der Ukraine, Waffenlieferungen und Klimakrise.
       
 (IMG) Bild: Sonne im Gottesdienst: Das Programmheft taugt was!
       
       NÜRNBERG taz/epd | Auch die Evangelische Kirche muss Antworten finden auf
       die hohe Zahl an Kirchenaustritten. Aber zugegeben, daran denkt man zum
       Auftakt [1][des Evangelischen Kirchentags] in Nürnberg zunächst nicht mehr.
       Hier sieht man ja auch überall viele Christ*innen: am Bahnhof suchen
       angereiste Großgruppen gemeinsam auf dem Stadtplan ihre Unterkunft, die
       Gassen in der Altstadt sind gefüllt mit Menschen, die den grün-gelben
       Kirchentagschal tragen. „Jetzt ist die Zeit“ steht darauf. Mit ihrer
       Ankunft beginnt in Nürnberg der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag.
       
       Mehr als 60.000 Tickets wurden verkauft, über 2.000 Veranstaltungen wird es
       in den fünf Tagen geben. Neben Diskussionsveranstaltungen, mit
       Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock oder der
       Klimaaktivistin Luisa Neubauer, werden viele gemeinsame Gottesdienste
       gefeiert.
       
       ## Eröffnungsgottesdienst für alle
       
       Damit wurde der Kirchentag am Mittwochabend in Nürnberg auch eröffnet. Am
       Kornmarkt knallte den Christ*innen in der Nürnberger Innenstadt die
       Abendsonne in die Gesichter. Dass einige nicht zum ersten Mal dabei sind,
       zeigt ihre gute Vorbereitung: Sonnenhüte, Sonnenbrille, Klappstuhl. Andere
       halten sich ihr Programmheft leicht angestrengt über den Kopf.
       
       Auf der Bühne auf dem Hauptmarkt treten die Promis auf, etwa der ehemalige
       Bundesinnenminister und Kirchentagspräsident Thomas de Maizière oder der
       Münchner Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Beim Abschlussabend des
       Eröffnungstages spricht Steinmeier direkt ein heikles Thema an, [2][das auf
       dem Kirchentag allgegenwärtig sein wird]. Seit mehr als einem Jahr tobt der
       brutale Krieg in der Ukraine. Deutschland zählt mit zu den größten
       Waffenlieferanten. Ist dies [3][verantwortbar mit einer christlichen
       Friedensethik?]
       
       Der Bundespräsident verteidigt auf dem Kirchentag die Unterstützung der
       Ukraine mit Waffen. „Auch ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich
       einmal sagen würde: Neben all den anderen Anstrengungen, es ist auch Zeit
       für Waffen“, sagte er. Die Bilder und Nachrichten aus der Ukraine seien
       unerträglich. „Aber wir dürfen nicht so tun, als gäbe es einfache
       Lösungen.“ „Wenn Russland seine Soldaten zurückzieht, dann ist der Krieg zu
       Ende. Wenn die Ukraine ihre Verteidigung einstellt, dann ist das das Ende
       der Ukraine“, so Steinmeier.
       
       Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bezog sich beim Freiluft-Gottesdienst
       vor allem auf die Klimakrise: „Mit der ökologischen Umorientierung von
       Wirtschaft und Gesellschaft geht es viel zu langsam. Das Klima droht zu
       kippen.“ Vom Nürnberger Kirchentag mit der biblischen Losung „Jetzt ist die
       Zeit“ solle eine klare Botschaft ausgehen: „Ja, wir wollen unser Leben neu
       ausrichten.“ Das Glück der Menschen dürfe nicht mehr am Wachstum des
       materiellen Wohlstands festgemacht werden.
       
       ## Anspruch Barrierearmut
       
       An der Hauptbühne geht es um große Politik. Nebendran am Kornmarkt um
       Politik im Kleinen – aber vor allem um den Anspruch, eine politische
       Haltung in die Tat umzusetzen. Der kleine Gottesdienst will alle ansprechen
       und ist komplett in leichter Sprache gehalten. Das bedeutet: kürzere Sätze,
       einfache Wörter, eine klare Struktur. Es ist eine Möglichkeit, um
       Barrierefreiheit zu schaffen und den Gottesdienst für alle Menschen
       zugänglich zu machen. Das ist inklusiv, zum Beispiel für Menschen mit einer
       Leseschwäche, Lernschwierigkeiten, einer kognitiven Behinderung oder wenig
       Deutschkenntnissen.
       
       Dass der Evangelische Kirchentag sein barrierearmes Konzept wirklich
       durchdacht hat, merkt man hier auch an anderen Stellen:
       Gebärdendolmetscherinnen übersetzen das gesprochene Wort, eine Gruppe von
       Menschen übersetzt auf der Bühne außerdem wie ein zusätzlicher Chor jedes
       gesungene Lied in Gebärden. Alle Texte werden dazu auf großen Leinwänden
       mit Untertiteln eingeblendet.
       
       Mit dabei ist auch die Theologin und Schriftstellerin Christina Brudereck
       aus Essen. Gegenüber der taz erzählt Brudereck, dass sie sich vor den
       Vorbereitungen für den Gottesdienst noch nie mit leichter Sprache
       beschäftig habe: „Aber ich habe das Anliegen dann zu meinem gemacht.“ Die
       Rückmeldungen auf ihre Predigt beim Eröffnungsgottesdienst sind positiv:
       „Ich finde, das Experiment ist gut gelungen. Ich habe zum Beispiel Feedback
       bekommen von mehreren Personen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Sie
       haben sich herzlich bedankt“, so Brudereck.
       
       Die Stimmung bei dem Gottesdienst herzlich, entspannt. Wie viel Arbeit
       nicht nur in diesem [4][inklusiven Gottesdienst], sondern in der gesamten
       Koordination steckt, merkt man den Menschen auf der Bühne nicht an. Im
       Anschluss an den Gottesdienst kann man es aber erahnen: „Und, bist du noch
       bei einem Getränk dabei?“, fragt eine Freiwillige eine weitere: „Nee du.
       Ich muss ganz dringend schlafen.“
       
       Nach vier Jahren treffen sich in Nürnberg Teilnehmer*innen erstmals
       wieder live zu einem Kirchentag. 2019 zog der [5][Kirchentag in Dortmund]
       rund 120.000 Menschen an. 2021 fand ein Ökumenischer Kirchentag in
       Frankfurt am Main wegen der Coronapandemie weitgehend digital statt.
       
       8 Jun 2023
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Linda Gerner
       
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