# taz.de -- Erinnern an Opfer rechter Gewalt: „Die Täter haben ihn gequält“
       
       > Vor 30 Jahren wurde Horst Hennersdorf ermordet, erst seit 2015 führt
       > Brandenburg ihn als Opfer rechter Gewalt. Eine Initiative erinnert nun an
       > ihn.
       
 (IMG) Bild: Im Parkclub Fürstenwalde zeigt die Initiative nun eine Aussstellung zu Opfern rechter Gewalt
       
       taz: Frau Gutekunst, warum interessieren Sie sich für den Mord an Horst
       Hennersdorf vor 30 Jahren? 
       
       Cordula Gutekunst: Vor gut einem Jahr bin ich aus Rostock nach Fürstenwalde
       gezogen. Ich hatte mich schon in Rostock mit den „Baseballschlägerjahren“
       beschäftigt, mit rechter Gewalt in den 1990ern in Deutschland. Deshalb habe
       ich nachgeforscht, was in den 90ern in Fürstenwalde passiert ist. Und da
       bin ich auf den Mord an Horst Hennersdorf gestoßen.
       
       Wer war Horst Hennersdorf? 
       
       Über sein Leben ist ganz wenig bekannt. Leider. Geboren wurde er am 25.
       Juni 1955, ich weiß nicht mal, wo. Freunde sollen ihn „Horstel“ genannt
       haben. Das war es auch schon fast. Wir haben versucht, herauszufinden, ob
       es noch Angehörige gibt, aber bisher keine gefunden. Und wir sind gespannt,
       ob zu unserer Veranstaltung zum 30. Todestag vielleicht Menschen kommen,
       die ihn gekannt haben.
       
       Wie ist er gestorben? 
       
       [1][Er wurde am 5. Juni 1993 ermordet.] Er war 37 Jahre alt. Die Täter,
       beide männlich, waren 15 und 21 Jahre alt. Sie haben ihn davor fünf Stunden
       lang gequält. Horst Hennersdorf war an dem Tag bei den beiden zu Gast, sie
       kannten sich, und er hat sich dort wohl ab und an aufgehalten. Er war
       damals wohnungslos. An dem Tag gab es Streit, die Täter haben ihn als
       „Schnorrer“ bezeichnet, der sich „überall durchschlauche“. Sie haben ihn
       verprügelt und getreten, auch als er schon am Boden lag, haben sie nicht
       abgelassen, sind auf seinem Oberkörper herumgesprungen, haben auf ihn
       uriniert und ihn mit Fäkalien übergossen. Bis sie gemerkt haben, dass er
       nicht mehr atmet. Es waren auch zwei Frauen anwesend, sie haben die Täter
       wohl gebeten, aufzuhören, sind aber nicht eingeschritten. Danach haben die
       Täter ihn erst im Geräteschuppen versteckt und später in einem Wald
       verscharrt, wo Kinder zwei Wochen später auf seine Leiche gestoßen sind.
       
       Warum gilt er als Opfer rechter Gewalt? 
       
       Erst seit 2015 hat das Land Brandenburg [2][seinen Tod als politisch rechts
       motiviert anerkannt]. Im Mordprozess spielte die rechte Gesinnung der Täter
       noch keine Rolle: Das Landgericht Frankfurt (Oder) hatte sie 1994 wegen
       „Körperverletzung mit Todesfolge“ verurteilt. Die Täter haben sich im
       Prozess rassistisch und „sozialdarwinistisch“ geäußert. [3][Sie haben
       Hennersdorf als „niederen Menschen“ bezeichnet] und deutlich gemacht, dass
       sie ihn als minderwertig betrachtet haben. Mir ist völlig rätselhaft, wie
       das Gericht damals da kein rechtes Tatmotiv erkannt hat.
       
       Wie war es in den 1990ern in Fürstenwalde? 
       
       Da ich selbst erst 1993 geboren bin, weiß ich das nur aus Erzählungen und
       dem, was ich darüber gelesen habe. Es gab dort Überfälle auf die linke
       Jugend und Angriffe auf offener Straße auf Geflüchtete. Auch von
       Schaulustigen, die das mitangesehen haben, habe ich gelesen. Fürstenwalde
       Nord galt als sogenannte „national befreite Zone“, da war es für Linke und
       People of Colour besonders gefährlich. Aber es gab auch Solidarität: Bei
       einem drohenden Angriff der Nazis auf ein Heim für Geflüchtete haben sich
       Bürger*innen und der Bürgermeister damals schützend vor dem Heim
       versammelt. Die Polizei hat den Nazis den Weg über die Brücke dorthin
       versperrt, so dass es zu keinem Angriff kam.
       
       Und heute? 
       
       Ich bin ja noch nicht so lange hier, aber mir fällt auf, dass die Menschen
       sehr nebeneinander herleben. Im Parkclub habe ich politisch Gleichgesinnte
       gefunden. Aber man muss sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzen,
       wenn man nicht will. Mir gefällt dieses „Leben und Leben lassen“ aber gar
       nicht so gut, ich würde mir mehr Kontaktpunkte und politische
       Auseinandersetzung wünschen.
       
       Wie wird denn bisher in Fürstenwalde an Horst Hennersdorf erinnert? 
       
       Das ist ja das Traurige: Gar nicht. 2018, zum 25. Todestag, hatten die
       Linken mal einen Antrag für einen Gedenkort an ihn eingebracht. Daraus
       wurde bisher nichts. Wir haben aber nun die Kontakte zur [4][Amadeu
       Antonio-Stiftung] und zur [5][Opferperspektive Brandenburg], wir wollen auf
       jeden Fall weitermachen und auch in den kommenden Jahren an seine Ermordung
       erinnern. Auf lange Sicht wünschen wir uns einen dauerhaften Gedenkort.
       
       3 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://todesopfer-rechter-gewalt-in-brandenburg.de/horst-hennersdorf/
 (DIR) [2] /Brandenburg-ueberprueft-Kriminalstatistik/!5207995
 (DIR) [3] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-09/todesopfer-rechte-gewalt/seite-5
 (DIR) [4] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/
 (DIR) [5] https://www.opferperspektive.de/verein/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uta Schleiermacher
       
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