# taz.de -- Film „Bis ans Ende der Nacht“: Ein transphober Ermittler
       
       > Christoph Hochhäusler verbindet in seinem Neo-Noir „Bis ans Ende der
       > Nacht“ Lovestory und Drogenfahndung. Das ist wenig hipster und spannend.
       
 (IMG) Bild: Ein Paar? Leni (Thea Ehre) und Robert (Timocin Ziegler)
       
       Eine verdeckte Ermittlung – das klingt nach Gefahr, nach Drogenkonsum, nach
       heimlichen Telefongesprächen, schnellem Puls und schmutzig-rauer Umgebung.
       Keineswegs nach Tanzkurs für Menschen in ihrer Lebensmitte, wo Paare
       einander Beziehungsratschläge geben.
       
       Aber das macht den eigenartigen Reiz von [1][Christoph Hochhäuslers]
       Neo-Noir aus, der sich verneigend vor Rainer Werner Fassbinder von den
       Fernseh- „Tatorten“ absetzen möchte: Er traut sich, in seine
       Krimigeschichte echte deutsche Biederkeit und Spießigkeit mit einfließen zu
       lassen.
       
       Nein, es sind keine Hipster, für die das Apartment hergerichtet wird,
       dessen Renovierung man in Zeitrafferszenen zu Anfang sieht. Die Farben, die
       Möbel, die Enge und die kitschige Schlagermusik aus dem Off – „Eine Liebe
       so wie du“ – das alles ist von einer gewissen Muffigkeit, die ganz gut zu
       Robert (Timocin Ziegler) und Leni (Thea Ehre) passt. Auch zu der
       Genervtheit, die zwischen ihnen herrscht, wie auf der Party mit Freunden
       deutlich wird, die sie in ebendieser Wohnung geben.
       
       Sie sind sich noch nicht einmal ganz einig darüber, wo und wie sie sich
       kennengelernt haben. Eine mangelnde Perfektion, die die Authentizität ihrer
       Beziehung fast mehr bestätigt als widerlegt. Aber dann, als die Gäste
       gegangen sind, enthüllt der Film, was diese zwei eigentlich verbindet: der
       Auftrag zu einer verdeckten Ermittlung.
       
       ## Es gibt da noch eine andere Ebene
       
       Was eben noch aussah wie eine schlechte, aber auch ganz gewöhnliche
       Beziehung eines leicht toxischen Manns, der seine Freundin schnell mal ein
       bisschen zu aggressiv unterbricht, stellt sich als geschäftliche Relation
       heraus, in der ihr eine Haftstrafe erlassen wird, wenn sie ihm dabei hilft,
       einen Drogendealer dingfest zu machen.
       
       Aber dann, auch das erschließt sich erst nach und nach, gibt es da noch
       eine andere Ebene zwischen dem groben Polizisten Robert und der kecken
       Blondine Leni: Sie kennen sich von früher, sie waren sogar schon mal ein
       Paar, jedoch identifizierte sich Leni damals noch als Mann. Straffällig ist
       Leni erst geworden, als sie das Geld für ihre Brustoperation
       zusammenklauben wollte.
       
       ## Weicht er einfach dem komplizierten Gedanken aus?
       
       Das ist zweifellos der spannende Strang in [2][Hochhäuslers „Bis ans Ende
       der Nacht“]: Was wird aus den Gefühlen dieser beiden, was aus ihrer
       vorgeblichen Beziehung, hinter deren Fassade so viele Widersprüche sichtbar
       werden? Empfindet Robert noch etwas für Leni, oder kommt er über seine
       Transphobie nicht hinweg? Oder weicht er einfach dem komplizierten Gedanken
       aus, dass er als schwuler Mann eine Frau lieben und begehren könnte?
       
       Wo Timocin Ziegler seinem Polizisten etwas noir-haft Undurchsichtiges und
       Brütendes verleiht, spielt Ehre ihre Leni mit einer gewollten,
       mädchenhaften Heiterkeit. Auch bei ihr ist man sich als Zuschauer nicht
       sicher: Will sie Robert nur vorführen oder geht es ihr um Liebe? Oder will
       sie sich vielleicht sogar an ihm rächen, weil sich herausstellt, dass er
       mehr mit ihrer Verhaftung zu tun hatte, als er zugeben wollte?
       
       Von der Unklarheit geht zuerst ein Reiz aus, der sich dann leider verliert,
       weil der Film seiner so schön mit melodramatischen Unmöglichkeiten
       angefütterten Liebesgeschichte zu wenig Zeit widmet, um sie wirklich
       widerhallen zu lassen. Denn es muss ja noch der Plot der
       Drogendealer-Geschichte etabliert werden. Das Ziel von Robert und Lenis
       Ermittlung ist Victor (Michael Sideris), dem das Drehbuch von Florian
       Plumeyer eine wiederum fast übertrieben komplexe Back-Story andichtet.
       
       Dass der als DJ zu Ruhm gekommene Mann online Drogen vertickt, kann man
       sich noch vorstellen, aber dass er mit seiner Partnerin nun eine Tanzstunde
       besucht, passt genauso wenig wie seine weisen Sprüche über die Liebe. Auch
       wenn man die Bemühung um eine komplexe Bösewichtfigur genauso gerne
       anerkennen möchte wie die Etablierung von Frankfurt als mindestens so
       großstädtisch, lebensgefährlich und vom Bandenkrieg gezeichneter Film-Ort
       wie sonst nur Berlin.
       
       22 Jun 2023
       
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