# taz.de -- Gardening in Berlin: Das Ende der Liegewiese
       
       > Am Monbijoupark ist ein wegweisendes Wildpflanzenbeet entstanden. Es
       > zeigt, wie die Zukunft des Stadtparks aussehen könnte. Dafür gibt es eine
       > Prämie.
       
 (IMG) Bild: Monbijoubeet mit Natternkopf-Färberkamille
       
       BERLIN taz | Berlins Bäume sterben, die Liegewiesen gleichen zunehmend
       staubigen Motocross-Bahnen. Vor diesem Szenario wirkt das neue
       Wildpflanzenbeet am [1][Monbijouplatz] wie ein mutiges Statement. Auf den
       ersten Blick wähnt man sich in der Prärie, ein wenig auch in der Wüste.
       Denn auf dem kargen Schotter – zu Füßen des Denkmals für den romantischen
       Dichter, Naturforscher und Kolonialismuskritiker Adelbert von Chamisso –
       stehen in kreisförmigen Beeten mit rostfarbener Metallumrandung schüttere
       Pflanzen.
       
       Das sind keine Pflanzen, wie man sie aus Schmuckbeeten kennt, sondern
       solche, wie sie vor Beginn der Intensivlandwirtschaft an jedem Feldweg
       standen: Natternkopf und Wolfsmilch, Engelwurz und Eisenhut. Sie sehen
       weder saftig noch üppig aus und entsprechen damit eher weniger den
       Erwartungen vieler Parkbesucher*innen hier.
       
       Und doch: Dafür, [2][dass es seit Wochen nicht geregnet hat] und hier nur
       selten gegossen wird, stehen die Pflanzen sehr gut da. Einige von ihnen
       duften auch. Und es sind massenhaft Insekten unterwegs auf der Jagd nach
       ihren Pollen. Und weil die Pflanzen so gut wachsen und die Insekten so
       zahlreich kommen, erhält das 2021 entstandene und 350 Quadratmeter große
       Beet am heutigen Montag eine Goldmedaille als herausragender Naturgarten.
       
       Verliehen wird die von der Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“, die
       unter anderem von der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 angeschoben
       wurde. Im Bezirk ist man stolz. „Wir gehen neue Wege bei der Gestaltung
       öffentlichen Grüns“, sagt Mittes Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger
       (Grüne).
       
       ## Inspirierendes Modellprojekt
       
       „Die Auszeichnung ist ein Ansporn für uns als Bezirk, künftig noch mehr auf
       heimische Pflanzen zu setzen“, sagt Almut Neumann, Stadträtin für Umwelt
       und Grünflächen des Bezirksamts (ebenfalls Grüne). Tatsächlich ist das Beet
       ein inspirierendes Modellprojekt für Berlins Grünflächenämter, engagierte
       Stadtbewohner*innen und Hobbygärtner*innen. Darüber hinaus erlaubt es
       einen Blick in die Zukunft unserer vom Klimawandel immer stärker bedrängten
       Parks.
       
       Bettina de la Chevallerie, Leiterin der Kampagne „Tausende Gärten –
       Tausende Arten“, kann erklären, warum das so ist. Pflanzen profitieren
       nicht nur von Mulchschichten aus organischem, sondern auch aus
       mineralischem Material. Auch unter einer Schicht aus Sand und Schotter
       bleibt die Erde bei Hitze und Trockenheit kühler und feuchter, berichtet
       Chevallerie. Die britische Gärtnerin Beth Chatto war eine der ersten, die
       den Kiesgarten, wie er hierzulande zum Glück vielerorts verboten ist, neu
       dachte, sagt sie.
       
       „Anders als Beth Chatto bepflanzen viele Naturgärtner*innen ihre
       Kiesbeete heute nicht mehr mit resistenten Pflanzen aus aller Welt, sondern
       mit heimischen Wildpflanzen“, sagt Chevallerie. „Denn ein Drittel der
       nestbauenden Bienenarten Deutschlands sind oligolektisch.“ Soll heißen: Es
       gibt [3][Bienenarten], die ausschließlich auf Ochsenzunge oder Zaunrübe,
       Geißklee oder Glockenblume fliegen. Und da allein die Hälfte aller
       Wildbienen Bodenbrüter sind, finden sie in der Mulchschicht aus Schotter
       gleich ideale Nistplätze.
       
       Aber was ist ein 350-Quadratmeter-Beet im Vergleich zu 6.500 Hektar Parks
       und grünen Plätzen in Berlin? Die Bezirke haben schon genug damit zu tun,
       Bäume an Straßen und in Parks zu wässern, oder, wenn gar nichts mehr zu
       machen ist, gegen resistente und schnell wachsende Klimabäume
       auszutauschen.
       
       ## Liegewiesen im Rotationsverfahren
       
       Die Zahlen sagen sehr viel: [4][Bis 2024 wird der Volkspark Friedrichshain
       für insgesamt 1,5 Millionen Euro klimaresistent gemacht (taz berichtete)].
       Die Umgestaltung der Hasenheide bis 2024 wird sogar 5 Millionen kosten.
       Hier sollen im Rotationsverfahren Liegewiesen abgesperrt werden, damit sie
       sich erholen können. Aber muss es überhaupt Liegewiesen geben? Sind
       Liegewiesen nicht nur eine hiesige Konvention, ohne die man in anderen
       Teilen der Welt sehr gut auskommt? Könnten nicht auch Kiesgärten mit
       Leihstationen für Gartenliegen der Erholung dienen?
       
       [5][Stadtnaturexperte Derk Ehlert] jedenfalls freut sich. „Das Klima zu
       retten ist nicht nur Aufgabe des Staats. Das schaffen wir nur alle
       zusammen“, sagt er. Auf dem Kleinen Trümmerberg im Volkspark Friedrichshain
       ist seit Kurzem eine Fläche nur für Wildbienen und anderen
       Bestäuberinsekten voller Totholzstapel und Sandflächen reserviert.
       
       Im Rahmen des Projekts „bestäuberfreundliche Stadt“ wurden im
       Alice-Salomon-Park, im Bürgerpark Pankow, im Park am Schäfersee und auf
       zahlreichen weiteren Grünflächen in der Stadt Blühstreifen eingerichtet, wo
       heimische Wildblumenmischungen ausgesät sind und seltener gemäht wird.
       Selbst Unter den Linden gibt es neuerdings ein Staudenbeet, das mit Sand
       gemulcht ist. „Jede noch so kleine Kampagne ist von Bedeutung“, sagt
       Ehlert.
       
       Das Bezirksamt in Mitte hat 50.000 Euro für das Beet am Monbijouplatz
       ausgegeben. Die Fläche lag davor lange brach, Beikräuter wie die
       unkaputtbare Quecke hatten die Regie übernommen. Die Erde musste
       ausgetauscht werden. Nun aber, so Chevallerie, muss es nur noch selten
       gejätet und gegossen werden. Damit sind die relativ hohen Kosten beim
       Anlegen und Bepflanzen bald ausgeglichen.
       
       Die Beete des benachbarten Monbijouparks, dem Lustgarten des 1959
       gesprengten Schlosses, der 2006 bis 2008 unter der Regie der landeseigenen
       Grün Berlin GmbH neu gestaltet wurde, machen sehr viel mehr Arbeit. Hier
       stehen in den Zierbeeten vor allem Hortensien. Die sehen vielleicht wegen
       ihrer saftigen Blätter und großen Blüten repräsentativ aus, lassen aber
       schon nach einem einzigen heißen Tag die Köpfe hängen.
       
       Die meisten Hortensiensorten sind geschlechtslos und damit für Bestäuber
       wie Bienen uninteressant. Die fliegen umso lieber auf das neue
       Wildstaudenbeet schräg gegenüber.
       
       25 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Alkoholverbot-in-Parks-gekippt/!5879052
 (DIR) [2] /Die-Wochenvorschau-fuer-Berlin/!5937339
 (DIR) [3] /Archiv-Suche/!5854183&s=Bienenarten&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [4] /Volkspark-Friedrichshain-umgestaltet/!5833083
 (DIR) [5] /!s=Derk+Ehlert/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Messmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Mitte
 (DIR) Trockenheit
 (DIR) Urban Gardening
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Klimaschutz trifft Landwirtschaft: Theorie und Praxis am Acker
       
       Statt die Klimakrise weiter zu verschärfen, könnte Landwirtschaft an ihrer
       Lösung teilhaben. „Hof mit Zukunft“ bringt Bauern und Aktivisten zusammen.
       
 (DIR) Zukunft der Nahrungsproduktion: Wachstum unter Neonlicht
       
       Neue Agrartechnologien dringen in die Städte und aufs Meer vor. Gemüse aus
       dem Regal, Muscheln von der Meeresfarm, geht das?
       
 (DIR) Schulprojekt zu Wasser: „Sie wissen um ihre Möglichkeiten“
       
       Achtklässler*innen haben ein Jahr lang zu nachhaltiger
       Wasserwirtschaft gearbeitet: Eine Form von Empowerment, sagen die
       beteiligten Künstlerinnen.