# taz.de -- Dreimal desaströse Politik in Hannover: So geht kurzsichtig
       
       > In Hannover versucht man, sich zu Obdachlosigkeit, Ladendieben und
       > „Clans“ zu verhalten. Im Fokus ist mal wieder das Sicherheitsempfinden
       > der Bürger.
       
 (IMG) Bild: Cocktails statt Dosenbier: Wo sich vorher Obdachlose drängten, gibt es jetzt Funsport und Events
       
       Szene 1: Das Parkhaus am Hauptbahnhof Hannover ist schwer benutzbar, weil
       auf den Rampen, die hinein- und hinausführen, Menschen liegen oder
       urinieren. Die Fahrradstation nebenan musste vorübergehend schließen, weil
       die Kunden und Mitarbeiter sich nicht durch die dichten Trauben von
       Drogenabhängigen trauen.
       
       Das Amtsgericht hat seine Eingänge verbarrikadiert, damit das Foyer nicht
       als Aufenthaltsraum und Toilette benutzt wird. Dafür beklagt [1][der
       Kontaktladen „Mecki“, in dem obdachlose Menschen Hilfe] und eine
       medizinische Grundversorgung bekommen, einen Einbruch bei Besucherzahlen.
       
       Die Klienten kommen schlecht an dem privaten Sicherheitsdienst vorbei, der
       hier [2][die von der Stadt Hannover eingerichtete Funsport- und Eventzone
       am Raschplatz], direkt hinter dem Bahnhof, bewacht.
       
       Das ist ein Desaster mit Ansage. Schon als die Stadt die Pläne zur
       „Rückeroberung“ der bahnhofsnahen Plätze vorstellte, merkten Kritiker an,
       dass sich die Obdachlosen und Suchtkranken, die sich dort sonst tummeln und
       vielen Passanten Angst machen, ja nicht wie durch ein Wunder in Luft
       auflösen würden.
       
       ## Vertreibung und Verwahrlosung werden in Kauf genommen
       
       Man wolle niemanden vertreiben, behauptete die Stadt. Überhaupt sollten die
       Hilfseinrichtungen in der Umgebung des Bahnhofs neu sortiert und besser und
       größer aufgestellt werden. Das dauert halt nur. Funsport geht schneller. In
       der Zwischenzeit springt die private Niedergerke-Stiftung ein, um die
       Öffnungszeiten des Mecki zu verlängern – in der Hoffnung, dass über den Tag
       verteilt dann doch noch ein paar mehr Hilfsbedürftige erreicht werden.
       
       Szene 2: Das Landgericht, ebenfalls gleich hinter dem Hauptbahnhof. Hier
       stehen zur Zeit mehrere Roma-Mädchen vor Gericht, weil sie gemeinsam als
       Diebesbande durch Drogerien und Elektromärkte gezogen sein sollen. Es ist,
       [3][wie Jutta Rinas in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung zuerst
       berichtete], nicht das erste Mal, dass sie öffentliche Aufmerksamkeit
       erfahren.
       
       Vor sechs Jahren – da waren sie alle noch Kinder, hausten sie mit ihrer
       Familie in einer Schrottimmobilie, unter Bedingungen, unter denen man in
       Deutschland nicht einmal Tiere halten darf. Nach langen Diskussionen
       schritt die Stadt ein und verteilte die Familien auf verschiedene
       Obdachlosenunterkünfte. Dort wohnen sie zum Teil immer noch, zum Teil schon
       mit der nächsten Generation an chancenlosen Babys. Noch ein Desaster mit
       Ansage.
       
       Szene 3: Innenministerium. In der diesjährigen Präsentation des Lagebildes
       „Clankriminalität“ tauchen die Mädchen wieder auf. Der Begriff ist nämlich
       bemerkenswert dehnbar.
       
       ## Clankriminalität macht 0,76 Prozent der Straftaten aus
       
       Während die meisten Menschen bei Clankriminellen wahrscheinlich an
       Organisierte Kriminalität oder tumultartige Massenschlägereien denken, an
       das nervtötende Rumgepimmel von jungen Männern in fetten Karren oder
       spektakulär dämliche Coups wie beim Grünen Gewölbe und dem Bode-Museum,
       erfasst Niedersachsen darunter alles, was irgendwie mit Großfamilien zu tun
       hat, die aus dem Ausland stammen.
       
       Darunter sind dann auch Betrügereien mit Corona-Testzentren oder bei
       theoretischen Führerscheinprüfungen. Oder eben verwahrloste Kinder, die
       Ladendiebstähle begehen.
       
       Verfahren, die der Organisierten Kriminalität zu zuordnen sind, gab es
       auch: Im vergangenen Jahr neun, die meisten aus dem Bereich Drogenhandel.
       Insgesamt machen die 3.986 „Irgendwas mit Clan“-Straftaten 0,76 Prozent der
       523.996 in der polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Straftaten aus,
       beschäftigen aber vier Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften.
       
       Innenministerin Daniela Behrens (SPD) und Justizministerin Kathrin Wahlmann
       (SPD) [4][rechtfertigen dies in ihrer gemeinsamen Presseerklärung] mit den
       Auswirkungen auf „die subjektive Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger“.
       Die scheint halt an vielen Orten wichtiger zu sein als die Investition in
       soziale Präventionsmaßnahmen.
       
       5 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Nach-Raschplatz-Umbau-Obdachlosen-Helfer-schlagen-Alarm,aktuellhannover13800.html
 (DIR) [2] /Drogen-und-Obdachlosigkeit-in-Hannover/!5910946
 (DIR) [3] https://www.haz.de/lokales/hannover/hannover-prozess-wegen-schweren-diebstahls-gegen-maedchenbande-beginnt-JFG74X6RTBAYXJMQJKY4GL6SOM.html
 (DIR) [4] https://www.mi.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/vorstellung-des-dritten-gemeinsamen-lagebildes-von-polizei-und-justiz-zur-clankriminalitat-2022-in-niedersachsen-223312.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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