# taz.de -- US-Sängerin Janelle Monáe: Leicht wie eine Feder
       
       > Freude über die eigene Existenz, die kämpferisch zelebriert wird:
       > US-Popsängerin Janelle Monáe veröffentlicht ihr neues Album „The Age of
       > Pleasure“.
       
 (IMG) Bild: Janelle Monáe bleibt ungreifbar, und das honoriert der Markt nicht
       
       Durch die Decke gegangen ist Janelle Monáe mit ihrer Musik bislang nicht.
       Also kein Number-one-Hit in den US-Charts, keine ausverkauften Stadien, und
       man fragt sich schon, warum. Denn eigentlich passt der genreübergreifende
       R&B der 37-jährigen Künstlerin wunderbar zu allem, was aktuell an Musik und
       an Diskursen so läuft.
       
       Neben eher banalen Gründen wie den langen Pausen zwischen den Alben, das
       letzte, [1][„Dirty Computer“], erschien 2018, mag es daran liegen, dass
       Janelle Monáe sich gern in einem [2][nicht leicht greifbaren Dazwischen]
       bewegt: auch als Schauspielerin in den Filmen „Homecoming“ und „Glass
       Onion: A Knives Out Mystery“ zum Beispiel. Wobei auch die Musik von Monáe
       immer filmisch gedacht ist, auf der ersten EP und dem im guten Sinne
       überladenen Debütalbum „The ArchAndroid“. Jene zwei Veröffentlichungen von
       Monae erzählten eine Science-Fiction-Story und platzten musikalisch aus
       allen Nähten.
       
       Die Tracks mäandern: fett produzierter, von der Kritik reihum
       abgefeierter R&B mit Verbindungen zu Funk und Soul zum einen, revolutionär
       gestimmte [3][afrofuturistische Concept-Art] zum anderen. Kritiker:innen,
       denen das alles zu ambitioniert und over the top erschien, meinten: Monáes
       Musik hole die konzeptuelle Ebene nicht unbedingt ein.
       
       ## Janelle Monáe bleibt ungreifbar
       
       Aber wieso eigentlich? Songs wie zum Beispiel der mit Big Boi (ehedem
       Outkast) aufgenommene Track „Tightrope“ müssten in einer vernünftigen Welt
       Hits werden: „Tightrope“ schaffte es nur in Belgien und Südkorea in die
       Charts. Ein treibender Soul-Oldschool-Funk-Bigband-Hybrid, der über die
       Big-Boi-Performance auch die Südstaaten-HipHop-Tradition der 3rd Coast
       Atlanta mitnimmt. Das Gerüst bildet R&B, aber das Haus von Janelle Monae
       ist vollgestopft mit Versatzstücken wie Afrobeat, HipHop, jamaikanischer
       Dancehall und neuerer Dance Music aus Äthiopien.
       
       Oder aber es liegt an der Selbstsituierung [4][zwischen Big-Business und
       eigensinniger Kunst.] Janelle Monáe bleibt ungreifbar, und das honoriert
       der Markt nicht.
       
       ## Wenn ich von Gott bin, bin ich alles
       
       Was einen zu der vielleicht plausibelsten Erklärung der ja auch nur
       brotlosen Kunst bringt (im Vergleich zu Superstars wie Beyoncé und Billie
       Eilish). Nämlich der, dass hier vielleicht ein Mensch schlicht keine
       besonders ausgeprägte Lust hat, zum Star zu werden, obwohl das ohne
       Weiteres möglich wäre. Weil so eine Starposition die eigene Kunst und
       Experimentierfreude auch belasten würde. Ein weiterer Ort, der von vielen
       als eine Art Dazwischen wahrgenommen wird, spielt seit 2022 eine Rolle in
       der Wahrnehmung der Kunst Monáes: „Ich fühle da eine größere Energie und
       habe das Gefühl, dass Gott so viel größer ist, als ein ‚er‘ oder eine
       ‚sie‘“, erklärte Monae in der Talkshow „Red Table Talk“. „Wenn ich von Gott
       bin, bin ich alles.“ Monae wolle sich „in jeden schönen Geist“ verlieben
       können und definierte sich als non-binary.
       
       Ähnlich verhält es sich mit der Musik, die will auch keine Grenzen, die aus
       anderen Quellen kommen denn aus den eigenen Bedürfnissen und den
       Verhältnissen, die man als freie/r, zum Beispiel nicht von
       Erfolgsstrategien abhängige/r Künstler:in mit anderen eingeht. Warten wir
       es ab, ob sich das mit dem neuen Moná-Album „The Age of Pleasure“ ändern
       wird.
       
       ## Das Sommer-Party-Album
       
       Zumindest das Kunstfigurhafte, das die ersten drei Werke bestimmte, ist nun
       in den Hintergrund geraten. Eine Art Geschichte wird trotzdem
       weitergesponnen. Die Songs aus dem Zeitalter des Vergnügens spielen in
       einer Welt, in der das Regime, das Monáe und die „comrades* in arms“ auf
       dem Vorgängeralbum „Dirty Computer“ noch bekämpften, zerstört worden ist.
       Der Auftaktsong „Floar“, erklärt die einstige Partisan*in zum „free-ass
       motherfucker“.
       
       „The Age of Pleasure“ ist so etwas wie Janelle Monáes Sommer-Party-Album
       geworden. Und damit auch ihr zugänglichstes Werk bis jetzt. „I’m light as a
       feather, I’m light as a feather / Baby, I float / It’s hard to look at my
       resume and not find a reason to toast.“
       
       Im Zentrum der Musik steht schiere Freude über die eigene Existenz, die
       wieder kämpferisch zelebriert wird. Das schlägt sich auch im Sound wieder,
       der so etwas wie ein eklektisches, panafrikanisches Amalgam bildet. Dazu
       kommen Generationen verbindende Gastauftritte, etwa von Seun Kuti, Grace
       Jones und Amaarae.
       
       ## Grenzen zwischen Geschlechtern lösen sich auf
       
       Man kann „The Age of Pleasure“ auf zwei Weisen hören. Als panafrikanische
       und pansexuelle Utopie, deren Songs davon erzählen und das Versprechen
       formulieren, wie und dass sich historisch definierte und gewachsene Grenzen
       zwischen Geschlechtern und Nationen auflösen. Oder als Sommeralbum, das 14
       schwebende und trotzdem intensiv aufgeladene Tracks versammelt. Oder, im
       besten Fall, beides im selben Moment.
       
       Vielleicht klappt es dieses Mal endlich mit dem Durchbruch. Etwas viel
       Besseres als Janelle Monáe könnte dem R&B gerade nicht passieren.
       
       15 Jun 2023
       
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