# taz.de -- Tour de France: Und plötzlich beste Verfolger
       
       > Der deutsche Rennstall um den australischen Kapitän Jai Hindley
       > überrascht in der ersten Tour-Woche. Der Podiumsplatz ist in greifbare
       > Nähe gerückt.
       
 (IMG) Bild: Jai Hindley (grüner Helm) hatte bei der Tour schon seinen epischen Moment
       
       MONT-DE-MARSANS taz | Einen Tag lang schien der bayerische Rennstall
       Bora-hansgrohe das Maß aller Dinge bei der Tour de France zu sein. Mit
       einem bravourösen Ritt über die Pyrenäengipfel hatte sich Bora-Kapitän Jai
       Hindley am Mittwoch an die Spitze des Klassements gesetzt und seinen tollen
       Auftritt mit einem Tagessieg gekrönt.
       
       Das Hausblatt der Tour de France, L’Équipe, machte mit einem Foto des
       Australiers auf, wie er sich das Gelbe Trikot über das grüne seines
       Rennstalls streift. Die Sponsorennamen des Teams waren dabei noch zu sehen.
       
       Man mochte es als kleines Entgegenkommen aus dem Hause Amaury Sport
       Organisation (A. S. O) deuten, dem sowohl L’Équipe als auch die Tour
       gehört. Denn [1][zu Beginn der Tour] musste Bora-hansgrohe die extra
       angefertigten neuen Trikots wieder einpacken. Tour-Ausrichter A. S. O und
       Weltverband UCI war die grüne Farbe zu nah dran am Grün des Punktetrikots.
       
       ## Sogar Pogačar und Vingegaard auf Distanz
       
       Bei der ersten Bergverabredung waren die Profis des Raublinger Rennstalls
       hellwach. Gleich drei Mann schafften es in die 36-köpfige Fluchtgruppe.
       Hindley sagte später: „Eigentlich war das gar nicht so geplant. Aber hinter
       uns riss plötzlich eine Lücke auf, und ich befand mich vorn in der Gruppe.
       Das ist schön, habe ich mir gedacht, und mir vorgenommen, einfach ein
       schönes Radrennen zu fahren.“
       
       Es wurde superschön für ihn. Zuerst hielt sein Teamkollege Patrick Konrad
       mit mächtigem Einsatz das Feld auf Distanz. Danach sorgte Emanuel Buchmann,
       frischgebackener Deutscher Meister, für Flankenschutz. Und schließlich
       löste sich Hindley aus der Gruppe und hielt auch die Verfolger um die
       früheren Tour-de-France-Sieger Jonas Vingegaard und Tadej Pogačar auf
       Distanz.
       
       „Es war ein epischer Moment“, freute sich Hindley später. „Ein
       Kindheitstraum ging für mich in Erfüllung. Als Kind habe ich immer die Tour
       de France geschaut“, erzählte er. Nicht nur geschaut hat er, sondern selbst
       viel Rad gefahren ist der junge Jai.
       
       So viel, dass Vater Gordon, ein leidenschaftlicher Radamateur, ein ganzes
       Team um den Filius aufbaute. Mit dem ging er auch auf Europatournee, fuhr
       dabei einige legendäre Tour-Gipfel ab. In den Tiefen des Internets findet
       man noch ein Foto, das das „Gordons Development Team“ mit Vater und Sohn
       Hindley sowie ein paar anderen Youngstern auf dem Col d’Aspin zeigt. Die
       Pyrenäen kannte der Australier also schon als Bub ganz gut.
       
       Vater Gordon war auch jetzt beim großen Auftritt am Rande der Strecke. Sohn
       Jai widmete den Sieg seinen Eltern. „Sie haben mich immer unterstützt, in
       allem. Wenn ich Astronaut hätte werden wollen, hätten sie mich, glaube ich,
       auch darin unterstützt“, sagte er. Nun fliegt er nicht zum Mond oder Mars,
       sondern nur über irdische Gipfel. Aber das ziemlich gut.
       
       ## Der Podiumsplatz ist realistisch
       
       Dass sein Traum vom Gelben Trikot nur einen Tag lang hielt, steckte er auch
       locker weg. „Vingegaard und Pogačar waren einfach besser“, kommentierte er
       den Ausgang der 6. Etappe. Da hatte erst Vingegaards Team Jumbo-Visma ein
       mörderisches Tempo am Col du Tourmalet vorgelegt. Dann hatte der Däne
       höchstselbst attackiert. Pogačar war ihm gefolgt. Auch Hindley hatte erst
       noch dranzubleiben versucht. Dann musste er aber die Stärke der anderen
       anerkennen. „Das hat er gut gemacht“, lobte ihn sein Teamchef Ralph Denk
       später gegenüber der taz.
       
       Denn so sicherte er den dritten Platz ab. Ihm zur Seite stand erneut
       Teamkollege Buchmann. Der Ravensburger opferte sich dabei aber so auf, dass
       er auf den letzten Kilometern noch mehrere Minuten Rückstand aufgebrummt
       bekam und von Rang vier im Klassement aus den Top Ten herausfiel. Auch das
       fand Teamchef Denk völlig in Ordnung. „Für uns wäre am Ende in Paris das
       Worst-Case-Szenario ein vierter und ein sechster Platz. Es war richtig,
       dass Emu alles gegeben hat, um den dritten Platz von Jai abzusichern“,
       betonte Denk.
       
       Seine Aussage ist aber auch ein Zeichen dafür, wie sich die Zeiten geändert
       haben. Bora-hansgrohe mischt bei dieser Tour de France so gut mit, dass ein
       vierter und sechster Rang ein Worst-Case-Szenario sind. Jetzt ist ein
       Podiumsplatz durchaus realistisch.
       
       Die beiden ganz vorn, Jonas Vingegaard mal wieder in Gelb und [2][Tadej
       Pogačar weiter als Weißer Radsportprinz], fahren in einer eigenen Liga. Das
       wissen Denk wie auch Hindley. Ihre Liga allerdings, die der Männer, die um
       Platz drei fahren, wollen sie im Griff behalten.
       
       [3][Nach dem Giro-d’Italia-Sieg] von Hindley im letzten Jahr ist das der
       nächste Schritt, ein richtig großes Grand-Tours-Team zu werden. „Gern
       hätten wir das Gelbe Trikot noch bis Sonntag, zur Etappe am Puy de Dôme,
       getragen“, gab Denk zu. Aber ein Sponsorenlöwe von LCL vorn im Bus und den
       Podiumsplatz im Visier, das ist schon eine prächtige Zwischenbilanz. Viel
       mehr werden Pogačar und Vingegaard auch nicht zulassen.
       
       7 Jul 2023
       
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