# taz.de -- Türkei knüpft EU-Zusage an Nato-Streit: Erpressen statt demokratisieren
       
       > Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will über die Nato die
       > Beitrittsgespräche mit der EU wieder aufnehmen. Die Chancen stehen dafür
       > schlecht.
       
 (IMG) Bild: „Ebnet den Weg der Türkei in die EU, danach ebnen wir den Weg für Schweden“, sagte Erdoğan
       
       BRÜSSEL taz | Seit zehn Jahren geht nichts mehr zwischen der Türkei und der
       Europäischen Union. Wegen immer neuer Verstöße gegen die Prinzipien von
       Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hat die EU die 2005 gestarteten
       [1][Beitrittsverhandlungen] auf Eis gelegt. Doch nun will der türkische
       Präsident Recep Tayyip Erdoğan einen Neustart erzwingen – über den Umweg
       der Nato.
       
       „Ebnet zunächst den Weg der Türkei in die Europäische Union, danach ebnen
       wir den Weg für Schweden, so wie wir ihn für Finnland geebnet haben.“ Dies
       sagte Erdoğan vor seinem Abflug zum Nato-Gipfel in Vilnius. Er will die
       türkische Blockade beim [2][Nato-Beitritt Schwedens] offenbar erst dann
       lösen, wenn die EU in Gespräche einwilligt. Ist das noch Diplomatie – oder
       schon Erpressung? In Brüssel gibt man sich überrascht. Das eine habe mit
       dem anderen nichts zu tun, sagen EU-Diplomaten. Dabei hat Erdoğan schon
       einmal versucht, Gespräche zu erzwingen. Mit Ex-Kanzlerin Angela Merkel
       handelte er 2016 einen [3][Flüchtlingsdeal] aus, der auch die Rückkehr an
       den europäischen Verhandlungstisch vorsah.
       
       Gebracht hat es wenig, dem EU-Beitritt ist die Türkei keinen Schritt näher
       gekommen. Auch heute stehen die Chancen schlecht. Die türkische
       Präsidentschaftswahl im Mai ist nach Ansicht vieler Beobachter nicht fair
       verlaufen, die Opposition wird weiter drangsaliert, den großen
       Europa-Gipfel in Moldau hat Erdoğan geschwänzt. Die EU-Kommission in
       Brüssel reagierte dann auch kühl auf Erdoğan Vorstoß. Zunächst müsse man
       die Fortschrittsberichte abwarten, sagte eine Kommissionssprecherin am
       Montag in Brüssel. Darin bewertet die EU-Behörde die Bemühungen der
       Beitrittskandidaten um eine Annäherung an die EU. Der nächste Bericht wird
       allerdings erst im Oktober erwartet, eine Abkürzung gibt es nicht.
       
       Aus EU-Sicht gibt es auch keinen Grund, die Beziehungen zur Türkei mit dem
       Nato-Beitritt Schwedens zu verknüpfen. Die EU und die Nato sind zwei
       unabhängige Organisationen, die nach völlig verschiedenen Regeln
       funktionieren. Schon Erdoğans Behauptung, Schweden unterstütze türkische
       „Terrororganisationen“, wurde in Brüssel nicht goutiert. Dass er nun auch
       noch versucht, den Schwarzen Peter an die EU zu schieben, werten viele als
       Ablenkungsmanöver.
       
       Gegenwind aus Berlin 
       
       Gegenwind bekommt Erdoğan auch aus Berlin. Man müsse den Nato-Beitritt
       Schwedens und die Türkei-Frage auseinanderhalten, sagte Bundeskanzler Olaf
       Scholz. Beide Fragen hätten nichts miteinander zu tun. „Deshalb, finde ich,
       sollte man das nicht als ein zusammenhängendes Thema verstehen.“ Ein
       Sprecher des Auswärtigen Amts verwies darauf, dass die Türkei zwar
       Beitrittskandidat sei, „aber dass im Rahmen der Beitrittsgespräche schon
       lange kein Beitrittskapitel eröffnet worden ist“.
       
       Allerdings ist die deutsche Haltung nicht ganz eindeutig. Kurz nach
       Erdoğans umstrittenem Wahlsieg hatte sich Scholz für eine Normalisierung
       der Beziehungen zur Türkei ausgesprochen. In einem Gespräch mit Erdoğan vor
       dem EU-Gipfel Ende Juni hatte der Kanzler sogar eine enge Abstimmung mit
       Ankara versprochen. Scholz hat Erdoğan den kleinen Finger gereicht – nun
       greift der nach der ganzen Hand.
       
       10 Jul 2023
       
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