# taz.de -- Aufarbeitung der Sklaverei: Historische Rede – und dann?
       
       > In den Niederlanden ist die Sklaverei-Entschuldigung des Königs ein
       > Meilenstein. Zugleich wirft sie Fragen auf, was den großen Worten nun
       > folgen soll.
       
 (IMG) Bild: Der niederländische König am Samstag am Sklaverei-Monument in Amsterdam
       
       AMSTERDAM taz | Es war historisch, was das niederländische Staatsoberhaupt
       am Samstag verkündete: nicht nur, dass sich König Willem-Alexander für die
       Rolle seines Landes in der transatlantischen Sklaverei entschuldigte,
       sondern auch die Art, wie er das tat.
       
       „Von allen Formen der Unfreiheit ist Sklaverei wohl die am meisten
       verletzende, erniedrigende und menschenunwürdige“, leitete der Monarch ein,
       ehe er „um Vergebung“ bat – als König, als Teil der Regierung und des
       Hauses Oranien-Nassau, dem es „überdeutlich an Handeln gegen dieses
       Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gemangelt habe.
       
       Die Anwesenden im Amsterdamer Oosterpark, wo seit 2009 die nationale
       Gedenkfeier zur Abschaffung der Sklaverei stattfindet – offiziell 1863,
       effektiv nach zehnjähriger Zwangsarbeit auf den Plantagen erst 1873 –
       bedachten die Worte des Königs bei strömendem Regen mit spontanem Beifall
       und Jubel.
       
       Er zollte dem Schmerz der Nachfahren Anerkennung, der „noch immer in den
       Blutgefäßen steckt“, drückte seinen Respekt für aufständische Sklav*innen
       aus und bekannte sich zu „einer Welt ohne Rassismus, Diskriminierung und
       ökonomische Ausbeutung“.
       
       ## Positive Reaktionen
       
       Die ersten Reaktionen waren ausgesprochen positiv. „Es ist ein historischer
       Moment, das müssen wir realisieren“, so der einstige sozialdemokratische
       Abgeordnete John Leerdam, der derzeit mit der Planung des Nationalen
       Sklaverei-Museums beschäftigt ist.
       
       Gilmar Pisas, Premier von Curaçao, äußerte „große Wertschätzung“ für
       Willem-Alexanders Bitte um Vergebung. Der Rapper und antirassistische
       Aktivist Akwasi sagte gar, der König habe sich durch die Entschuldigung
       „beinahe unsterblich“ gemacht.
       
       Interessant wird nun sein, inwieweit sich dessen Rede inhaltlich bemerkbar
       machen wird. Wie in anderen Ländern, die in Kolonialismus und Sklavenhandel
       große Rollen spielten, lehnt auch die niederländische Regierung eine
       Entschädigung der Nachfahren von Versklavten ab.
       
       Unter denen freilich sind Reparationen eine Standard-Forderung. Auch bei
       der Prozession surinamischer und karibischer Gruppen aus dem Zentrum der
       Hauptstadt an den Ort des Gedenkens war eine Gruppe Aktivist*innen
       anwesend, deren Parolen selbst die Trommelgruppen übertönten: „Was wollen
       wir?“- „Entschädigungen!“- Wann wollen wir sie?“- „Jetzt!“
       
       ## Kritik am bisherigen Diskurs
       
       Auch die Vorredner*innen des Königs hatten den bisherigen Diskurs mit
       scharfen Worten kritisiert. Marian Markelo, eine bekannte Winti-Priesterin,
       die wie jedes Jahr am 1. Juli ein traditionelles Opferritual für die
       befreiten Vorfahr*innen abhielt, mahnte zu Solidarität und Verbindung,
       ohne die es „keine Zukunft“ gebe. Der gerechtfertigten Forderung nach
       Reparationen müsse „auf aufrechte und integre Art“ begegnet werden.
       
       Linda Nooitmeer, die Vorsitzende des Nationalen Sklaverei-Instituts NiNsee,
       rühmte einerseits die Tendenz zu Entschuldigungen und neu errichteten
       Sklaverei-Monumenten, mahnte aber auch: „Ein bedeutender Teil der
       europäischen Niederlande hat diesen Teil der Geschichte nicht akzeptiert.“
       Reparationen seien „die einzige Art, zu fairen Bedingungen zu kommen“. Wenn
       die Anerkennung der Geschichte nichts kosten dürfe, seien die Nachkommen
       der Versklavten, die sich in „einem Morast der Exklusion“ befänden, dann
       nichts wert?
       
       Kritik gab es derweil auch von anderer Seite. Geert Wilders, Chef der
       rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid, kommentierte auf Twitter:
       „Nicht in meinem Namen König. Und nicht im Namen von Millionen
       Niederländern.“
       
       In der Nacht vor der Gedenkfeier wurde in der südlichen Hafenstadt
       Vlissingen ein kürzlich ohne Lizenz errichtetes Sklaverei-Monument mit
       rechtsextremen Parolen wie „Nein zu Umvolkung“ oder „Weiße Minderheit“
       beklebt.
       
       2 Jul 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Müller
       
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