# taz.de -- Linkspartei legt neues Papier vor: Plan für „ein gerechtes Land“
       
       > Die Linkspartei präsentiert Ideen für mehr soziale Gerechtigkeit:
       > Automatische Inflationsanpassung, eine Lohnoffensive Ost und linke
       > Evergreens.
       
 (IMG) Bild: Gregor Gysi während der Pressekonferenz mit Martin Schirdewan im Juli 2023
       
       BERLIN taz | Etwas länger habe er über seinen Einstieg nachdenken müssen,
       verrät der Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, gleich zu Beginn
       der Pressekonferenz am Montag in Berlin. Dann dämpft er aber gleich die
       Erwartungen. Die Regierung befinde sich in einem „desolatem Zustand“ sagt
       Schirdewan. Die Ungleichheit wachse und die Ampel liefere keine Antworten.
       
       Gemessen am [1][Überraschungscoup], als die Linkspartei vor Kurzem die
       Aktivistin Carola Rackete als Co-Spitzenkandidatin zur Europawahl
       präsentierte, ist das wirklich kein knalliger Einstieg. Aber Schirdewan und
       sein Parteikollege Gregor Gysi haben zumindest einen Plan im Gepäck. „Damit
       die Hoffnung zurückkehrt – unser Plan für ein gerechtes Land“ heißt der
       Titel eines fünfseitigen Papiers, das die beiden verfasst haben.
       
       „Die fünf reichsten Deutschen haben mehr Vermögen als 50 Prozent der in
       Deutschland lebenden Menschen“, beklagt Schirdewan. „Diesem obszönen
       Reichtum“ stünde „eine immer weiter wachsende Armut“ gegenüber. Den
       konservativen Parteien fiele aber nichts Besseres ein als ein „Flirt mit
       den extremen Rechten“, kritisiert er. Es ist ein Seitenhieb gegen CDU-Chef
       Friedrich Merz, der gerade im ZDF [2][mit AfD-Annäherungsversuchen]
       auffiel.
       
       Dann folgt ein Rundumschlag, von Rente und Mindestlohn über steigende
       Mieten bin hin zur Kindergrundsicherung. Die Lohnerhöhungen reichten
       derzeit nicht aus, um die Inflation auszugleichen, kritisiert Gysi. „Seit
       2020 haben wir Jahr für Jahr Reallohnverluste.“
       
       ## Inflationsausgleich für alle Löhne und Gehälter
       
       In ihrem Papier schlägt die Linke deshalb einen gesetzlichen automatischen
       Inflationsausgleich für alle Löhne und Gehälter vor. Inspiriert sei das von
       den Nachbarstaaten Belgien, Luxemburg sowie Malta und Zypern, die einen
       solchen Mechanismus bereits haben, erklärt Gysi. Die Wirtschaft „sei daran
       nicht zugrunde gegangen“. Daneben müsse der Mindestlohn auf 14 Euro erhöht
       werden und es brauche einen rückwirkenden Inflationsausgleich bei Renten,
       Bafög, Elterngeld und Sozialleistungen. Dass die Ampel ausgerechnet im
       sozialen Bereich kürzen wolle, etwa bei der Asylberatung oder bei
       psychosozialen Zentren, sei „antizivilisatorisch“, heißt es im Papier.
       
       Insgesamt enthält es aber wenig Überraschendes. Statt 100.000 neuen
       Sozialwohnungen pro Jahr, wie es sich die Ampelregierung vorgenommen hat,
       soll es 250.000 Sozialwohnungen geben. Das Papier liest sich in weiten
       Teilen wie eine Aneinanderreihung linker Evergreens. Schuldenbremse
       abschaffen, Steuerreform, mehr Tarifbindung, Mietendeckel, Vermögens- und
       Übergewinnsteuer einführen.
       
       Doch der Plan nimmt mit einer Lohnoffensive den Osten der Republik stärker
       in den Blick. Also den Teil des Landes, wo die Gehälter und Renten
       mickriger ausfallen und besonders viele Menschen zum Niedriglohn arbeiten.
       Ziel sei es, die Löhne in den Neuen Ländern „bis Ende 2025 zu 100 Prozent
       an das Westniveau anzugleichen“, sagt Gysi. Er erzählt die Anekdote, dass
       Siemensmitarbeiter*innen in Ostberlin zwar gleich viel verdienten
       wie im Westen, aber 3 Stunden mehr arbeiten müssten.
       
       ## Wagenknecht und die zwei Welten
       
       Es sind ernste, realpolitische Anliegen, die von Schirdewan und Gysi
       vorgetragen werden, fernab der Frage wie woke die Linkspartei eigentlich
       ist. Aber ohne eine Nachfrage zu Sahra Wagenknecht kommt auch dieser Termin
       nicht aus. Die Frage, [3][ob Wagenknecht eine neue Partei gründen] will
       oder nicht, ist zum Dauerrascheln geworden.
       
       Ob Gysi da mehr wisse, will ein Journalist erfahren. „Mit Sahra Wagenknecht
       führe ich Gespräche, Klarheit gewinne ich dadurch nicht“, antwortet er. Es
       lebten in ihr zwei Welten. „Die eine Welt sagt: ‚Man müsste eigentlich eine
       neue Partei gründen.‘ Und die andere Welt sagt: ‚Nee, man müsste das nicht
       und das ist auch zu schwierig.‘“ Sie und ihr Umfeld seien „noch nicht
       richtig entschieden“. Gysi betonte zudem die Schwierigkeiten einer
       Parteigründung. Eine einzige führende Figur sei „ein bisschen wenig“. Zudem
       sei es organisatorisch ein großer Aufwand.
       
       Sollte es aber zur Parteigründung kommen, „würde ich entschieden dagegen
       kämpfen“, sagt er. Er könne nicht zulassen, dass die Linke die Linke kaputt
       mache. Das Thema Lohn- und Rentenangleichung scheint da schon wieder ganz
       weit weg.
       
       24 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasmin Kalarickal
       
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