# taz.de -- Erwachsenen-Faible für Teenie-Serien: Noch einmal jung sein
       
       > „The Summer I Turned Pretty“ ist nicht die einzige Teenie-Serie, die auch
       > von Erwachsenen geliebt wird. Woran liegt das?
       
 (IMG) Bild: Für wen wird sich Belly entscheiden?
       
       „Tut es nicht!“, möchte ich meinem Fernseher entgegenschreien, als Belly
       und Jeremiah ihre Köpfe immer näher zueinander bewegen. Die beiden sitzen
       in einem Kinosaal und trinken mit zwei Lakritzschlangen aus einer Dose
       Limo. Sie gucken sich tief in die Augen und ich denke: „Shit, jetzt küssen
       sie sich.“ Shit, denn Belly (Lola Thung) soll doch nicht den lustigen
       Jeremiah (Gavin Casalegno) küssen, sondern lieber wieder mit dem
       schweigsamen großen Bruder Conrad (Christopher Briney) zusammenkommen. Denn
       die beiden, das ist die große Liebe. Oder?
       
       Die drei sind die Hauptfiguren der Dramaserie „The Summer I Turned Pretty“,
       die auf den gleichnamigen Romanen von Jenny Han beruht und mittlerweile in
       der zweiten Staffel bei Amazon Prime läuft. Auf den ersten Blick ist es
       eine klassische [1][Coming-of-Age-Geschichte] mit illegalen Strandpartys,
       einem Debütantinnenball und einer Dreiecks-Liebesgeschichte. Auf den
       zweiten Blick eine Auseinandersetzung mit Mutterschaft, (psychischen)
       Krankheiten und dem Tod – aber mit hübscher Kulisse im Leben der Schönen
       und Reichen.
       
       Seitdem sie ein Kind ist, verbringt Belly jeden Sommer mit ihrem Bruder und
       ihrer Mutter im Strandhaus der besten Freundin der Mutter und deren Söhnen.
       Doch in diesem Sommer ist alles anders: Die Freundin ist tot und das Haus –
       eine Villa im Countrystyle mit Pool und Privatsteg – soll verkauft werden.
       Die Teenies versuchen gemeinsam ihren Sehnsuchtsort zu retten. Ein
       schwieriges Unterfangen, von dem Belly ständig mit der Frage abgelenkt
       wird: In welchen der beiden Brüder ist sie nun wirklich verliebt?
       
       Mittlerweile bin ich in dem Alter, dass ich fast die Mutter der
       Protagonist_innen sein könnte und trotzdem freue ich mich jede Woche auf
       eine neue Folge, die sich eigentlich an Jugendliche richtet. Generell sind
       Teenie-Serien mein Ding: Egal ob [2][„Sex Education“], [3][„Heart Stopper“]
       oder „Never Have I Ever“, ich habe sie alle gesehen. Und damit bin ich
       nicht allein. „The Summer I Turned Pretty“ ist seit Wochen auf Platz 1 der
       Amazon-Charts. Im Internet wimmelt es von Listen, wie „20 Teenie-Dramen,
       die Erwachsene heimlich gerne gucken“. Auch die deutsche Webserie „Druck“,
       die sich mit ihren popkulturellen Referenzen eindeutig an die Gen Z
       richtet, ist vor allem unter älteren Menschen beliebt. Doch warum gucken
       wir so gerne Serien, in denen die Protagonist_innen halb so alt sind wie
       wir?
       
       ## Vertrautes Gefühl
       
       Die einfachste Antwort auf diese Frage wäre: Nostalgie. Wir sehnen uns
       zurück in unsere Zeit als Teenager ohne große Verantwortung und viele
       aufregende erste Male. Doch das allein wird es nicht sein.
       
       Teenie-Serien erzählen häufig Geschichten von Mädchen oder jungen Frauen,
       die sich emanzipieren. Und mit diesem Gefühl können wir uns identifizieren.
       Wir wissen, wie es sich anfühlt, das erste Mal verliebt zu sein, sich gegen
       die Eltern zu stellen oder wie es sich anfühlt, nach dem Ende der Schulzeit
       ins große Ungewisse zu rutschen. Das macht die Erzählungen zwar oft
       vorhersehbar, aber auch vertraut. Es gibt wenig Überraschungen und in der
       Regel erwartet uns ein Happy End. Die Serien sind also [4][perfektes
       Material für Comfort-Watching].
       
       Zu diesem Gefühl des Vertrauten kommt das der Erleichterung. Denn die
       Pubertät ist nicht nur eine Zeit der aufregenden ersten Male, sondern auch
       eine der großen Unsicherheiten. Eine Zeit, in der sich jeder Streit wie ein
       Krise und jeder Liebeskummer wie der Weltuntergang anfühlt. Mittlerweile
       haben wir zumindest einen Teil dieser Unsicherheiten abgelegt und wissen,
       dass nicht jede Entscheidung weltbewegend ist. Wenn wir also Belly beim
       Verzweifeln zusehen, wie sie sich nicht zwischen zwei Jungs entscheiden
       kann oder wie ihre Mutter mit ihr schimpft, weil sie schlechte Noten mit
       nach Hause bringt, erinnern wir uns an unsere eigenen Erfahrungen und
       wissen: Alles halb so wild.
       
       Das trifft nicht auf alle Teenie-Serien zu. Bei „13 Reasons Why“ oder
       „Euphoria“ wird die Teenager-Zeit so düster dargestellt, dass sie nicht zum
       Comfort-Watching taugen. Doch vermutlich hatten die Serienmacher_innen hier
       von Anfang an ein älteres Publikum im Blick. Denn nicht jede Serie mit
       Teenies in den Hauptrollen ist eine Teenie-Serie.
       
       1 Aug 2023
       
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