# taz.de -- Christopher Street Day in Berlin: Hunderttausende Menschen feiern
       
       > Unter dem Motto „Be their voice and ours – für mehr Empathie und
       > Solidarität“ fand zum 45. Mal der CSD statt. Auf Regierungsgebäuden wehte
       > die Regenbogenfahne.
       
       BERLIN afp | Hunderttausende Menschen haben am Samstag in Berlin ein
       lautstarkes und farbenfrohes Zeichen für Toleranz und geschlechtliche
       Vielfalt gesetzt. Die traditionsreiche Kundgebung [1][zum Christopher
       Street Day] verwandelte Berlins Innenstadt in eine Partyzone für Lesben,
       Schwule, Bisexuelle, trans* Frauen und Männer, intersexuelle und andere
       queere Menschen. Verbunden war die Feier mit politischen Forderungen zum
       Einsatz für eine offene Gesellschaft und gegen Hass und Ausgrenzung. Viele
       Solidaritätsbekundungen gab es für die Ukraine.
       
       Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) wies in ihrer Begrüßungsansprache
       darauf hin, dass die Diskriminierung in Deutschland derzeit wieder zunehme.
       „Dagegen müssen wir uns alle wehren und auch gemeinsam dagegen aufstehen
       und Haltung zeigen“, forderte Bas.
       
       Berlins Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte in seiner Ansprache: „Berlin
       ist die Stadt der Vielfalt.“ Er kündigte an, dass sich das Land Berlin
       unter seiner Führung dafür einsetzen wird, ein Verbot der Diskriminierung
       wegen sexueller Identität ins Grundgesetz aufzunehmen. Die Rede des
       CDU-Politikers ging teilweise in lauten Buh-Rufen unter.
       
       Schätzungen zur Zahl der Teilnehmenden wollten Polizei und Veranstalter
       zunächst nicht abgeben. Die Veranstalter hatten im Vorfeld mit etwa 500.000
       Teilnehmern gerechnet – deutlich mehr als im vergangenen Jahr, als rund
       350.000 Menschen beim Christopher Street Day in Berlin mitmachten. Die
       Kundgebung steht in diesem Jahr unter dem Motto „Be their voice and ours –
       für mehr Empathie und Solidarität“. Sie wird zum 45. Mal in der Stadt
       abgehalten.
       
       Am Vormittag hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) vor dem
       Bundeskanzleramt die Regenbogenflagge aufgezogen, das internationale Symbol
       der Schwulen- und Lesbenbewegung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wünschte
       den Teilnehmern [2][im Kurzbotschaftendienst Twitter] eine fröhliche Feier.
       „Vielfalt ist unsere Stärke“, schrieb er.
       
       Auch auf dem Reichstagsgebäude, dem Sitz des Bundestags, wehte die
       Regenbogenflagge. Diese sei auch „Auftrag, dass politisch noch einiges für
       mehr Gleichberechtigung und Anti-Diskriminierung zu tun ist“, schrieb
       [3][Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) auf Twitter] –
       und fügte hinzu: „Liebe ist für alle da!“
       
       ## Nur die AfD moserte
       
       Unterstützung für die Parade kam von allen Bundestagsfraktionen mit
       Ausnahme der AfD. Der AfD-Abgeordnete Martin Reichardt kritisierte das
       Hissen der Regenbogenflagge über dem Reichstag. Die Flagge stehe „dafür,
       dass wir alten Männern in Röcken nicht mehr sagen dürfen, dass sie keine
       Frauen sind“, schrieb Reichardt auf Twitter.
       
       Die Veranstalter wollen den CSD ausdrücklich als politische Kundgebung
       verstanden wissen. „Unser Forderungskatalog wird seinen Weg finden, die
       Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kommt nicht daran vorbei – wir
       sind hier nicht zum Spaß“, erklärte Patrick Ehrhardt, Vorstandsmitglied im
       Berliner CSD e.V.
       
       Auf der Kundgebung waren auch in diesem Jahr viele ukrainische Flaggen zu
       sehen. Die ukrainische Botschaft war mit einem eigenen Wagen vertreten, von
       dem aus Botschafter Oleksii Makeiev zu den Teilnehmenden sprach. Die Werte,
       die auf dem CSD zelebriert würden, seien jene Werte, „die wir gleichzeitig
       in der Ukraine verteidigen“, [4][schrieb er auf Twitter].
       
       Jenseits der politischen Forderungen bot der CSD auch in diesem Jahr wieder
       eine Bühne für phantasievolle Kostüme, extravagante Perücken,
       Fetisch-Outfits, Stöckelschuhe – und viel nackte Haut. Ein Teilnehmer lief
       gar verkleidet als [5][Löwin von Kleinmachnow] durch die Straßen.
       
       Die Berliner Polizei sicherte den Zug mit rund tausend Einsatzkräften. Die
       Stadtreinigung hatte nach eigenen Angaben rund 140 Einsatzkräfte mit 60
       Fahrzeugen im Einsatz – sie sollten mit Kehrmaschinen, Spülwagen und
       Müllautos bis Sonntagfrüh die Strecke wieder säubern. Im letzten Jahr
       sammelte die Stadtreinigung nach dem CSD zirka 360 Kubikmeter Abfall ein.
       
       Die Kundgebung erinnert an den 28. Juni 1969, als die Polizei die
       Schwulenbar Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street stürmte,
       worauf tagelange Zusammenstöße zwischen Aktivisten und Sicherheitskräften
       folgten. Der Aufstand gilt als Geburtsstunde der modernen Schwulen- und
       Lesbenbewegung.
       
       22 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Politisches-Engagement-der-Queeren/!5944883
 (DIR) [2] https://twitter.com/Bundeskanzler/status/1682695156045164546
 (DIR) [3] https://twitter.com/GoeringEckardt/status/1682646664606257152
 (DIR) [4] https://twitter.com/Makeiev/status/1682733494840041472
 (DIR) [5] /Angebliche-Loewin-bei-Berlin/!5948816
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Christopher Street Day (CSD)
 (DIR) Gay Pride
 (DIR) Berlin
 (DIR) Schwerpunkt LGBTQIA-Community
 (DIR) Schwarz-rote Koalition in Berlin
 (DIR) Schwerpunkt LGBTQIA-Community
 (DIR) Queers of Color
 (DIR) Schwerpunkt LGBTQIA-Community
 (DIR) Aktivismus
 (DIR) Christopher Street Day (CSD)
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kai Wegner und der CSD in Berlin: Eröffnungsrede umsonst geschrieben
       
       Der Regierende hält keine Ansprache beim diesjährigen CSD. Vorausgegangen
       war eine Debatte über eine vom Senat vertrödelte Bundesratsinitiative.
       
 (DIR) Homophobe Angriffe beim CSD: Hass, gepaart mit Volksverhetzung
       
       Beratungsstellen sehen in Übergriffen und Schmähungen am CSD eine neue Art
       queerfeindlicher Gewalt. Sie sei offensiv und teils volksverhetzend.
       
 (DIR) Alternativer Pride in Berlin: Jenseits der weißen Dominanz
       
       Am Samstagabend zog der „Internationalist Queer Pride“ wieder durch
       Neukölln und Kreuzberg. Die Demo soll eine Alternative zum Mainstream-CSD
       sein.
       
 (DIR) Gegen Sternchen und Doppelpunkte: Anti-Gender-Ini nimmt erste Hürde
       
       16.000 Unterschriften sammelte die Volksinitiative, die Gendern in der
       Hamburger Verwaltung verbieten will. Die CDU wurde vom CSD ausgeladen.
       
 (DIR) Politisches Engagement der Queeren: Es darf diverser sein
       
       Bei den CSDs feiern die Communities sich selbst. Doch wie steht es um das
       politische Engagement queerer Menschen in verschiedenen Generationen?
       
 (DIR) Berlin Pride: Wider den Regenbogenkapitalismus
       
       Marzahn-Pride und East-Pride zeigen, dass sich die queere Szene
       ausdifferenziert. Alternative CSD-Demonstrationen wie diese sind bitter
       nötig.