# taz.de -- Homophobe Angriffe beim CSD: Hass, gepaart mit Volksverhetzung > Beratungsstellen sehen in Übergriffen und Schmähungen am CSD eine neue > Art queerfeindlicher Gewalt. Sie sei offensiv und teils volksverhetzend. (IMG) Bild: Riesige Regenbogenfahne bei der Pride-Parade zum Berliner Christopher Street Day im Juli BERLIN taz | Nachdem Unbekannte ein homophobes Transparent am Gelände des Fernsehturms angebracht hatten, ermittelt die Polizei wegen Volksverhetzung. Nicht der einzige hetzerische Vorfall vom CSD-Wochenende: So wurde das Grab der trans Frau Ella Nik Bayan zum wiederholten Mal geschändet. Außerdem verzeichnete die Polizei am Wochenende mehrere queerfeindliche Angriffe. Angesichts dieser Taten sprechen der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Berlin-Brandenburg und das schwule Anti-Gewalt-Projekt Maneo von einer neuen Qualität queerfeindlicher Hasskriminalität. Das Transparent hatten fünf Personen aus einer 15-köpfigen Gruppe heraus am Tag der Christopher-Street-Day-Parade gegen 18 Uhr am Alex befestigt, wie die Polizei mitteilte. Auf einer Fläche von 15 Meter mal 1,5 Metern sei „Homos=Volkstod“ zu lesen gewesen, außerdem die römische Zahl III. Die Polizei geht davon aus, dass die Täter aus dem Umfeld der rechtsextremen Kleinstpartei Dritter Weg kommen. Eine Restaurant-Mitarbeiterin habe das Transparent entfernt. Im Laufe des Abends soll dann eine [1][30-köpfige Gruppe vier der Tatverdächtigen] am Alexanderplatz verfolgt und mit Glasflaschen beworfen haben. Die vier Personen hätten sich demnach in ein Restaurant geflüchtet, dort habe die Polizei ihre Personalien aufgenommen. Es sei noch unklar, ob es einen Zusammenhang zwischen beiden Vorfällen gibt. ## Grab wieder geschändet Am Sonntag dann war morgens entdeckt worden, dass [2][Unbekannte das Grab der trans Frau Ella Nik Bayan] mit Feuerwehr-Absperrband umwickelt und einen Aufkleber angebracht hatten. Bayan hatte sich 2021 [3][auf dem Alexanderplatz selbst angezündet und war an den Verletzungen] im Krankenhaus gestorben. Es ist bereits das [4][sechste Mal, dass ihr Grab geschändet] wurde. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes ermittelt. Die Polizei meldete darüber hinaus am Wochenende mehrere körperliche Übergriffe mit queerfeindlichem Hintergrund. So wurde in Schöneberg am Samstag ein Mann [5][homophob beschimpft, am T-Shirt] gepackt und gewürgt. In Alt-Hohenschönhausen wurden eine [6][Frau und eine trans Frau beleidigt und bespuckt]. Am Freitag hatte eine Frau einen Mann in Schöneberg erst [7][aus einem Auto heraus homophob beleidigt] und dann mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Insgesamt hat die Polizei nach eigenen Angaben 64 Straftaten im Zusammenhang mit dem CSD festgestellt, davon zwei Körperverletzungen mit homophobem Hintergrund. „Jeder Übergriff ist einer zu viel“, sagt Christopher Schreiber, Sprecher des LSVD Berlin-Brandenburg, der taz. Zwar sei die Anzahl der Übergriffe keine auffällige Steigerung, diese bewegten sich im Rahmen der vergangenen Jahre. Anders verhalte es sich dagegen mit dem Banner und der Schändung des Grabs. „Das ist schockierend, das ist Volksverhetzung, und das geht über Hasskriminalität hinaus“, sagt Schreiber. „Das sind Fälle, die wir aus der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem CSD so nicht kennen.“ ## Runder Tisch gefordert Aber sie würden durchaus in das Muster von Anfeindungen in diesem Jahr passen: „Wir hören von überall, dass volksverhetzender Hass zugenommen hat, etwa auch in Kommentaren im Internet, da sticht das Jahr 2023 im Vergleich zu anderen klar hervor“, sagt er. Bastian Finke, Leiter von Maneo, spricht ebenfalls von einer neuen Qualität. Bei Maneo sind sie noch dabei, die Zahlen auszuwerten. Es sei bereits erkennbar, dass deutlich mehr Meldungen von Übergriffen eingegangen seien. Es sei jedoch [8][schwierig, aus dem Meldeverhalten die tatsächlichen Zahlen abzuleiten] und auch Vergleiche mit anderen Jahren seien kompliziert. „Wir bemerken aber, dass [9][die Anfeindungen auf der Straße viel offensiver] werden“, sagt Finke. Menschen würden teils unvermittelt von Passant*innen beschimpft. „Das macht uns als Beratungsstelle fassungslos.“ Der LSVD fordert eine Landesstrategie sowie einen Runden Tisch zu queerer Sicherheit und gegen Queerfeindlichkeit. Beides ist im Koalitionsvertrag angekündigt. Die Art und Weise, wie in Berlin Zahlen erhoben würden, sei bundesweit vorbildlich. Doch daraus müssten geeignete Konsequenzen gezogen werden. 24 Jul 2023 ## LINKS (DIR) [1] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2023/pressemitteilung.1348951.php (DIR) [2] /Tote-trans-Frau-Ella/!5871386 (DIR) [3] /Oeffentlicher-Suizid-einer-trans-Frau/!5812301 (DIR) [4] /Gedenkfeier-zum-Todestag-von-Ella/!5881830 (DIR) [5] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2023/pressemitteilung.1348954.php (DIR) [6] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2023/pressemitteilung.1348953.php (DIR) [7] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2023/pressemitteilung.1348916.php (DIR) [8] /Interview-zu-Homophobie/!5086442 (DIR) [9] https://www.tagesspiegel.de/berlin/beratungsstelle-maneo-veroffentlicht-report-760-queerfeindliche-vorfalle-in-berlin-erfasst--wenige-opfer-wenden-sich-an-die-polizei-9796679.html ## AUTOREN (DIR) Uta Schleiermacher ## TAGS (DIR) Schwerpunkt LGBTQIA-Community (DIR) Christopher Street Day (CSD) (DIR) Hasskriminalität (DIR) Queer (DIR) Ferda Ataman (DIR) Homophobie (DIR) taz Plan (DIR) Der III. Weg (DIR) Schwerpunkt LGBTQIA-Community (DIR) Schwerpunkt Ostdeutschland (DIR) Christopher Street Day (CSD) (DIR) Trans-Community (DIR) Lesestück Interview ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Appell der Beauftragten der Regierung: Sorge über mehr Hasskriminalität Zehn Beauftragte der Bundesregierung fordern vom Staat mehr Schutz gegen Diskriminierung. Aktualität bekommt der Appell nach Gewalt beim CSD in Halle. (DIR) Homo- und Transphobie in Berlin: Feindbild Queers Neue Daten der Innenverwaltung zeigen: Die Zahl der queer- und transfeindlichen Straftaten bleibt auch 2023 auf erschreckend hohem Niveau. (DIR) Bewegungstermine in Berlin: Für offene Straßen und Grenzen Rechtsextreme Diskurse werden für queere, geflüchtete und aktivistische Menschen immer gefährlicher. Was tun? Solidarisch in die Offensive gehen. (DIR) Neonazis vom Dritten Weg: Lautes Trommeln Der Dritte Weg wird in Berlin aktiver und hat der NPD den Rang abgelaufen. Doch die rechte Gefahr geht weit darüber hinaus. 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