# taz.de -- Debatte übers Renteneintrittsalter: Die Rolle der Lebenserwartung > Das Rentensystem steht unter Druck. Das Eintrittsalter an die > Lebenserwartung zu koppeln, wie vorgeschlagen, würde Ungleichheiten aber > verschärfen. (IMG) Bild: Wer länger lebt, hat mehr von seiner Rente Veronika Grimm ist nicht die erste Wissenschaftlerin, die verlangt, die Rente an die Lebenserwartung zu koppeln. Doch selbst wenn man viele Vorschläge zur Bearbeitung des demografischen Wandels, wie diesen von der „Wirtschaftsweisen“, mehr als zweimal gehört zu haben scheint – manche Probleme sind und bleiben eben aktuell. Die Herausforderung für die Rentenkasse durch die Berentung der geburtenstarken Jahrgänge gehört dazu. Links der Union wird nun die Idee, den Rentenbeginn mit der Lebenserwartung steigen zu lassen, regelhaft brüsk zurückgewiesen: Das sei ungerecht gegenüber allen, die schlicht nicht solange durchhielten, 67 Jahre (beziehungsweise 45 Versicherungsjahre) seien wahrhaftig genug. Doch in dieser Zurückweisung steckt das Eingeständnis, dass in der herrschenden Rentensystematik bereits eine große Ungerechtigkeit wohnt. Denn wer gut und gern länger als bis 67 arbeiten mag und kann, hat in der Regel die bessere Ausbildung, den besseren Job, die bessere Gesundheit – und die höhere Lebenserwartung. Am anderen Ende der Selbsterfüllungs-Skala des Berufslebens ist es genau umgekehrt: Hier ist die 67 schon eine Bedrohung, von weiteren Anstiegen ganz zu schweigen. Je nach Rechnung leben reichere Männer zwischen fünf und zehn Jahre länger als ärmere. Zudem ist diese Kluft seit Mitte der 90er Jahre stark gewachsen. Im Ergebnis heißt das: Je höher die Rentengrenze steigt, desto weniger haben Schlechtverdiener von ihrer Rente. Stattdessen bezahlen sie den Gutgestellten deren stetig länger werdenden Lebensabend. Wer nun – wie etwa die Union, die an ihrem Grundsatzprogramm werkelt – davon spricht, die Rente an die Lebenserwartung zu knüpfen, möge doch bitte gleich überlegen, wie sich die Lebenserwartungs-Kluft kompensieren ließe. Was ist mit späteren Rentenzugängen nur für Leute mit Hochschulabschluss? Oder einer Aufwertung der Rentenpunkte für Schlechtverdiener? Bestehende Ungerechtigkeiten zu vergrößern, darf jedenfalls keine Option sein. 14 Aug 2023 ## AUTOREN (DIR) Ulrike Winkelmann ## TAGS (DIR) rente mit 67 (DIR) Wirtschaftsweisen (DIR) soziale Ungleichheit (DIR) Demografischer Wandel (DIR) Schwerpunkt Armut (DIR) Schwerpunkt Armut (DIR) Rentenpolitik (DIR) Arbeitswelt (DIR) Schwerpunkt Armut ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Ungerechtigkeit bei der Rente: Spiel mit gezinkten Karten Menschen mit niedrigen Löhnen sterben früher und kriegen darum noch mal weniger Rente als Gutverdienende. Zeit für eine sozial gerechte Neuberechnung. (DIR) Prognose für Beschäftigte in Deutschland: Rente von weniger als 1.500 Euro Etwa 9,3 Millionen Menschen in Deutschland werden eine Rente von weniger als 1.500 Euro im Monat beziehen. Das zeigt eine aktuelle Recherche. (DIR) Plan von Finanzminister Lindner: Wie Aktien die Rente retten sollen Die Aktienrente steht im Koalitionsvertrag und nimmt langsam Gestalt an. Aber ob das Projekt den Anstieg der Beiträge dämpfen kann, ist unklar. (DIR) Ungleichheit in der Arbeitswelt: Gute Jobs wirken bis ins Alter Längere Lebensarbeitszeit verstärkt Ungleichheit, sagen Demografieforscher:innen. Besserverdienende können besser länger arbeiten. (DIR) Schlechte Löhne auf dem Arbeitsmarkt: Fast ein Viertel unter 14 Euro Knapp 24 Prozent der Beschäftigten in Deutschland verdienen weniger als 14 Euro pro Stunde, etwa 15 Prozent nur Mindestlohn. Die Linke fordert deutliche Erhöhung.