# taz.de -- Plan von Finanzminister Lindner: Wie Aktien die Rente retten sollen
       
       > Die Aktienrente steht im Koalitionsvertrag und nimmt langsam Gestalt an.
       > Aber ob das Projekt den Anstieg der Beiträge dämpfen kann, ist unklar.
       
 (IMG) Bild: Finanzminister Lindner will die Aktienrente in Deutschland
       
       BERLIN taz | Das Verhältnis der Deutschen zu Geldanlagen an den Börsen ist
       vor allem bei den älteren Jahrgängen von Skepsis geprägt. Bei den jungen
       Leuten sieht es schon anders aus, spätestens seitdem sich Aktiensparpläne
       unkompliziert über das Smartphone abwickeln lassen. Und ausgerechnet die
       kritischen Jahrgänge im oder nahe am Rentenalter sollen nun ihre
       Altersvorsorge von den Entwicklungen an den Aktienmärkten abhängig machen?
       So könnte die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) an den Start
       gebrachte [1][Aktienrente] zumindest missverstanden werden.
       
       Zwölf Milliarden Euro pro Jahr will Lindner dafür in den kommenden Jahren
       locker machen. Das Geld dafür borgt sich der Bund an den Kapitalmärkten. So
       soll eine „Stiftung Generationenkapital“ entstehen, die bis Mitte des
       nächsten Jahrzehnts einen dreistelligen Milliardenbetrag erreichen soll,
       von 200 Milliarden ist die Rede. Dazu will Lindner auch Bundesbeteiligungen
       an die Stiftung übertragen. Genaueres sagt er dazu nicht. Aber es kommen
       zum Beispiel die Beteiligungen an der Post oder der Telekom dafür infrage.
       
       Die politisch unabhängige Stiftung soll das Vermögen verwalten und
       gewinnträchtig an den Börsen anlegen. „Sie legt in unserem Auftrag das Geld
       von uns allen an“, erläutert der Minister. Die Idee: Der Staat zahlt für
       den Aufbau des Stiftungskapitals beispielsweise zwei Prozent Zinsen. Die
       Stiftung erzielt mit den Anlagen dann eine Rendite von fünf Prozent. Davon
       überweist sie die Zinsausgaben des Staates an den Bund. Der Rest, im
       Beispiel drei Prozent des Vermögens, fließt in die Rentenkasse.
       
       So will die FDP den Beitragssatz zur Rentenversicherung stabilisieren, wenn
       immer weniger Arbeitnehmer steigende Rentenausgaben finanzieren müssen.
       „Nichtstun ist keine Option“, sagt Lindner.
       
       ## Zu wenig Kapital für echten Effekt?
       
       Doch hat die Aktienrente noch einige Haken, die [2][für viel Kritik
       sorgen], selbst in den Reihen der Ampelkoalition. So täuscht die Größe des
       Staatsfonds über dessen möglichen Beitrag zur Stabilisierung der Beiträge.
       Den Prognosen zufolge wird der Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent des
       Bruttolohnes in den nächsten zehn Jahren auf über 21 Prozent ansteigen. Um
       ihn um einen Prozentpunkt zu drücken, müsste der Fonds eine jährliche
       Dividende von 17 Milliarden Euro einbringen.
       
       Nach einer Berechnung des grünen Rentenexperten Markus Kurth müsste dafür
       ein Kapital von 567 Milliarden Euro zusammenkommen. Kurth stellt das
       Vorhaben auch aus verfassungsrechtlichen Gründen infrage. Es würde das
       Vertrauen in das geltende Umlageverfahren untergraben und [3][Verzerrungen
       an den Finanzmärkten] nach sich ziehen, glaubt er.
       
       Stattdessen plädiert er für eine Stärkung der Einnahmen der Rentenkasse aus
       Beiträgen, zum Beispiel durch eine höhere Frauenerwerbsquote, bessere Löhne
       und gesündere Arbeitsbedingungen. Auch der DGB lehnt den Einstieg in ein
       solches teilweise kapitalgedecktes Rentensystem ab.
       
       Mit der privaten Altersvorsorge hat das Generationskapital nichts zu tun.
       Die Regel dazu sollen gesondert reformiert werden. Die Riester-Rente wird
       nach Vorschlägen einer Expertenkommission so verändert, dass auch
       Aktienfonds verstärkt zur Vermögensbildung beitragen können. Das wäre aber
       völlig unabhängig von der Entwicklung des gesetzlichen Rentensystems.
       
       Die Aktienrente wird Teil eines Gesetzespakets sein, das Lindner zusammen
       mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in den kommenden Wochen auf den Weg
       bringen will. Sie ist auch ein Zugeständnis des Koalitionspartners SPD.
       Denn Heil will im Gegenzug beim Rentenniveau eine Untergrenze von 48
       Prozent einziehen. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis einer
       Durchschnittsrente zum Durchschnittsverdienst, sagt also nichts über den
       individuellen Rentenanspruch aus.
       
       10 Aug 2023
       
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