# taz.de -- Durchlauferhitzer für die AfD: Der berühmte Elefant im Raum
       
       > „Früher“ war es anders, die Gegenwart macht vielen Angst. In manchen
       > Gesprächen steht dabei gleich die AfD als brauner Elefant breitbeinig im
       > Raum.
       
 (IMG) Bild: Die AfD als Elefant im Raum
       
       Neulich war ich wegen einer Recherche auf Gewerkschaftsbesuch bei mir in
       Kreuzberg und kam dort mit einer Mitarbeiterin nett ins Gespräch. Nennen
       wir sie Regina. Regina ist seit Jahrzehnten engagierte Gewerkschafterin und
       bald Rentnerin. Sie stand mir in wichtigen Fragen Rede und Antwort, war
       wirklich sehr hilfsbereit und zugewandt, gesiezt haben wir uns nur kurz.
       
       Irgendwann sprachen wir dann auch über unsere Berliner Heimatviertel. Ich
       erzählte von meiner afghanischen Migrationsgeschichte aus Charlottenburg.
       Regina von ihrer unbekümmerten Kindheit in Neukölln: „Das musst du dir mal
       vorstellen, früher bin ich als kleines Mädchen allein mit der U8 gefahren.
       Kaum zu glauben. Mit acht.“ Sie schaute mich nachdenklich an und klang dann
       nostalgisch: „Das war so die Zeit, da kamen die ersten Berliner Türken zu
       uns in die Klasse. Später war das alles tatsächlich multikulti, nicht nur
       Deutsche und Türken.“
       
       Wenn sie heute nach der Arbeit mit dem Auto nach Hause in den Süden der
       Stadt fahre, am Kottbusser Tor und Hermannplatz vorbei, erkenne sie die
       Gegend nicht wieder. Nun schaute mich Regina eindringlich an, berichtete
       aufgeregt von ihren schlimmen Eindrücken: von den Rangeleien und
       Schlägereien, auch mit der Polizei, vom wachsenden Elend, den Junkies, die
       für ein bisschen mehr Stoff zu allem bereit zu sein schienen, von immer
       aggressiveren Dealern und, natürlich, [1][vom Görlitzer Park].
       
       Ich wollte dem nicht groß etwas entgegensetzen, unsere Beobachtungen
       deckten sich. Als Kreuzberger und gefühlter Neuköllner wusste ich aber auch
       vom Zusammenhalt unter den Menschen zu berichten, von engagierten
       Nachbarschaften, prekären Lebensverhältnissen und Verdrängung, von der
       Ambivalenz gegenüber der Polizei, die für den einen mehr Sicherheit und für
       die anderen das Gegenteil bedeuten könne. Und davon, dass von Reginas
       Neukölln bestimmt viel mehr übriggeblieben sei, als sie es sich vorstellen
       möge.
       
       ## Der Durchlauferhitzer
       
       Wir redeten uns warm, aber nicht in Rage. Es blieb zugewandt, der ständige
       Augenkontakt war unsere unausgesprochene Vereinbarung, um einander nicht zu
       verlieren. Und weil es mir wichtig war, obwohl es nicht wirklich nötig
       schien, meinte ich: „Weißt du, alles, was du eben aufgezählt hast,
       gefährdet und nervt auch die Leute, die dort leben. Egal, woher sie kommen.
       Die Probleme bedrücken uns alle. Und natürlich müssten die Nervensägen
       bestraft oder es müsste ihnen geholfen werden, oft auch beides.“
       
       Dann erzählte ich, wie es für viele Menschen in Deutschland außerdem noch
       so sein könne, wenn sie anders aussehen und andere Namen hätten als die
       Mehrheit. Was das für Wohnungs- und Jobsuche bedeute, für den Heimweg im
       Dunkeln. „Eigentlich sind wir doch alle Leidensgenossen“, schob ich
       hinterher.
       
       Apropos Genossin, ich bin mir nicht sicher, ob Regina als Gewerkschafterin
       weiterhin die SPD oder die Linkspartei wählt. Die AfD vermutlich noch
       nicht. Die stand aber als brauner Elefant die ganze Zeit über breitbeinig
       im Raum. Sicher bin ich mir aber darin, dass der Raum, in dem wir uns im
       übertragenen Sinne aufhielten, der Durchlauferhitzer der AfD ist. In diesem
       Raum entsteht der Wille, sie zu wählen, wenn auch nur aus Protest.
       
       Wir gelangten in diesen Raum nur deshalb, weil ich aus einem ganz anderen
       Anlass zu Reginas Gewerkschaft musste und sie so hilfsbereit war. In jedem
       anderen Fall hätte ich wohl gegengehalten. Regina wirkte bis zum Schluss
       aufgeschlossen. Ob sie es auch bleibt, wenn sie die nächsten Male nach
       Hause fährt? Keine Ahnung, könnte ich mir aber vorstellen. Ich jedenfalls
       werde es bleiben, weil ich denke, dass wir viele Menschen aus diesem
       Durchlauferhitzer rausbekommen könnten. Alerta allein reicht nicht mehr
       aus!
       
       21 Aug 2023
       
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