# taz.de -- Wagner-Söldner im Nordkaukasus: Kein Recht auf Vergnügen
       
       > Ein Kriegsveteran wollte Jugendlichen verbieten zu singen. Auch andere
       > ehemalige Kämpfer sind unangenehm in Russland aufgefallen.
       
 (IMG) Bild: Wagner-Anhänger in St. Petersburg, 23. August 2023
       
       Ein Flugzeug des berüchtigten Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin ist [1][über
       dem Gebiet Twer abgestürzt.] Es gibt kaum noch Zweifel daran, dass er
       selbst im Flugzeug saß und tot ist. Die Unsicherheiten über die Zukunft der
       privaten Sicherheitsfirma (PCM) Wagner hingegen nehmen zu. Zumal nach Ende
       des Kriegseinsatzes der Gruppe in der Ukraine einige unangenehme Vorfälle
       in Russland in Zusammenhang mit ehemaligen Söldnern stehen.
       
       Im Stadtzentrum von Wladikawkas trafen sich im Sommer Jugendliche, sie
       tanzten und sangen. Eins dieser Lieder übrigens, das hier gerade häufiger
       gesungen wird als andere, ist „Zombie“ von der Gruppe The Cranberries.
       Vielleicht ist es eines der bekanntesten Antikriegslieder der Welt, das
       die Frontsängerin der Gruppe, Dolores O’Riordan, 1994 schrieb, als durch
       einen Bombenanschlag der IRA zwei kleine Jungen gestorben waren.
       
       Bis vor Kurzem hat niemand die Jugendlichen bei ihren Treffen gestört. Sie
       beruhigten die Menschen und gaukelten ein friedliches Leben vor. Doch
       dieser Frieden endete abrupt. In lokalen Telegram-Kanälen konnte man lesen,
       dass zu den volkstanzenden Jugendlichen ein, wie er sich selbst vorstellte,
       „Teilnehmer der militärischen Spezialoperation“ gekommen war und sie grob
       zurechtgewiesen hatte: Niemand habe das Recht auf Vergnügen, während
       „unsere Landsleute in der Ukraine kämpfen“.
       
       Augenzeugen dieses Streits haben mir erzählt, dass es fast zu einer
       Schlägerei gekommen wäre. Und die eben noch tanzenden Jungs plötzlich auch
       laut und aggressiv wurden. Die Polizei konnte den randalierenden Veteranen
       gerade noch rechtzeitig wegbringen.
       
       Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art mit einem Frontheimkehrer in
       Ossetien. So erstach ein ehemaliger Wagner-Söldner, Georgi Siukajew,
       Kampfname „Arbalet“, im südossetischen Zchinwali auf offener Straße Solan
       Waliew, einen Mann mit geistiger Beeinträchtigung. Auf einem Internetvideo
       sieht man, dass er Waliew länger verfolgte, bevor er schließlich mehrfach
       auf ihn einstach.
       
       Der Grund für diesen Mord ist nicht bekannt, aber die Einwohner von
       Zchinwali beteuern, dass Solan Waliew ein völlig harmloser Mensch war, der
       sicher keine Bedrohung für den Wagner-Söldner dargestellt habe. „Arbalet“
       sitzt jetzt in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess.
       
       Schon zuvor hatte Nordossetien der Fall von Wadim Techow erschüttert. Der
       Mann war wegen des Mordes an seiner Ex-Frau zu 15 Jahren Haft verurteilt
       worden, kam aber bald wieder frei, weil er sich für die dem
       Verteidigungsministerium unterstehende Sicherheitsfirma „Sturm-Z“ gemeldet
       hatte. Dort wurde er wegen Drogenhandels erneut verhaftet, kam aber nicht
       ins Gefängnis, sondern wieder an die Front.
       
       Jetzt ist Wadim Techow zurück in der Heimat und geht trotz öffentlicher
       Empörung demonstrativ mit einem Messer auf die Straße. Rechtlich gesehen
       ist er sauber.
       
       Aus dem Russischen [2][Gaby Coldewey]
       
       Finanziert wird das Projekt von der [3][taz Panter Stiftung]. 
       
       Ein Sammelband mit den Tagebüchern ist im [4][Verlag edition.fotoTAPETA]
       erschienen
       
       25 Aug 2023
       
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