# taz.de -- Flucht über Mittelmeer und Ärmelkanal: Acht Tote bei Bootsunglücken
       
       > Bei Calais starben sechs Menschen, eine junge Frau und ihr Baby mussten
       > ihr Leben vor der Küste Tunesiens lassen. Hilfsorganisationen retten
       > Hunderte aus dem Meer.
       
 (IMG) Bild: 54 Menschen konnten aus dem im Ärmelkanal gekenterten Boot gerettet werden
       
       CALAIS/TUNIS/FRANKFURT AM MAIN rtr/afp/epd | Im Ärmelkanal sind beim
       Kentern eines Flüchtlingsbootes mindestens sechs Menschen ums Leben
       gekommen. Etwa 50 Personen seien gerettet worden, teilten die französischen
       Behörden am Samstag mit. Sie hätten am frühen Morgen versucht, mit dem Boot
       von Frankreich aus den Ärmelkanal zu überqueren und nach Großbritannien zu
       gelangen. Gegen sechs Uhr am Morgen sei eine umfassende Rettungsaktion
       gestartet worden, als Dutzende Boote gleichzeitig die Überfahrt versucht
       hätten, sagte der örtliche Bürgermeister, Franck Dhersin. „Mehrere Boote
       hatten ernsthafte Schwierigkeiten.“ In der Nähe der Küstenstadt Sangatte
       seien leider tote Menschen geborgen worden. Den Behörden zufolge war eine
       Such- und Rettungsaktion in Gang. Die britische Küstenwache teilte mit, sie
       habe bei dem Untergang eines anderen Bootes alle Insassen retten können.
       
       Der Ärmelkanal zwischen Frankreich und Großbritannien ist einer der
       verkehrsreichsten Schifffahrtswege der Welt. Die Strömungen sind stark.
       Daher ist eine Überfahrt mit kleinen Booten gefährlich. Dennoch versuchen
       immer wieder Migranten, von Frankreich aus nach Großbritannien zu gelangen.
       In der Regel werden klapprige Schlauchboote überladen, sodass sie kaum über
       Wasser bleiben und Gefahr laufen zu kentern.
       
       „Wir haben 54 Menschen gerettet, darunter eine Frau“, sagte Anne Thorel,
       eine Freiwillige, die auf einem der Rettungsboote war. Sie schilderte die
       verzweifelten Bemühungen der Migranten, mit ihren Schuhen Wasser aus ihrem
       sinkenden Boot zu kippen. „Es waren zu viele von ihnen auf dem Boot.“
       
       Frankreichs Ministerpräsidentin Elisabeth Borne kündigte an, der
       stellvertretende Minister für maritime Angelegenheiten, Herve Berville,
       werde nach Calais zu der Unglücksstelle reisen. „Meine Gedanken sind bei
       den Opfern“, schrieb sie im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter. Auch
       die britische Innenministerin Suella Braverman erklärte, sie sei in
       Gedanken und Gebeten bei den Opfern. Britische und französische Behörden
       würden bei den Rettungsaktionen zusammenarbeiten.
       
       Nach Daten der britischen Regierung hat die Zahl der Migranten, die seit
       Anfang 2018 den Ärmelkanal überquerten, diese Woche den Wert von 100.000
       überstiegen. In diesem Jahr sind es demnach bislang knapp 16.000.
       
       Premierminister Rishi Sunak [1][versucht mit einer restriktiven
       Asylpolitik] die Zahl der nach Großbritannien kommenden Migranten zu
       verringern. Er baut darauf, dass er damit die Popularität seiner in
       Umfragen schlecht abschneidenden Konservativen Partei verbessern kann.
       
       ## Nur 120 Meter vom Strand entfernt gekentert
       
       Bei einem Bootsunglück vor der Küste Tunesiens sind Behördenangaben zufolge
       eine junge Frau und ein Baby ums Leben gekommen. Das Boot mit tunesischen
       Flüchtlingen an Bord sei am frühen Samstagmorgen nur 120 Meter vor dem
       Strand von Gabès im Südosten des Landes gekentert, erklärte die
       Nationalgarde. 13 Menschen konnten demnach gerettet werden, fünf weitere
       würden noch vermisst.
       
       Um die Vermissten zu finden, wurde der weitläufige Golf von Gabès
       abgesucht, der für starke Strömungen bekannt ist, wie die Behörde weiter
       mitteilte. Ein örtliches Gericht habe eine Untersuchung eingeleitet, um
       „die Umstände der Tragödie zu ermitteln“.
       
       [2][Tunesien ist ein wichtiges Transitland für Migranten], die über die
       gefährliche Mittelmeer-Route nach Europa gelangen wollen. Seit Anfang des
       Jahres kamen laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mehr
       als 1800 Menschen bei Unglücken auf dem Mittelmeer zwischen Nordafrika und
       Europa ums Leben.
       
       ## „Ocean Viking“ kommt 623 Menschen zu Hilfe
       
       Allerdings haben Hilfsorganisationen erneut Hunderte Flüchtlinge und
       Migranten im Mittelmeer gerettet. Allein die „Ocean Viking“ kam bei einem
       48-stündigen Einsatz 623 Menschen zu Hilfe. 369 Überlebende durften das
       Schiff am Samstag in Empedocle auf Sizilien verlassen, wie die Organisation
       SOS Méditerranée, die das Schiff betreibt, mitteilte. Es habe sich um den
       bisher größten Einsatz der „Ocean Viking gehandelt“, [3][schrieben die
       Seenotretter auf der Plattform X, ehemals Twitter]. Auch die „Humanity 1“
       der deutschen Organisation SOS Humanity rettete mehr als 100 Flüchtlinge.
       
       Insgesamt absolvierte die „Ocean Viking“ den Angaben zufolge innerhalb der
       48 Stunden 15 Rettungseinsätze. Unter den Überlebenden seien 146
       unbegleitete Minderjährige. Bis auf einen spielten sich demnach alle
       Einsätze auf der Route zwischen der tunesischen Hafenstadt Sfax und der
       italienischen Insel Lampedusa ab. Diese Rettungen seien von den
       italienischen Behörden koordiniert worden.
       
       Den Angaben zufolge wurden der Schiffscrew zwei Häfen zugewiesen. Die noch
       auf der „Ocean Viking“ verbliebenen Überlebenden würden nun nach dem
       Zwischenhalt auf Sizilien nach Civitavecchia gebracht, nahe der
       italienischen Hauptstadt Rom. Am Freitagabend hatte SOS Méditerranée
       zunächst mitgeteilt, dass der erste Teil der Flüchtlinge und Migranten nach
       [4][Lampedusa] gebracht werde.
       
       Auch die deutsche Organisation SOS Humanity rettete am Freitag bei zwei
       Einsätzen im zentralen Mittelmeer insgesamt 106 Menschen aus Seenot. Bei
       einer ersten Rettung am Freitagvormittag seien 86 Menschen aus einem
       Schlauchboot in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste an Bord
       genommen worden. Beim Eintreffen der „Humanity 1“ sei bereits Wasser in das
       Schlauchboot eingedrungen.
       
       Bei einem zweiten Einsatz am späten Nachmittag seien weitere 20 Flüchtlinge
       und Migranten gerettet worden, erklärte SOS Humanity. Unter den
       Überlebenden seien knapp 30 Minderjährige und mindestens eine schwangere
       Frau. Die Menschen seien erschöpft, aber in einem stabilen Zustand.
       
       Auch kleinere Schiffe hatten in den vergangenen Tagen jeweils Dutzende
       Flüchtlinge gerettet. Das Segelschiff „Astral“ der spanischen Organisation
       „Open Arms“ erreichte am Samstag mit 59 Überlebenden an Bord Sizilien. Die
       Menschen waren den Angaben zufolge in der Nacht auf Freitag von vier
       überfüllten Booten evakuiert worden. Die „Nadir“ der Hamburger Initiative
       Resqship war am Freitagabend ebenfalls mit 54 Überlebenden auf dem Weg nach
       Lampedusa.
       
       12 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Britisches-Gericht-kippt-Deal/!5944255
 (DIR) [2] /Tunesien-deportiert-Migrantinnen/!5947548
 (DIR) [3] https://twitter.com/SOSMedGermany/status/1690075026949615616
 (DIR) [4] /Nach-Bootsungluecken-vor-Lampedusa/!5952569
       
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